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Re: [ox] Konkurrenz, Vielfalt und Selektion



Hallo!

On Wed, Sep 18, 2002 at 04:14:27PM [PHONE NUMBER REMOVED], Thomas Berker wrote:
Hallo Jobst, Benni, und alle anderen!
Benni hat mich um meinen Senf zum seinem 3-Ebenen-Modell (s.u.) gebeten (zu 
dem er ja auch vielleicht einen Workshop plant). 

Danke für die Mühe!

Recht zufrieden bin ich 
mit dem Geschriebenen jetzt (im Nachhinein) nicht, zu viele Worte, zu wenig 
gesagt. Ausserdem habe ich mich durch die 'Kritik am Dualismus' vom 
Materialismus weg hin zu allzu idealistischen Argumentationsmustern 
draengeln lassen.

Das ist mir nicht ganz klar inwieweit das "idealistische
Argumentationsmuster" sind. Es geht doch gerade darum den
idealistischen Dualismus anzugreifen, oder?

At 00:31 05.09.02 [PHONE NUMBER REMOVED], jobst wrote:
Benni:
Mit jeder (dualistischen) Grenze die wir ziehen, ob zwischen privat &
politisch, Mann & Frau, schwarz & weiss oder Inland & Ausland erzeugen
wir eine osmotische Membran an der sich Kooperation und Konkurrenz
scheiden lassen und umgekehrt erzeugt jede solche Scheidung neue
Grenzen.

Das versteh ich nicht so ganz, kannst du das mal näher erläutern?

Was Benni meint - meiner Meinung nach - ist, dass sich eine ganze Reihe von 
Dualismen in der Moderne fein saeuberlich und ohne grosse 
Bedeutungsveraenderungen assoziieren lassen. Der Dualismus 
Kooperation-Konkurrenz ist Teil davon: Maenner konkurrieren untereinander, 
Frauen kooperieren, mit Landsleuten kooperieren wir, mit Auslaendern 
konkurrieren wir, usw.

Ja, das meinte ich.

Ich stimme Jobst gleichwohl zu, dass eine Gegnerschaft zu zentralen 
Dualismen sich selbst hinterfragen kann: Wird ein Modell zwingend dadurch 
besser (demokratischer, menschlicher, wahrer), dass es komplexer ist als 
ein Dualismus? Ja und nein. Im Einklang mit Jobst glaube ich, dass das 
komplexere Modell tendenziell mehr Einsicht bringt und weniger 
Handlungsmoeglichkeiten. 

Ich sehe nicht so recht, wieso ein nicht-dualistisches Modell zwingend
komplexer sein muss. Und ich sehe es auch eher so, dass einem das erst
Handlungsmöglichkeiten eröffnet. In der Genderdiskussion ist es doch
offensichtlich: So lange ich nur die Wahl habe zwischen Mann oder Frau
hab ich deutlich weniger Handlungsmöglichkeiten.

Was Benni macht, ist etwas Anderes: Er praesentiert Freie Software 
Entwicklung als etwas, dessen besondere Qualitaet darin bestehe, dass das 
dualistische Modell Koop-Konk nicht zutreffe. [...]

In Freier Software nun, so Benni, sei die gegenseitige Bedingung von 
Kooperation und Konkurrenz auf den verschiedenen Ebenen aufgehoben. 

Ne, nicht aufgehoben, sondern ich würde sagen, sie fallen in eins
(Kooperenz eben). Ihre gegenseitige Bedingung führt dazu, dass sie
eben nicht mehr trennbar sind.

Benni 
muss in wesentlichen Teilen die Rhethorik des Dualismus (private Sphaere = 
Kooperation; Nation = Kooperation; Markt = Konkurrenz; ...) reproduzieren, 
um zur besonderen Qualitaet Freier Software zu gelangen. Das ist bei dieser 
Form der Kritik an Dualismen immer so und definitiv ein Problem. 

Deswegen hab ich ja irgendwann das neue Kunstwort eingeführt, weil das
mit den alten Worten nicht mehr so recht gepasst hat.

Der 
Vorteil ist, dass diese Form der Kritik an existierende dualistische 
Argumentationsmuster anschliessbar ist, dass einem also die Leute, die an 
den Dualismus "glauben", eher mal zuhoeren.

Schliesslich im Sinne von Aufklaerung bevorzugen wuerde ich jedoch eine 
dritte Form der Kritik. Sie kann die beiden anderen Methoden aufnehmen, 
besteht aber im Kern daraus, die anderen Leute davon zu ueberzeugen (zu 
versuchen), dass sie den Dualismus und seine Folgen (also das, was man mit 
dem Modell machen kann) gar nicht selbst wollen. 

Das war schon das, was ich eigentlich vor hatte. Der Weg ging
allerdings über Deinen 2. Ansatz, stimmt schon. Der Schluss ist dann
aber wohl nicht mehr so richtig angekommen.

Schliesslich: Wuerden wir in einer Gesellschaft 
leben wollen in der sich die droege Wahl zwischen Konkurrenz und 
Kooperation gar nicht erst stellt? Ich schon.

Genau darum gings mir! Und Freie Software ist eben IMHO eine Form, wo
genau das praktiziert wird und das finde ich so faszinierend dran.

Dieser letzte Typ von Kritik setzt freilich voraus, dass Leute davon 
ueberzeugt werden, dass es nichts gibt, 'was der Mensch eigentlich ist' 
oder 'worauf die Gesellschaft eigentlich gegruendet ist'. Keine vorsozialen 
Essentials nirgends. 

Hm. Was ist mit dem vorsozialen Essential, das der Mensch eben gerade
ist, die Wahl zu haben (ala kritische Psychologie)? Aber das ist dann
vielleicht wirklich Mierenökerei...

"Der Mensch ist dem Menschen ein Gott. Der Mensch ist 
dem Menschen ein Wolf. " So ungefaehr heisst, wenn ich mich richtig 
erinnere, das ganze Hobbes-Zitat (aus 'De cive'). 

Nach ein bisschen Googlen scheint das falsch zu sein: Der Erste Teil
stammt von Feuerbach und ist eine Antwort auf Hobbes.

Danke für die Mail! War sehr hilfreich :-)

Grüße, Benni

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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