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Re: Re: Re: Interessengruppen und Klassen (was: Re: Re: [ox] GibsGruppen?) - Interessengruppe ungleich Klasse!



Ref.: 	«Re: Re: Interessengruppen und Klassen (was: Re: Re: [ox] GibsGruppen?) - Interessengruppe ungleich Klasse!»
 		Nils
 		(2003-04-24, 19:21:36 [PHONE NUMBER REMOVED], KW 17/2003)

Hi Nils,

Trotzdem bin ich der Meinung, dass gesellschaftliche Klassen auf
der von Marx beruhenden Unterscheidung gesehen werden
sollten. Ansonsten spricht mensch nicht von ges. Klasse. Die Klasse
in C++ ist natürlich was anderes, die Schulklasse auch. Wir (/ihr)
reden gerade von Gesellschaft. Wenn ihr für gesellschaftliche
Klasseneinteilung jetzt Maßstäbe von Materialklassifizierung
anwendet, trifft das meiner Meinung nach nicht dir Realität und
führt zu nichts.

Ich habe ja in dem von Dir zitierten mail nicht von gesellschaftlichen
Klassen gesprochen. Dafür, daß ich mich eines zugegeben recht
informatischen Vokabulars bedient habe, habe ich mich schon
entschuldigt -- nicht ohne zu begründen, warum ich es trotzdem für
gerechtfertigt halte (sofern die Begriffe noch eindeutig zugeordnet
werden können) -- siehe mail an Stefan (Mz) vom ....

In der darauf folgenden "Zankerei" haben wir uns auch schon wieder an
der Frage aufgerieben, ob man Begriffen, die in mehreren verschiedenen
Wissengebieten auftauchen, eine gemeinsame Basis unterstellen kann
oder nicht (kurz: Stefan (Mz) -- nein, ich -- ja).

Es geht mir nicht darum, Menschen wie Material zu klassifizieren. Es
geht mir darum zu untersuchen, was eine Klassifikation ausmacht,
wann eine Klassifikation sinnvoll ist und was man von ihr erwarten
kann / welchen Wert man ihr beimessen sollte. Das gleiche gilt auch
für Gruppen: solange ich mir keinen Begriff von Gruppe mache, kann ich
nicht beurteilen, welche Rolle Gruppen spielen oder nicht.

Deshalb würde ich umgekehrt dafür plädieren, bei gesellschaftlichen
Klassen von eben solchen zu sprechen und bei Klassen ohne weitere
Qualifizierung einen abstrakten Begriff von Klasse zuzulassen (-- kann
sich natürlich in einem konkreten Kontext ändern).

Natürlich können Menschengruppen in beliebig viele Gruppen
unterteilt werden. Die Aussagen dazu kann mensch sich auch frei
ausdenken.

Das würde ich gerade nicht sagen. Deshalb habe ich ja versucht, einen
Unterschied zwischen Klassen (im Sinne der Klassifikation, die es ja
gerade nicht nur in der Informatik und in der Produktstatistik gibt,
sondern in diversen Wissenschaften, weil sie nämlich u.a. ein
notwendiges Durchgangsstadium wissenschaftlichen Denken darstellt) und
Gruppen zu formulieren...

Marx Klasseneinteilung liegt die Analyse der politischen Ökonomie zugrunde.
Was ist eure Grundlage?

Deine Kennzeichnung der ökonomischen Klassen widerspricht übrigens in
keiner Weise der Definition von Klassen nach ISO-Norm:

----------------------------------------------------------------------

1) Nils:

Als Proletariat ist der Teil der Gesellschaft zu verstehen, welcher
Waren produziert und seine Arbeitskraft verkauft. Die ArbeiterInnen
verfügen über keinerlei Produktionsmittel(Firmen, Fabriken,
Rohstoffe...) und sind daher gezwungen ihre Arbeitskraft, als ihren
einzigen Besitz an das Kapital zu verkaufen.

Als Bourgoisie ist der Teil der Gesellschaft zu verstehen, welcher
Produktionsmittel besitzt und Arbeitskraft kauft.

2) laut Norm:

    * Eine Klasse ist die Zusammenfassung derjenigen Begriffe, die
      mindestens ein identisches Merkmal haben.

Also hier: Menschen mit identischen Merkmalen...

    * Ein Merkmal ist ein Begriffselement, das durch Aussage über
    die Eigenschaft eines Gegenstandes festgelegt wird.  

-- hier: eigene Arbeitskraft verkaufen oder fremde Arbeitskraft
einkaufen.

    * Ein Klassem (Synonym: Klassifikatorisches Merkmal) ist
    dasjenige gemeinsame Merkmal von Begriffen, das zur Bildung
    einer Klasse benutzt wird und diese von anderen Klassen
    unterscheidet.

-- hier: Verhältnis zur Ware Arbeitskraft.

----------------------------------------------------------------------

Warum sage ich das?

Weil in meinen Augen die Definition einer Klasse allein eben nichts
aussagt ohne die ihr zugrundeliegende Analyse. (Na gut: fast nichts,
sie konstatiert ja eben immerhin ein gemeinsames Merkmal -- dös is ja
schomma wos --, aber mehr eben nicht! Warum aber gerade dieses Merkmal
wichtig ist oder nicht, darüber sagt dieses Merkmal genauso wenig aus
wie alle anderen.)

Ich plädiere dafür den Begriff Klasse nicht so leichtfertig zu
gebrauchen.  Für Menschen, die mit der objektorientierten
Programmierung vertraut sind ist das verständlich, aber für andere
dann wieder unverständlich/missverständlich. Der Begriff Gruppe
trifft das bis jetzt diskutierte besser, da die mathematische und
gesellschaftliche Gruppe gleich (oder ähnlich) geblildet wird.

Deswegen hatte mich ja Stefan genau darauf hingewiesen, daß ich
aufpassen soll, nicht Klassen und Gruppen durcheinander zu werfen. Und
deswegen bemühe ich mich ja um eine klare Abgrenzung der Begriffe.

Da bin ich aber zu dem Schluß gekommen, daß es sinnvoll sein könnte,
nicht nur zwischen "Klassen" (im weitesten Sinne) und Gruppen zu
unterscheiden, sondern eben auch zwischen Gruppen (allgemein) und
solchen Gruppen, die sich durch einen aktiven Bezug der dazugehörigen
Menschen zur Gruppe auszeichnen: man könnte sie bspw. Gemeinschaften
nennen. (Oder weckt das dann wieder falsche Assoziationen?)

Demnach wäre jede Gemeinschaft eine Gruppe, aber nicht jede Gruppe
eine Gemeinschaft. Und jede Gruppe wäre eine Klasse (im Sinne der
Klassifikation), aber nicht jede Klasse (blablabla) wäre eine Gruppe.

Somit könnte ich mit den Radfahrern wie folgt weitermachen: wenn sie
sich also jetzt zusammenschließen, dann bilden sie eine
Gemeinschaft. Das Verhältnis zwischen Gemeinschaft (in diesem Sinne)
und Gruppe (in meinem Sinne) zu betrachten, dürfte übrigens gar nicht
uninteressant sein: Die Gruppe der Radfahrer wäre größer als die
Gemeinschaft der Radfahrer... Ein Lobbyist hingegen, der für die
Interessengemeinschaft arbeitet, aber selber gar "keine Zeit" hat
radzufahren, wäre dann zwar ein Mitglied der Radfahrergemeinschaft
aber keins der Gruppe der Radfahrer. Dieser Unterschied ist
beispielsweise für die Arbeiterbewegung immer ein wichtiger gewesen:
es gibt Leute, die gehören objektiv zur Gruppe der Arbeiter (oder
neudeutsch: Arbeitnehmer)(also auch zur Klasse Proletariat), "machen
sich aber nicht mit ihr gemein" oder vertreten gar Interessen, die
nicht die ihren sind, oder so... Und dieses Problem dürfte man auch
sehr verbreitet unter Softwareproduzenten und -Konsumenten
bzw. -Anwendern beobachten können, oder?

Interessengruppe und Interessengemeinschaft sind also auch nicht
unbedingt identisch. Und eine Gemeinschaft, die auf einem
transzendenten Bezugspunkt fußt, muß nicht unbedingt eine
Interessengruppe beschreiben (ähm -- "verkörpern" wollt ich sagen,
oder so).

Gruß, El Casi.

(übrigens fällt mir gerade auf, daß mein Definitionsversuch die
mathematischen Gruppen total ignoriert: da ist es ja gerade so, daß es
eine direkte Beziehung gibt zwischen zwei Elementen einer Menge
einerseits und einem dritten andererseits... (ich fürchte, das kann
ich auf Radfahrer nicht ohne weiteres abbilden ;-) -- jedenfalls nicht
ohne Zuhilfenahme "anderer Zusammenhänge", die es allerdings nicht nur
bei Radfahrern gibt ;-))
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Organisation: projekt oekonux.de



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