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Grosse Infrastruktur (was: Re: Huehner, Eier, PendlerInnen und warum sie keine Keimform sind (was: [ox] Wert)



Hi Franz und alle!

Mir ist da noch ein Gedankenbündel gekommen, den ich gerne los würde.

Last month (52 days ago) Franz J Nahrada wrote:
liste oekonux.de schreibt:
Wenn wir jetzt den Hühner-/Eier-/PendlerInnen-Vorschlag oder die
FoodCoop aber immer mehr mit Technik ausstatten, die die ganze Mühsal
abnimmt? Ich würde da z.B. an ein automatisiertes Transportsystem
denken, das die Güter bis ins Haus bringt. Unterirdisch tendenziell.
Voll computerisiert natürlich. Die Bestellungen dann natürlich auch
voll computerisiert - meinetwegen auch mit Geld. Bei solchem
Technikeinsatz ist die Mühsal weg. Aber dann ist eine FoodCoop auch
kein eigenes Projekt mehr, da dies ein allgemeines Angebot der
allgemeinen Infrastruktur wäre. So wie es heute ein allgemeines
Angebot der allgemeinen Web-Infrastruktur ist, sich alle möglichen
Informationen zu besorgen. Eine solche Sache ist aber ein völlig
anderes Kaliber als Hühner-/Eier-/PendlerInnen-Vorschläge oder
FoodCoops. Und wieder bin ich ein bisschen mehr davon überzeugt, dass
es *genau da* hingehen muss.

Volle Unterstützung.  Freut mich riesig, daß wir an diesem Punkt
angelangt sind. Es ist echt schön, Deine Reflexionen zu lesen, die
ohne Utopismus und ohne Beschönigung daherkommen aber genau
deswegen offen sind für das utopische Element. Ich meine der
Fabber-Gedanke ist schön, aber der Infrastrukturgedanke ist
weit, weit konkreter und schöner und wahrer.

Nun ist große Infrastruktur ja schon immer *das* Kill-Problem aller
eher anarchistisch orientierten emanzipatorischen Ansätze gewesen. Vor
Jahren wurde das auch hier auf der Liste schon andiskutiert.

Das Standardbeispiel sind dann gerne große Verkehrssysteme wie Straßen
oder Eisenbahn. Dies sind Systeme, bei denen es uns mindestens schwer
fällt uns vorzustellen, wie das mit den emanzipatorischen Modellen
zusammenpassen kann, die uns sonst so durch die Köpfe geistern.
Wiewohl wir wohl alle aber sehen, dass solche großen, übergreifenden
Infrastrukturen sinnvolle Einrichtungen sind.

Ich glaube, ich habe jetzt auch erstmals verstanden, warum das für
dich so ein wichtiges Thema ist. Und auch der Marx'sche Gedanke, dass
der Anteil der allgemeinen Arbeit in den Produkten eine immer größere
Rolle gegenüber den Privatarbeiten spielt, spiegelt sich da glaube ich
wieder. Ist solche große Infrastruktur nicht gerade geballte
allgemeine Arbeit?

Dazu zwei Gedanken.

Einerseits habe ich mir mittlerweile überlegt, dass solche großen
Infrastrukturen immer erheblich auf H. / interindividuelle Regulation
/ Organisation angewiesen sind. *Genau deswegen* glaube ich, fällt es
uns so schwer darüber nachzudenken. Dieser Anteil von H. ist es, der
uns schreckt. Dieser Anteil von H. ist es, dessen Ausprägung wir uns
nicht vorstellen können in einer emanzipatorischen Vision. Ich glaube,
dass das der tiefere Grund dafür ist, dass wir zu diesem Thema große
Infrastruktur lieber schweigen. Was aber - wo ich Franz Recht geben
würde - fatal ist.

Andererseits haben wir mit dem Internet eine *riesige* Infrastruktur
vor Augen, die wir wohl nicht als pure Unterdrückungseinrichtung
begreifen würden. Der H.-Anteil im Internet liegt m.E. wesentlich in
den Standards / Protokollen. Ich hatte vor längerer Zeit was zum
H.-Aspekt von Standards gesagt. Es könnte argumentiert werden, dass
die Internet-Standards quasi einen stummen Zwang der Verhältnisse
bilden, dem sich entweder anzupassen ist oder mensch bleibt vom
Internet ausgeschlossen. (Das ist zumindest die Sicht der
Momentaufnahme. Internet-Standards können sich ja bekanntlich
verändern und dazu kann jedeR einen Beitrag leisten. Wobei das ja aber
auch in H. vorkommt: Die Anpassung h.lichen Handelns an die je
konkreten Bedürfnisse.) Sieht so aus, als hätten wir es bei Standards
generell mit einem klassischen Fall struktureller H. zu tun.

Vielleicht ist es ja sogar so, dass gerade solche Standards den Kern
großer Infrastruktur überhaupt bilden? Auf die Verkehrssysteme passt
das jedenfalls gut. Ist es nicht so, dass eine Standardisierung der
Spurbreite bei der Eisenbahn aus lokal begrenzten Technikexperimenten
erst die große Infrastruktur gemacht hat, die wir kennen? Das hat
damals sicher auch bedeutet, dass Spurbreiten jenseits des Standards
inkompatibel waren und sie damit strukturell entwertet wurden.

Mal so als Anregung.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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