Message 07172 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT06812 Message: 7/10 L5 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: H. bei Debian



Hi StefanMz et al!

Ich kürze mal einiges, was nicht wirklich kontrovers ist.

Last month (35 days ago) Stefan Meretz wrote:
On Sunday 10 August 2003 10:45, Stefan Merten wrote:
Damit stößt Du ziemlich viele Leute vor den Kopf.

D.h.: Damit wird/würde Gewalt ausgeübt.

Wieso das? Niemandem ist was aufzwingbar.

Gewalt ist nicht nur Zwang. Wenn jemensch sich vor den Kopf gestoßen
fühlt, dann hat jemensch Gewalt erfahren.

Ohne Konsens werde die Leute der Entscheidung nicht folgen.

Joey beschreibt schön, wie unter den Bedingungen der Freiwilligkeit H.
stattdessen funktioniert: Es muss Konsens organisiert werden.

Warum ist das dann noch H.errschaft?

Herrschaft - so wie ich es mittlerweile hier verwende - ist es ja
gerade nicht. Es ist vielmehr OrganisationHerrschaftAnarchismus - OHA
eben.

Wie organisiert sich das Soziale? Wie entstehen in sozialen Systemen
Regeln und wie wechselwirken Regeln, Umweltbedingungen und die
sozialen Entitäten? Entfremdung (aka instrumentell) ist darin ein,
unter emanzipatorischen Gesichtspunkten wichtiger Aspekt. Aber der
ganze Rest ist auch wichtig. Um den geht's mir. Und darum, Entfremdung
strukturell zu verhindern.

Stattdessen werden konkurrierende Systeme entwickelt und die
Unterstützung findet nicht im gewünschten Maße statt.

D.h. dem gemeinsamen Interesse wird durch den Einsatz von Macht in der
Regel geschadet.

Da es sich bei dem gemeinsamen Interesse IMHO um ein Fiktivum handelt,
schadet dieser Maintaini vor allem sich selbst, d.h. seiner
Selbstentfaltung. So regelt sich das dann aus.

Ja, so regelt sich das aus. Das ist also Bestandteil des OHA-Modells
Freier Software. Ob du das gemeinsame Interesse begrifflich fassen
willst oder nicht ist auf einer praktischen Ebene nicht unbedingt
erheblich. Es gibt auch Leute, die das ohne Theorie beherrschen - äh
hinkriegen ;-) .

Ein Projektleiter darf daher nicht diktatorisch regieren, sondern muß
sanft leiten.

Ja. Was aber nichts daran ändert, dass reichlich Grundbestandteile von
H. in Debian vorkommen.

Welche?

Hatte ich in meiner Mail nochmal kurz aufgezählt. Nach dem
(unbeliebten) systematischen Soziologen (Stichworte extra hervor
gehoben):

  Die MaintainerInnen haben eine (natürliche, nicht hierarchische)
  *Autorität* inne, die sie dazu benutzen "ihr" jeweiliges Projekt zu
  leiten. Den MaintainerInnen dürfte in der Regel auch zugestanden
  werden, dass sie *legitim* handeln und sie dürften das *Vertrauen* der
  meisten Projektmitglieder genießen. *Öffentlichkeit* besteht zumindest
  im Rahmen des Projekts und es ist im Rahmen des Projekts sicher auch
  nicht falsch von einer *(Leistungs)elite* zu sprechen, zu denen die
  MaintainerInnen regelmäßig gehören dürften.

  Das einzige, wo es nicht so eindeutig ist, ist der *Machtfaktor* und
  dessen Anwendung in Form von *Zwang* und Gewalt. Ich denke aber, dass es
  auch diesen Faktor gibt, dass dessen unangenehme Auswirkungen aber
  durch die besonderen Bedingungen der Freiwilligkeit aber tendenziell
  zum Verschwinden gebracht werden.

In diesen Begriff von OHA passt auch Freie Software rein.

Wie erpressbar ist die ganze Organisation, wenn nun partout eine
Gruppe etwas durchsetzen möchte?

Erpreßbar?  Inwiefern?  Wenn eine Gruppe etwas durchsetzen will, soll
sie es doch tun.  Debian ist frei und es steht ihnen frei, einen Fork
zu machen (siehe Stormix, Progeny, Libranet, Gibraltar, Lindows,
Xandros, Knoppix etc.)

Coole Antwort ;-) . Aber Joey beschreibt hier auch schön, was unter
Internet-Bedingungen relativ gut geht: Lass sie doch einfach machen.
Da das Internet für viele Belange de facto einen unendlich großen Raum
darstellt, gibt es hier gar keinen Grund irgendwas generell verhindern
zu wollen. Allerdings gibt es wohl Gründe, abweichende Meinungen /
Ansätze in einem Fork auszulagern / zu bündeln.

Eben. Wo ist da H.errschaft?

Die Machtanwendung besteht ihr in der Verweigerung. Wenn jemensch
Dinge kann aber ablehnt zu tun, dann kann das durchaus strukturelle
Gewalt sein. Unterlassene Hilfeleistung ist der bürgerliche Begriff
dafür. Ein guter Teil der Widerstandsbewegungen will von den
Herrschenden, dass diese Dinge tun, die sie tun könnten aber lassen.

Aber hier schneidet sich das in der Tat mit der individuellen
Freiheit. Wo ich gerade von Aufhebung gesprochen hatte: Mir scheint,
dass es sich hier auch um ein Aufhebungsphänomen handelt.

Vielleicht ist der Knackpunkt auch die Totalität, wie wir sie gerade
im (staatsorientierten) Zensurbegriff haben.

Für mich wäre halt die Frage, inwieweit dieses H.-Modell übertragbar
ist. Unter emanzipatorischen Gesichtspunkten ist die freiwillige
Teilnahme an einem solchen Projekt und damit auch die freiwillige
Anerkennung eines entsprechenden Regelwerks wohl unabdingbar. D.h. in
einer Übertragung wäre so etwas wie ein allgemein verbindliches Modell
wie Staat nicht denkbar, dass seine Mitglieder eben nicht fragt,
sondern sie qua Territorialprinzip unter seine Fuchtel zwingt.

Ein Verallgemeinerung des Modells (egal wie wir es nennen) besteht darin,
dass jede Kooperation sich ihre Regeln schafft, die sie braucht und sie
wieder ändert, wenn es notwendig ist.

Eben. Danke für den Tipp ;-) .

Die Regel orientieren sich an dem
jeweils konkreten Vorliegenden: Der Sache, den Leuten, den Beziehungen,
den Umfeldbedingungen, den Ressourcen usw.

Mir geht es nicht darum, Regeln zu verallgemeinern, sondern die
Strukturen zu verstehen, in denen die Regeln entstehen, wirken, etc.

Genau deswegen kann es kein allgemeines Modell geben - wozu auch?

Wenn ich das richtig verstanden hatte, habe ich eine
Konkret-Verallgemeinerung im Sinn.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT06812 Message: 7/10 L5 [In index]
Message 07172 [Homepage] [Navigation]