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Re: [ox] Re: Freie Standards



Stefan Merten wrote:

Würdest du die PC-Werdung so beschreiben? Die Entwicklung von PC und
(privat genutztem) Internet hat für mich nicht den Charakter eines
Gnadenakts seitens der Herrschenden und auch nicht die eines sozialen
Kampfes, in dessen Rahmen die Unterdrückten den Herrschenden den PC
als universelles, privates Produktionsmittel abgetrotzt hätten.
Ähnliches gilt für das (privat genutzte) Internet.

Was ich sagen will: Macht kann sich zuweilen auch einfach so genommen
werden. Hier die Macht, Freie Software zu entwickeln.

stimmt. Interessant aber auch, dass die M"achtigen gern im Nachhinein
diese (meine) Macht wieder einschr"anken m"ochten.

Spannend wird's
dann, wenn das, was wir heute als Ermächtigung erleben, so sehr in der
Logik der alten (kapitalistischen) Logik liegt, dass es nicht einfach
verboten werden kann. Das scheint mir bei Freier Software einer der
entscheidenden Vorteile - auch und gerade gegenüber zahlreichen
politizistischen Ansätzen.

Genau. So ist das ja aber immer: Jede Gesellschaft schafft sich selbst
die Mittel zu ihrem eigenen Untergang.

Das ist sehr differenziert zu betrachten. Z.B.
gab es da gerade eine interessante Diskussion in comp.programming.threads,
wo der POSIX Standard (genauer: POSIX threads) als restriktiv und
technisch schlecht von den linux kernel Entwicklern abgelehnt und
ignoriert wurde. Die technische Seite sei mal dahingestellt, ich
denke aber es spricht B"ande, dass sich die Entwickler des linux
kernels / der Programmierschnittstelle (glibc) einfach "uber solche
Standards hinwegsetzen *k"onnen*.


Ja. In diesem Fall empfinden sie den existierenden Standard nicht als
Emanzipation - also als Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten in
Form von kompatiblen Programmen - sondern erleben ihn als
Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten - nämlich bestimmte
Programmiermodelle nicht verwenden zu können. Das ist in diesem
Beispiel genau die Stelle, an der der Standard sich von seinen
intendierten NutzerInnen entfremdet. Diese Entfremdung hat prinzipiell
schon mal anti-emanzipatorischen Charakter - was die EntwicklerInnen
auch so erleben.

...ich wollte ja auch nur herausstreichen, dass Standards nicht einfach
nur gut sind. Und "alle sollten Standards benutzen" (oder so "ahnlich)
ist ja auch schon ein gutes St"uck Entfremdung :-)

Ich denke was hier zum Vorschein kommt ist eine Erscheinungsform des
Konfliktes zwischen Individuum und Gruppe ;-)
Standardisierung / Formalisierung um Kommunikation zu erm"oglichen
und effizient zu gestalten, und auf der anderen Seite notwendigerweise als
Einschnitt in die individuelle Bewegungsfreiheit, d.h. letztlich auch
Kreativit"at.
Wohlgemerkt, ich spreche hier ausschliesslich von Freien Standards,
da sonst auch noch Kontrolle und Macht zu dem ohnehin schon komplexen
Spannungsfeld hinzukommen.

[...]

Hier ist aber auch die Intention klar: Der bestehende Standard ist
neueren Überlegungen bzgl. Threads nicht mehr gewachsen - was übrigens
bei diesem Thema nicht weiter verwundert, das Threads ja eine
vergleichsweise neue Technik sind. Diese Argumentation bezieht sich
unmittelbar auf den sachlichen Nutzen dieses Standards und ist -
zumindest Fachleuten - tendenziell nahe zu bringen.

das stimmt nicht. Die Ablehnung des Standards hat nichts mit seinem
Alter zu tun, oder den modernen Algorithmen im Linux Kernel (weder ist
der POSIX Standard veraltet, noch ist das Linux Kernel design neu).

Ich denke, hier geht's tats"achlich mehr darum, dass Standard-bildung
immer entweder ein Diktat oder ein Kompromiss ist, und dass insbesondere
die mitmachen, die davon einen direkten Nutzen haben.

Und das ist eben genau dasselbe bei Microsoft: mal abgesehen von den
F"allen, wo Standards bewusst umgangen werden um Inkompatibilit"aten
zu schaffen, hat es MS einfach nicht n"otig, mit irgendjemandem kompatibel
zu sein, d.h. ihr Interesse an Standards ist reziprok proportional zu
ihrem aktuellen Markt.

Gruss,
		Stefan (S)

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Organisation: projekt oekonux.de



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