Message 06850 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT06803 Message: 8/13 L1 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[ox] Bordieau und Brillen (was: Computer als Männermaschine)



Hallo!

Ich misch mich auch mal in die Diskussion ein. Es gibt glaub ich einen
Knackpunkt in der ganzen Debatte (abgesehen vom unglücklichen Stil),
auf den will ich mal hinweisen.

Als ich vor Jahren Thomas Berker das erste mal von [ox] erzählt hab,
war seine erste Reaktion: "Alles soziales oder kulturelles Kapital wie
bei Bordieu." 

Zunächst nur noch ein Disclaimer: Ich hab den Text von Bordieu wo es
um soziales und kulturelles Kapital geht, nicht gelesen. Die Grundidee
ist aber glaub ich ebenso einfach wie einleuchtend: Es gibt nicht nur
Kapital in der "harten" Form von Wert, sondern auch in "weicheren"
Erscheinungsformen, eben in Form von z.B. sozialen Beziehungen oder
Bildung. Die These von Bordieu ist wohl, dass diese unterschiedlichen
Formen von Kapital ineinander transferierbar sind und das deshalb eine
Analyse der Herrschaftsstrukturen im Kapitalismus diese Formen auch
betrachten muss. Bordieu-Kenner mögen mich korrigieren, wenn ich damit
falsch liege.

On Thu, Jul 03, 2003 at 01:34:59PM [PHONE NUMBER REMOVED], francis wrote:
Wie gesagt: Das haut einfach nicht hin. Dass auch sie zumindest weite
Teile Freier Software einfach nehmen kann ohne etwas dafür zu geben,
widerspricht einfach dem Tausch.
Um es an einem vereinfachten und wahrscheinlich hinkendem Beispiel zu
verdeutlichen: Wenn ich die Software von YX downloade und benutze und
sie gut ist und ich sie anderen weiterempfehle, so hat XY etwas
angeboten (die Software) und ich habe im Gegenzug Teil an der
Produktion von sozialem Kapital - zum Beispiel indem ich FreundInnen
davon berichte wie toll die Software ist. Wie im Text länger
ausgeführt, kann soziales Kapital (Bordieu), also z.B. eine breite
Anerkennung, in finanzielles Kapital umgewandelt werden. Hierbei
entstehen Tauschverhältnisse.

Mir scheint mein Text wurde nicht richtig gelesen/verstanden,
ansonsten würde die Diskussion nämlich um die tatsächlich wackeligen
Punkt dieser Argumentation gehen.

Es ist wohl völlig richtig, dass FS genau so ein Paradebeispiel ist,
wo man diese Bordieu-These anwenden kann. Prinzipiell ist das denke
ich auch richtig. Nur ist hier - wie so oft - die Frage angebracht,
was Prinzipien bringen.

Jedes Phänomen im Kapitalismus hat _immer_ zwei Seiten. Eine
Herrschaftsseite und eine emanzipatorische Seite. Sicherlich gibt es
Phänomene, bei denen das eine das andere komplett überwiegt und bei
den meisten Phänomenen die Herrschaftsseite überwiegt liegt eben in
der Natur der Sache, dass wir vom Kapitalismus beherrscht werden.

Theorie hat immer die Möglichkeit zwei Brillen aufzusetzen. Die
Brille, die nach Chancen sucht innerhalb des Kapitalismus. Als Marx
diese Brille aufgesetzt hat, hat er wohl leider nur die (konkrete)
Arbeit gefunden. Bei Hardt und Negri kam die Multitude raus und bei
[ox] die Selbstentfaltung. Das ist die rosarote Brille.

Dann gibt es aber auch noch die schwarze Brille. Das ist diejenige die
immer die Herrschaftsstrukturen in jedem Phänomen findet. Das ist dann
die Totalität der Warengesellschaft z.B.

Beide Brillen alleine bringen leider nicht viel. Die Leute mit der
rosaroten Brille wundern sich meist irgendwann, wie sehr doch das von
ihnen so rosarote Phänomen plötzlich ganz dunkle Ränder kriegt und die
Leute mit den schwarzen Brillen finden leider meist vor lauter
Dunkelheit keinen Weg aus dem Labyrinth namens Kapitalismus.

Ich plädiere also dafür die Brillen einfach gelegentlich mal zu
wechseln. Dann kann man noch einen Weg erahnen und sieht trotzdem
manchmal die dunklen Löcher, die auf ihm lauern.

Brillen wechseln ist auf jeden Fall mehr angesagt als nach immer neuen
Beweisen zu suchen, dass die eigene Brille Recht hat und die andere
Unrecht. Die wird man nämlich immer finden.

In dieser Diskussion hat Stefan Mn. eindeutig die rosarote Brille auf
und francis die schwarze. Wenn ihr beide was lernen wollt, empfehle
ich mal einen Brillenwechsel.

Grüße, Benni

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT06803 Message: 8/13 L1 [In index]
Message 06850 [Homepage] [Navigation]