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Re: [ox] Re: Gruppen als Beziehungsgeflechte



Hi StefanMz und Liste!

Danke für diese wohltuend entspannte Mail :-) :-) .

6 days ago Stefan Meretz wrote:
In wackerer Abarbeitung... (was habe ich da nur angerichtet...)

*Wir* haben aus *meiner* Sicht einen spannenden Potpourri zahlreicher
wichtiger Fragen angerichtet. Auch wenn das ziemlich off-topic ist
;-)-: .

On Monday 26 May 2003 00:42, Stefan Merten wrote:
"Gruppe" ist da IMHO ungeeignet, weil viel zu allgemein. Konkreter
finde ich z.B. die (personale) Kooperation, was auch nichts
anderes als eine Gruppe ist, aber eben eine inhaltlich
qualifizierte.

Das klang jetzt in mehreren Mails von dir durch: Du würdest den
abstrakteren Begriff "Gruppe" nicht verwenden wollen und statt
<cut>
Das reizt mich natürlich zu der Frage: Was kann aus deiner Sicht ein
Gemeinsames sein, das nicht metaphysisch aufgeladen ist?

Z.B. das es sich bei einer Gruppe um eine Anzahl von Menschen >1 handelt.
Also - um mal den Vorschlag von Matti aufzugreifen - abstrakt-allgemeine
Bestimmungen. Die haben aber keine konkret-allgemeine Qualität - IMHO.

Ich bin nicht sicher, ob ich deine Antwort richtig verstanden habe,
aber ich versuche nochmal meine Frage zu präzisieren: Kannst du
irgendetwas Gemeinsames nennen, was z.B. den TeilnehmerInnen dieser
Mailing-Liste - oder einer beliebigen (deskriptiven) Gruppe deiner
Wahl - gemeinsam ist und was nicht metaphysisch aufgeladen ist?

Hmm... Ich glaube ich ahne, warum du da keine konkret-*allgemeine*
Qualität erkennen kannst. So langsam verstehe ich wohl auch, was du
mit konkret-allgemein eigentlich meinst. Stöhn...

Ok, ok, wenn ich das verstanden habe, dann muss ich anders herum
fragen: Was ist etwas konkret-allgemeines an Gesellschaft?

BTW bin ich nach wie vor der Meinung, dass die abstrakt-allgemeine
Qualität Anzahl von Menschen > 1 zwar eine notwendige, aber beileibe
keine hinreichende Bedingung für das Phänomen Gruppe ist. Das
Beziehungsgeflecht wäre nach dem, was ich bis hierher verstanden habe,
eine konkret-allgemeine Qualität. Was ist mit der Ursache - das, was
ich mal als Grund für eine Gruppe bezeichnet hatte? Ist das d.E.
abstrakt-allgemein oder konkret-allgemein? Ich tippe auf
abstrakt-allgemein.

Wie schon bei der Diskussion um Repräsentation und auch bei der
aktuellen um Identität habe ich das Gefühl, dass du manche Begriffe
einfach halbierst und die Hälfte, die dir nicht ins Konzept passt,
einfach wegwirfst. Das finde ich ärgerlich - gelinde gesagt. Aber
wenigstens verstehe ich damit, warum ich dich nicht verstehe. Und
ich verstehe, warum das (für mich) auch nicht sinnvoll wäre:
Halbierte Begriffe zeigen nur (aber wahrscheinlich nicht mal) die
halbe Welt.

Na ja, in deiner Sicht sind es "halbe Begriffe", in meiner Sicht ist
es eine "unzulässige Vermischung" und eben "metaphysische Aufladung".

Ich denke immer noch, dass du an ein paar entscheidenden Stellen ganz
bestimmte Perspektive konsequent nicht einnimmst. Namentlich die, der
ersten Person Plural.

"Wir". Hm. Kann ein Einzelner diese Perspektive einnehmen?

Im Moment eines (einstimmigen bzw. konsensuellen) Beschlusses würde
ich meinen.

Aber ich glaube, ich sehe, worauf du raus willst. Die
Gruppenstandpunktswolke, die im Moment eines Beschlusses
kristallisiert, ist im nächsten Moment schon wieder wolkiger - und
damit nicht mehr einnehmbar. Aber immerhin kann die Kristallisation ja
immer wieder herbeigeführt werden. Oder? Damit wäre sie quasi
immanenzfähig. Im immanenz*fähig* droht natürlich die Entfremdung /
Transzendenz. I see, I see...

IMHO nur dann,
wenn man einen transzendenten Bezug herstellt, was das "wir" konstituiert
und dann repräsentiert werden kann. Dann geht es.

Ich glaube so langsam verstehe ich wirklich, was du meinst. Hmm...

Vielleicht ist es einfach nur eine Entscheidung: Ich entscheide mich
dagegen, weil ich das für nicht emanzipatorisch halte. Und meine
alternative Überlegung ist das "je ich" - die "vierte Person".

Gibt's auch eine vierte Person Plural? Oder gibt's die gar nicht in
Singular und Plural.

Ansonsten deute ich mal, dass die vierte Person das konkret-allgemeine
Ich ist. Verstehe ich dich?

Ok, jetzt wiederholt es sich.

Ich kürze kräftig. Ein paar Sachen scheinen auch im Sub-Thread zur
Wissenschaft auf.

Nein, dann hätte sich sowas wie (völlig unterschiedliche) Esskultur
nicht entwickelt. Es gibt unzählige Gründe, warum Menschen essen, und
die sind alle erster Person.

Das Bedürfnis ist erster Person - ok. Der Grund ist nochmal eine
andere Dimension. Aber darüber will ich mich nicht streiten.
Meinetwegen ist auch ein Grund erster Person.

Das ist folgenreich - deswegen ist "meinetwegen" eine etwas schwache
Basis.

"Meinetwegen" schrieb ich weil es nach meiner Ahnung nur verschiedene
Sprachspiele sind. Im Begriff unterscheiden wir uns glaube ich nicht
so rasend - und du hast darüber sicher länger nachgedacht als ich...

D.h. ob der Grund für eine Software-Entwicklung Spaß oder
Notwendigkeit oder sonstwas ist, muss nicht festgestellt werden
damit das Entwickeln beginnt.

Ja, ok.

Er kann aber festgestellt werden

Schön neutral formuliert. Hier liegt aber der Knackpunkt: Nur je ich
kann das feststellen.

Warum ist das für dich ein Knackpunkt? Ich widerspreche dem doch mit
keiner Silbe - im Gegenteil.

Weil es ein Unterschied ist, ob jemand drittes etwas über je mich
feststellt (wie?), oder ob je ich das feststelle. Das erste geht aus
meiner Sicht nur als Vermutung (mal angekommen, derjenige sagt es nicht
gleich). - Ich meine auch nicht, dass du widersprichst.
             ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^

Lass dich dafür herzen und küssen :-) .

Ich will nur
wieder darauf hinweisen, dass der "Modus dritter Person" sich strukturell
vom "Modus erster Person" unterscheidet. Was dann dazu führt, dass ich
eben bestimmte Dinge im Modus dritter Person nicht feststellen kann.

Da sind wir uns m.E. sehr einig.

Mal so formuliert: Für dich kommen andere immer nur in dritter Person
vor. Bei mir gibt es aber auch eine erste Person Plural, die vorkommen
kann. Hier scheint mir wirklich der Knackpunkt zu liegen.

Ja. Da die erste Person Plural kein "Punkt" ist, sondern - wie oben
erklärt - erst dazu gemacht werden muss, um drauf stehen zu können, ist
das im meiner Sicht in der Konsequenz gleichbedeutend mit der dritten
Person. Dies gilt allerdings nur, wenn das "wir" repräsentiert wird.

Ich habe sonst nichts gegen ein "wir" - ganz im Gegenteil. Ich habe nur
etwas gegen ein "repräsentiertes wir". Theoretisch. In Praxi muss und
kann ich damit trotzdem ganz gut umgehen - weil ich meine, die Quellen
der Verwerfungen zu erkennen.

Hierzu fände ich ein paar mehr Ausführungen interessant. Aber
vielleicht ist es auch erstmal gut an dieser Baustelle... Und BTW habe
ich hoffentlich ausreichend darauf hingewiesen, dass ich die
Möglichkeiten für Verwerfungen / Entfremdungen ebenso sehe wie du und
dass ich sie für genau so gefährlich halte wie du. Ach, mir wird so
harmonisch ums Herz ;-) .

und wenn es
nicht entfremdet geschieht, wird die handelnde Person dem auch
zustimmen können - oder sich den Grund sogar selbst überlegen.

Wenn ich "feststellen" mal mit "mir klarmachen" übersetze, dann
klingt es ziemlich merkwürdig, "mir selbst zuzustimmen". Das macht
nur Sinn, wenn du es als Vorgang dritter Person denkst, dem ich dann
aposteriori "zustimmen" darf.

Und wieder biegst du meine Gedanken ins Absurde - seufz...

Sorry, nicht meine Absicht. Ich denke so.

War auch mehr als Marker, dass da Kommunikation schief gegangen ist.

Nochmal meinen ganzen Satz: "Er [der Grund] kann aber festgestellt
werden und wenn es nicht entfremdet geschieht, wird die handelnde
Person dem auch zustimmen können - oder sich den Grund sogar selbst
überlegen."

Joost hat das in seiner Beschreibung übrigens mit "im Prinzip"
bezeichnet...

Darauf antwortest du eigentlich nicht. Ein Grund für eine Handlung
kann von irgendwem festgestellt werden.

Nein, das sehe ich nicht. Es mag Fälle geben, wo das gelingt,

Das sind die Fälle, die du m.E. ausblendest - und um die es mir geht.
Aber immerhin...

aber wir
reden ja hier allgemein.

...weiß ich jetzt warum.

Und allgemein trifft deine Aussage nicht zu -

Aber in deiner Allgemeinheit kommen diese Fälle dann einfach nicht
vor? Ich glaube ich sehe, wie du die Allgemeinheit leer kriegst. Du
kriegst keine (einfache) Regel hin und damit entleert sich die
Allgemeinheit. Haut das hin?

insbesondere im Angesicht deiner "meinetwegen"-Zustimmung, dass der Grund
erster Person ist.

Insbesondere auch von der je ersten Person.

IMHO allgemein nur von dieser.

Ich kann aber auch in einem Dialog mit einer zweiten
Person über meine Gründe sprechen und es kann sein, dass diese zweite
Person die besser begreift und mir nahe bringt. [Ich höre deinen
Aufschrei bis hierher...]

Da muss ich nicht aufschreien: Wenn ein Dialog einer zwischen ersten
Personen ist, also keiner meint, die dritte Person des Wissenden
einnehmen zu müssen (was allgemein ja nicht geht, aber trotzdem alle Nas
lang passiert), dann ist das überhaupt _die_ Möglichkeit, an die Gründe
anderer heranzukommen.

Super.

Dann hat eine andere Person meine Gründe
festgestellt und ich kann ihnen zustimmen.

Kann mal passieren. Gilt aber nicht allgemein.

Nein - aber kann passieren. Wow!

Ist mir insbesondere nicht
sehr angenehm, wenn mir jemand "meine Gründe" verklickern möchte: Was
bildet der/die sich ein....

In einem konstruktiven Dialog bildet sich die/der gar nichts ein,
sondern versucht nur gemeinsam mit dir etwas zu explorieren. Wenn du
das Gefühl hast, dass dir jemensch deine Gründe verklickern will, dann
geht gründlich was schief. Aber dann ist das auch kein Dialog mehr.

Wenn sie sie mir nicht nahe
bringen kann, dann handelt es sich erstmal um Entfremdung (nämlich von
mir).

Aufschreien tue ich nun hier! Verstehe ich recht: Es handelt sich um
Entfremdung, wenn ich behauptete "meine Gründe", die mir jemand
verklickern will, nicht annehme?

Dann schreien wir gemeinsam auf ;-( . Wie schaffst du es, eine solche
Lesart hinzukriegen? Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wenn es dein
Gegenüber nicht hinkriegt sie dir nahe zu bringen, dann hat dein
Gegenüber sich von dir entfremdet. Das Gegenüber muss sich dann
schämen für sein anti-emanzipatorisches Gehabe - nicht du!

Dann könnte mensch das meinetwegen mit Drittstandpunkt
bezeichnen. Aber eben *nur* im entfremdeten Fall. Nicht, wenn je ich
zustimme.

Entfremdung ist, wenn ich dem "Wissenden" (woher soll der das nehmen?)
nicht zustimmen kann?

Nein, wenn die angeblich Wissende dir es nicht nahe bringen kann. Im
"angeblich" liegt schon die Entfremdung. Ansonsten siehe dazu auch
meine Bemerkungen zu Heuristiken im Thread zum Wissenschaftsbegriff.

Und alles ist in Butter, wenn ich einer dritten
Person zustimme, dass diese schon über meine Angelegenheiten Bescheid
wisse? - Wie soll das gehen??

Ja, wie soll das gehen? Wie schaffst du es, mich derart
misszuverstehen? Egal. Ist ja jetzt hoffentlich auch aufgeklärt.

Wo in diesem Bild die dritte Person vorkommt ist mir schlicht und
ergreifend unerklärlich. Kannst du nochmal erklären, wie "ich" oder
vielleicht auch ein Dialog mit einer anderen Person ein "Vorgang
dritter Person" ist?

Wenn die zweite Person über mich (im Gegensatz zu: mit mir) redet, dann
nimmt sie mir gegenüber den Standpunkt einer dritten Person ein.

Ja. Aber ich sprach nicht von dritter Person.

Eine
dialogische Situation gewährleistet keineswegs, dass sich hier Einzelne
nicht zur dritten Person aufschwingen.

In der Tat.

Hast du das noch nie erlebt - vor
allem auch, wie unangenehm das ist? Diese Oberlehrer, Superchecker,
mir-sagen-wollen-was-ich-zu-tun-habe-Leute?

Sagen wir mal: Schon länger nicht mehr ;-) .

Das ist eigentlich schon der Kern dieser Mail. Was ich hier skizziere,
kann ich in deiner Widerspiegelung nicht wieder finden. Wenn du mir
deutlich machen kannst, dass "ich" und ein "Dialog" immer "Vorgänge
dritter Person" sein müssen, dann bin ich wohl überzeugt.

Ich hoffe, dass ich etwas beitragen konnte: Dialog ist weder immer das
eine noch das andere, sondern es kommt darauf an, wie sich die Menschen
im Dialog begegnen.

Wenn sie sich als dritte Person verhalten, haben sie den Dialog
verlassen. Da gibt's für mich nichts zu diskutieren und ich würde hier
doch um einen präzisen Wortgebrauch bitten.

Es gibt keine Garantie für den Standpunkt der ersten
Person. Er muss immer wieder durchgesetzt werden.

Am besten vom Drittstandpunkt aus ;-) .

Nein, nein, der Standpunkt der ersten Person muss zu einem wichtigen
Lebensbedürfnis werden. Dann muss da nichts mehr durchgesetzt werden.
Freie Software leistet da m.E. einen wichtigen Beitrag.

Und dafür brauchen wir
(sic!) ein Bewusstsein von eben dem hier diskutierten Unterschied.

Sage ich seit ca. einem Jahr :-) . Du wohl auch :-) .

Unsere Differenz ist in meiner Sicht die: Du versuchst den
"emanzipatorischen Charakter" über das Attribut
entfremdet/unentfremdet zu entscheiden. Ich sage: Im Versuch, einen
Vorgang erster Person als einen dritter Person zu fassen, schneidest
du schon jede Möglichkeit der Emanzipation ab, da du nicht positiv
für andere definieren kannst, was für sie gut ist.

Das finde ich jetzt **super**ärgerlich! Kannst du mir eine einzige
Stelle nennen, wo ich das postuliert habe? Du unterstellst mir das
zwar seit einem Jahr - und aus deiner halben Perspektive (tut mir
leid, denke ich immer noch) musst du das wohl - aber *ich* habe es nie
so dargestellt! Wir sind da meines Erachtens völlig d'accord! Nur dass
du m.E. bestimmte Situationen im menschlichen Leben einfach
ignorierst.

Ist halt - wie geschrieben - meine Sicht. Zu der Sicht gehört, dass ich
IMHO nichts igonoriere, sondern gleiches einfach nur anders sehe als du.

Na wie oben beim Dialog skizziert bist du da aber nicht sauber. Wenn
ich Dialog sage meine ich das auch so. Wie da ein Standpunkt dritter
Person drin existieren kann ist mir nicht nachvollziehbar. Dir wohl
auch nicht - aber mir unterstellst du's um es dann zu kritisieren. Na,
also wenn's denn den Erkenntnisgewinn befördert...

Ich will es mal ein bisschen anders formulieren, hoffend, dass du
dem noch zustimmen kannst: Du sagst, du hast eine Beziehung immer
nur zu ganz konkreten Menschen - jedenfalls insofern es für dich
handlungsrelevant ist. Kannst du das teilen?

Ja. Zu den konkreten "kompletten" Menschen mit ihren Beziehungen auch
zu anderen.

Das hätte ich mir ja denken können, dass du das Beziehungsgeflecht -
genauer: die Konstituenten des Beziehungsgeflechts - einfach mit ins
Individuum rein nimmst. Na, da ist ja auch viel Platz...

Na ja, ich hätte mir denken können, dass du konkrete Beziehungen nach
draussen in eine transzendente Sphäre verlagerst, wo sie dann
"Beziehungsgeflechte" sind. Da ist auch viel Platz. - Halt zwei Sichten.

Halt zwei Sichten finde ich aber ein bisschen happig. Du attestierst
mir damit einfach mal so eben, dass ich auf der anderen Seite der
Barrikade stehe - wie mensch früher wohl gesagt hätte. Oder wie soll
ich das verstehen?


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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