Koopkonkeraturenz (was: [ox] Konkurrenz, Vielfalt und Selektion)
- From: Benni Baermann <benni obda.de>
- Date: Thu, 19 Sep 2002 16:28:13 +0200
Hallo!
On Thu, Sep 19, 2002 at 04:02:43PM [PHONE NUMBER REMOVED], Thomas Berker wrote:
Usw., usf., ich hoffe das allgemeine Muster ist deutlich geworden. Unter
die 'grossen' Dualismen wuerde ich wirklich nur diejenigen zaehlen, die
sich _gegenseitig_ verstaerken, weil sie gemeinhin gleichsinnig assoziiert
werden, z.B. Mann-Frau, Geist-Materie, zivilisiert-wild, Mensch-Natur,
ratio-emotio, usw. In all diesen Begriffspaaren wuerde ich Koop _und_ Konk
eher der linken Seite zuordnen.
Vielleicht waere also eine recht grundlegende Kritik an deinem Interesse
fuer das Paar Koop-Konk im Zusammenhang mit Freier Software, dass es nicht
nur den Dualismus selbst reproduziert (um ihn zu ueberwinden, was durchaus
legitim sein kann, s.letzte Mail), sondern dass du damit gleich auch noch
nolens volens u.a. die daran klebenden Geschlechterstereotype mit
einkaufst. Du bildest also mit 'Kooperenz' sozusagen nur die Synthese des
'maennlichen, rationalen, zivilisierten, ...' Teils eines quer dazu
stehenden Dualismus. Irgendwie passt das ja auch zu Freier Software als
maennerdominiertem Bereich.
Das muesste - wenns stimmt - zumindest reflektiert werden.
Das ganze stimmt, wenn man "Kooperation" und "Konkurrenz" beide als
rationale Verhaltensmuster betreibt. Das sind sie aber nicht nur. Auch
wenn die herkömmliche Ökonomie uns das so verkaufen will. Ich hab den
Eindruck, Du bist diesem Verkäufertrick gerade aufgesessen. Ich kann
sehr wohl aus völlig irationalen Gründen kooperieren oder konkurieren.
Ich geb Dir also recht, dass dieser Dualismus nicht zusammenfällt mit
den anderen aber er kommt auch nicht auf einer Seite zum liegen
sondern liegt quer zu den anderen. Ob ihn das jetzt wichtiger oder
unwichtiger macht ist dann vielleicht nur Geschmacksache?
At 16:58 18.09.02 [PHONE NUMBER REMOVED], you wrote:
Materialismus weg hin zu allzu idealistischen Argumentationsmustern
draengeln lassen.
Das ist mir nicht ganz klar inwieweit das "idealistische
Argumentationsmuster" sind. Es geht doch gerade darum den
idealistischen Dualismus anzugreifen, oder?
Ich meinte idealistisch nicht von 'ideal' hergeleitet ('Ich bin Idealist
und arbeite ehrenamtlich fuer das Gute') sondern von 'ideell' (also: 'Ich
bin Idealist und glaube, dass Ideen die Welt veraendern'), so wie es
philosophiegeschichtlich verwendet wird.
Ja, ich meinte auch das. Im übrigen sind diese beiden Wortverwendungen
garnicht so unterschiedlich, wie sie auf den ersten Blick scheinen.
Genauso wie im übrigen auch bei dem Gegenteil (Achtung Dualismus ;-)
"Materialist", wo das ja ganz ähnlich funktioniert.
Meine Selbstkritik, die uebrigens
auch den ersten Teil dieser Mail betrifft, zielte darauf, dass man ueber
all das Ideologiezeug trefflich spekulieren kann, es aber zumindest
zusaetzlich ganz andere Kraefte sind, die wichtig sind.
Jaja, sowieso immer. Mir macht das aber nunmal Spass ;-)
Deswegen hab ich ja irgendwann das neue Kunstwort eingeführt, weil das
mit den alten Worten nicht mehr so recht gepasst hat.
Das macht m.E. keinen sooo grossen Unterschied: Wenn ich dich richtig
verstehe, willst du mit dem Kunstwort Kooperenz auf was ganz Neues hinaus,
was eben nichts mehr mit Kooper(ation) und (Konkur)renz zu tun hat. Als
Wort signalisiert es das nicht unbedingt und provoziert Missverstaendnisse.
Besser waer vielleicht ein ganz anderes Wort.
Siehe Subject ;-) Hm. "Konkoperaturenz" würde vielleicht noch besser
klingen.
Hm. Was ist mit dem vorsozialen Essential, das der Mensch eben gerade
ist, die Wahl zu haben (ala kritische Psychologie)? Aber das ist dann
vielleicht wirklich Mierenökerei...
(Fuer die die sich wundern: Mierenoekerei ist Insidersprech. Auf
Hollaendisch heisst wohl Mirenoeker - sicher wirds voellig anders
geschrieben - Ameisenficker, also sowas wie Korinthenkacker)
Musst Du alles verraten?
Nix gibts, keine Essentials! Alles wird verhandelt! Meine Wahlfreiheit ist
in meinem Interesse. Wenn ich behaupte, das waere angeboren oder so, dann
luege ich mein partikulares Interesse in eine allgemeine Naturtatsache um.
Einigen kann man sich allerdings schon auf ein paar grundlegende
Ausgangspunkte und dazu wuerde ich die Wahlfreiheit unbedingt zaehlen.
Was genau ist jetzt der Unterschied zwischen "Wesensmerkmal des
Menschen" und "grundlegender Ausgangspunkt"?
"Der Mensch ist dem Menschen ein Gott. Der Mensch ist
dem Menschen ein Wolf. " So ungefaehr heisst, wenn ich mich richtig
erinnere, das ganze Hobbes-Zitat (aus 'De cive').
Nach ein bisschen Googlen scheint das falsch zu sein: Der Erste Teil
stammt von Feuerbach und ist eine Antwort auf Hobbes.
Da taeuscht Google. Die Googlifizierung des Wissens ist super, hat aber
auch einen Nachteil: Google weiss das, was viele schreiben/glauben. Und
wenn das mal nur die halbe Wahrheit ist, dann weiss Google nur die halbe
Wahrheit. De Cive gibts z.B. hier
http://www.ecn.bris.ac.uk/het/hobbes/hobbes1 (natuerlich mit Google gesucht
und gefunden) und das Zitat lautet:
"To speak impartially, both sayings are very true; That Man to Man is a
kind of God; and that Man to Man is an arrant Wolfe. "
Das ist aber ansonsten, glaub ich, in unserem Zusammenhang erstmal nicht so
wichtig.
Aber ein <spock>faszinierendes Phänomen</spock>! Interessant auch das
in sämtlichen deutschen Übersetzungen einfach die Zusätze "kind of"
und "arrant" weggelassen werden.
Grüße, Benni
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