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Re: High-Tech-Subsistenz (war: Re: [ox] Was hat Linux eigentlich im Bundestag zu suchen?)



Hi ThomasB, FranzN, et al!

Last week (12 days ago) Thomas Berker wrote:
ich hoffe, du erlaubst, dass ich einen Punkt herausgreife, der mir auch im
Zusammenhang mit dem "Doppelt Freie Software"-Threat relevant erscheint.

Normalerweise erteile ich eine solche Erlaubnis nur nach vorherigem
doppelt ausgefertigtem Schriftsatz - aber na gut ;-) ;-) .

At 12:14 09.04.02 [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Ich denke, daß du diesen Aspekt zu sehr betonst. Du argumentierst
letztlich in die Richtung, das Spezialisierung in Freier Software
tendenziell aufgehoben ist und die Leute wieder in
(Hi-Tech)-Subsistenz gehen. Das halte ich für völlig daneben.

High-Tech-Subsistenz finde ich spannend genug.

Uuuh, ein uraltes Thema auf der Liste. Da habe insbesondere ich und
FranzN schon des öfteren ziemlich überkreuz gelegen. Leider bisher
IMHO ohne befriedigendes Ergebnis :-( . Na, vielleicht wird's ja jetzt
was.

Keineswegs als
Verniedlichung von Subsistenz als Idyll. Es ist ja gerade ihr
Lo-Tech-Anteil, der Subsistenzphantasien (ein Bauernhof, Schweine,
Apfelbaeume, oekologisch-dynamische rotbackige Kindlein mit blonden
Loecklein) naiv macht.

Gut, darüber scheinen sich ja alle einig zu sein, daß das Idyll weder
eins ist noch sonderlich erstrebenswert. *Was* aber ist Subsistenz? In
mir keimt der Verdacht auf, daß wir mal wieder von sehr
unterschiedlichen Dingen reden könnten. Daher:

Subsistenz hat für mich vor allem etwas mit Selbstversorgung,
Kleinräumigkeit und Dezentralität zu tun. FranzN erweitert das gerne
noch über telekommunikative bis hin zu telematischer Vernetzung - was
aber am Kern nicht viel ändert. Mein Brockhäuschen meint zu
Subsistenzwirtschaft: "landwirtschaftliche Wirtschaftsform, die ganz
oder überwiegend für die Selbstversorgung produziert." - mithin nicht
weit von dem entfernt, was ich angedeutet habe. Das "High-Tech" frißt
dabei das "landwirtschaftliche".

Eine der drei Oekonux-Grundfragen: "Wie komme ich zu meinen Bananen?"
(jetzt mal nicht aus dem Treibhaus) kann ein solches System nur mit
"Gar nicht!" beantworten: Kill-Kriterium.

Davon abgesehen sehe ich nicht, was an einer solchen Versorgungsweise
*per se* gut sein soll. Im speziellen spielen natürlich ökologische
Fragen eine Rolle wegen des bei zentraler Produktion notwendigen
Transporte. Aber das mal beiseite lassend und ganz ketzerisch: Wo ist
eigentlich das Problem von zentralisierter Produktion?

Aber weitergehend: die Kritik am Gegenpol zum Subsistenzidyll,

Was du im folgenden aufzählst scheint mir wichtig, aber nicht
notwendig ein Gegenpol zu Subsistenz. Dennoch möchte ich gerne darauf
eingehen.

naemlich
Spezialisten- und  Fachidiotentum,

Zwei sehr unterschiedliche Dinge. Was zeichnet eineN FachidiotIn
gegenüber einer SpezialistIn aus? Der FachidiotIn, würde ich sagen,
fehlt der Blick für die Einbettung dessen, womit sie sich befaßt. Das
ist immer ein Problem - klar. Freie Software löst das sicher nicht per
se. Durch die oft engere Ankopplung an die Bedürfnisse gibt es aber
eine Chance.

Aber wo ist das Problem eigentlich genau bei SpezialistInnentum? Ich
denke, daß in einer für uns interessanten Welt SpezialistInnen nicht
wegzudenken sind. Käme es also nicht "lediglich" darauf an,
SpezialistInnentum unschädlich einzubetten? Freie Software hilft da,
weil der Kontakt zu den DAU's nahe ist und die SpezialistInnen fordert
- wenn sie denn die Herausforderung annehmen.

Effizienzfetisch

Fetisch ist natürlich immer übel - klar. Effizienz ist ja aber nichts
per se Schlechtes - oder? Die Frage ist aber natürlich nach welchen
Kriterien effizient. Und die Kriterien sind gesellschaftlich zumindest
überformt. Daran ändert Freie Software etwas, indem sie die
Überformung durch Geld verdrängt und stattdessen bedürfnisorientiert
Effizienzkriterien verwendet.

und eindimensionalem
Mensch scheint mir noch nicht gegessen.

Dazu kann ich zu wenig sagen - leider.

Und ihr Abtun verschenkt vielleicht
eine Chance fuer Freie Software.
Ein Argument dafuer auf die Schnelle: Was viele Leute (und ich) als das
Geile am Computer erleben ist, dass sie ploetzlich Dinge machen koennen,
die zuvor nur Spezialisten vorbehalten waren. Sicher erreiche ich niemals
die Qualitaet eines Schriftsetzers, gleichwohl sahen vor 10 Jahren meine
Texte deutlich unprofessioneller aus. Dieses Potential weist natuerlich
nicht in Richtung Subsistenz, sondern in Richtung Integration zuvor
(arbeits-)geteilter Sektoren.

Ja, es hat mir Subsistenz nicht zentral was zu tun. Wichtig scheint
mir hier, daß weitere Bereiche menschliche Tätigkeit heute mittels
Computern maschinisiert - oder vielleicht: algorithmisiert - werden
können. Da du über die entsprechenden Maschinen und Algorithmen
verfügen kannst, kannst du über die Fähigkeiten verfügen, für die du
früher Menschen brauchtest. Der Kern von Rationalisierung übrigens.
Dazu gehört, daß du die Maschinen / Algorithmen für deine Zwecke
geeignet konfigurieren kannst.

Das gibts auch auf der makro-oekonomischen
Ebene: Neue Produktionsweisen in allen moeglichen Sektoren nehmen
Arbeitsteilung zurueck (und noch neuere nehmen diese Integration wieder
zurueck, aber das ist eine andere Frage, wichtiger hier ist, dass Computer
die Integration ermoeglichen).

Ja, weil sie vormals menschliche Fähigkeiten in Maschinen
implementieren. Das war beim Übergang von den Handwerkern zur
Industrieproduktion grundsätzlich genauso.

Den Arbeitsteilung abschwaechenden Anteil Freier Software und ihrer
Produktion zu betonen, knuepft sowohl an diesen makro-oekonomischen
Tendenzen an als auch an den Leuten, die sich darueber freuen, dank
Computer Musik, Bilder, was auch immer "wie ein Profi" machen zu koennen.

Was noch die Frage ist. Der Besitz einer Textverarbeitung macht dich
nämlich nicht zum Literaten. Und wenn ich mir die Layout- und
Design-Katastrophen ansehe, die uns tagtäglich z.B. im Web um die
Ohren gehauen werden, dann weiß ich nicht was daran profihaft ist. Die
gleichen Tools wie einE SpezialistIn einsetzen zu können, heißt ja
noch lange nicht, über deren inhaltliche Fähigkeiten, gerade deren
Spezialkompetenz zu verfügen.

Was ist so daneben daran?

Das war ja nun nicht die Frage, denn mittlerweile sind wir von
Subsistenz recht weit entfernt.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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