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[ox] Re: Der Fabber ist ein Fetisch !




Hallo Franz,

Ich krieg schön langsam eine echte Krise wenn ich "Fabber" höre. 
Das ist wirklich ein gedanklicher Block, um nicht über reale 
technologische Prozesse und ihre Gestaltung nachdenken zu müssen.
...

Ich stimme dir da vollkommen zu und freue mich, wie gut du mit deinen
folgenden (eigentlich seit langem auf der Liste bekannten) Bemerkungen
den Fokus, der hinter der Frage "Fabber" steht, in die auch nach
meiner Meinung richtige Richtung lenkst (gemeinsam bewirtschaftete
Infrastruktur, öffentliche Standards, ...)

Mit zunehmender Dominanz des konzeptionellen Anteils an der Arbeit
(Automatisierung und Informatisierung) und zunehmender Möglichkeit
offener Kommunikation zur Verabredung von Standards transformiert
sich gesellschaftliche Arbeit von konkreter in solche der
umfassenden Konzeption der Produktionsvoraussetzungen selbst.

Wobei der Punkt ist, dass diese Voraussetzungen nur kollektiv,
kooperativ zu bewirtschaften sind.  Das ist in der Tat kein (primär)
technisches, sondern ein soziales Problem. Es geht also im Kern um
"Kooperation statt Konkurrenz" (was im Übrigen an die Wurzel der
Verfasstheit der heutigen Globalgesellschaft geht -- d.h. die
Transformation zur "Produktionsvoraussetzungsgesellschaft" *kann* in
den heutigen gesellschaftlichen Rahmen nicht gelingen)

Fabber ist ein Konzept, das genau an diesem Konkurrenzgedanken nicht
kratzt. 
 
Gesellschaftliche Arbeit wird zur politischen Arbeit in eben dem
Prozeß, der konkrete Arbeit als Versorgungsarbeit weitestgehend in
Eigenarbeit überführt. 

Was allerdings verlangt, (auch) das Politische erst einmal vom Kopf
auf die Füße zu stellen, d.h. in einen realen partizipativen
kommunikativen Prozess zu verwandeln.  Da fand ich übrigens den
Beitrag von Stalder/Hirsh sehr wichtig, auf den hier neulich
hingewiesen wurde
http://www.firstmonday.org/issues/issue7_6/stalder/index.html

Deinen Begriff "konkrete Arbeit" kann ich in dem Kontext übrigens
nicht so ganz nachvollziehen. Ist das etwas, was ich "für mich" mache?
Aber wird man das wirklich so trennen können von (m)einem Beitrag zur
Bewirtschaftung der Infrastruktur (Stichwort Selbstentfaltung)? 

Autarkie ist aspektuelle, prozeßorientierte Autarkie, nicht die
"soziale" der umfassenden Abschottbarkeit von Lebensgemeinschaften
untereinander.

Greift hier nicht der Begriff der "Regionalität" besser, die
unmittelbar an die raumzeitliche Dimension *spezieller*
Reproduktionsprozesse gebunden ist und sich dann auch nur auf *diese*
Reproduktionsprozesse bezieht (also lokale Werkstätten, aber globale
Nutzung von Erfahrungen)?  Autarkie ist ein so absolutes Wort für
einen hochgradig relativen Ansatz. 

Vielmehr ist ein nachhaltiges Arrangement sozialer Lebensgemeinschaften
untereinander zur Sicherung  von Ressourcen gefordert. 

Gefordert ist also nicht nur eine geeignete Auswahl von
Fertigungstechnologie in Verbindung mit Telekommunikation zur
Verknüpfung von Gestaltung und "Montage", aber auch ein Verhältnis
der Produzenten zueinander, in dem diese den realen Gewinn an Zeit
und Handlungsspielräumen für die Aufrechterhaltung und Verbesserung
ihres Arrangements einsetzen können.

Was neue Formen partizipativer strukturierter Kommunikation und
Konsensbildung erfordert, deren Besonderheiten Stalder/Hirsh sehr gut
beschreiben:

   The point is that the authority held by some members of the group -
   which can, at times, distort the consensus-building process - is
   attributed to them by the group, therefore it cannot be maintained
   (easily) against the will of the other group members.

   If we follow Max Weber's definition that power is the ability to
   "impose one's will upon the behavior of other persons," [5] this
   significantly limits the degree to which established members can
   yield power. Eric Raymond had the same limitations in mind when he
   noted that open source projects are often run by "benevolent
   dictators" [6]. They are not benevolent because the people are
   somehow better, but because their leadership is based almost
   exclusively on their ability to convince others to follow. Thus the
   means of coercion are very limited. Hence, a dictator who is no
   longer benevolent, i.e. who alienates his or her followers, loses
   the ability to dictate.

Das ist auch der Kern der "Aufmerksamkeitsökonomie", die auf der Liste
schon mehrfach verrissen wurde.  In dieser Absolutheit wohl zu
Unrecht.

(PS3)
Mir gefiel folgendes Zitat aus Stalder/Hirsch, Open Source Intelligence:
"The way we live and the structures in which we live are deeply related. 
The culture of technology increasingly becomes the culture of society.")

Das ist wohl auch die zentrale These von Lessig in "Code and other
laws of cyberspace", sagt wenigstens Lutterbeck. Dieser enge
Zusammenhang zwischen Gesetz und Struktur kam auch bei unserer
Diskussion mit Hörz und Richter, siehe
http://www.hg-graebe.de/moderne/Seminar/2-2.html
ins Gespräch, wobei deutlich wurde dass (diese) Philosophen keine
Konzepte haben, mit solchen Wechselwirkungen umzugehen. 

(mein) PS4
Die realsozialistische Losung "Vom Ich zum Wir" geht in dieselbe
Richtung wie deine Überlegungen, auch wenn sie dann in ihrer
realsozialistischen Ausprägung vollkommen anders verstanden wurde.
Aber vielleicht gibts da auch noch "Körner zu picken".

-- 
Mit freundlichen Gruessen, Hans-Gert Graebe
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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