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[ox] BMWi veroeffentlicht Fraunhofer/MPI-Studie (fwd)



---------- Forwarded message ----------
Date: Thu, 15 Nov 2001 12:37:44 [PHONE NUMBER REMOVED] (CET)
From: PILCH Hartmut <phm a2e.de>
To: neues ffii.org
Subject: BMWi veroeffentlicht Fraunhofer/MPI-Studie

Das BMWi hat mit ca 3 Monaten Verspätung eine von ihm in Auftrag gegebene
Studie bekannter Einrichtungen der Patentlobby bekanntgegeben.

Der Presseerklärung nach zu urteilen weicht sie nicht wesentlich von dem
ab, was wir bereits in

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bmwi-fhgmpi01/

bekanntgegeben haben.

Es folgt die BMWi-PE mit ein paar Kommentaren.

Von: postmaster bmwi.de [postmaster bmwi.de]
Gesendet: Donnerstag, 15. November 2001 11:19
Betreff: [Pressemitteilungen] BMWi-Studie zu Software-Patentierung und
Wettbewerbsfdhigkeit der deutschen Softwarebranche

BMWi-Studie zu Software-Patentierung und Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Softwarebranche

Die Innovationsdynamik im Softwarebereich und die Besonderheiten der
Softwareentwicklung - Sequenzialität (hohe Rate der Codewiederverwendung),
Nutzung von offenem Code und häufige Notwendigkeit der Interoperabilität -
müssen bei der Regelung der Patentierbarkeit besondere Berücksichtigung
finden, so eine zentrale Feststellung einer für das BMWi erstellten Studie.
Dazu gehöre auch die weitere Entfaltung der Open Source
Software-Entwicklung, deren Leistungsfähigkeit in Zukunft erhalten
werden müsse.

Zunächst die Verbeugung vor der schwächeren der beiden (echten oder
vermeintlichen) Lobbies.

Das Wort von der "Sequenzialität" stammt von Bessen & Maskin

	http://www.researchoninnovation.org/

und hat wenig mit "Codewiederverwendung" zu tun.  Wenn Menüs
dreidimensional werden, so taucht diese von Adobe beim EPA patentierte
Idee (s. http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/xrani/) sicherlich zugleich in
allerlei Konkurrenzprodukten auf, so z.B. bei Macromedia oder The GIMP.
Das hat nichts mit einer etwaigen "Codewiederverwendung" oder gar Anleihe
bei offenen Quelltexten zu tun.  Eine von Bessen & Maskin spieltheoretisch
dargestellte Binsenweisheit liegt nun daran, dass die Blockierung von The
GIMP oder Macromedia durch ein Adobe-Patent auf ein solches abstraktes
Prinzip kaum der Innovation förderlich sein kann, insbesondere wenn diese
aus vielen kleinen Teilelementen und Teilschritten besteht, wie bei einem
großen Programm nun mal üblich.

An solchen Formulierungen zeigt sich wieder einmal, dass zwar klingende
Worte begierig aufgegriffen, aber einfache Zusammenhänge nicht verstanden
werden.  Insbesondere wenn es um (angeblich) komplexe Themen geht,
beschleicht manche zu früh die Angst, sich zu blamieren.  Es fehlt an
jenen Kindern, die mal sagen "Der Kaiser ist nackt".

In der Studie "Mikro- und makroökonomische Implikationen der
Patentierbarkeit von Softwareinnovationen: Geistige Eigentumsrechte in der
Informationstechnologie im Spannungsfeld von Wettbewerb und Innovation" hat
das Karlsruher Fraunhofer Institut für Systemtechnik und
Innovationsforschung (FhG ISI) im Wege einer Befragung das
Innovationsverhalten sowie Markt-, Wettbewerbs- und Schutzstrategien
von 263 deutschen Unternehmen (einschließlich Freier Entwickler) in den
verschiedenen Bereichen der Softwarebranche unter ökonomischen Aspekten
analysiert.

Die Studie, soweit wir sie kennen, basiert auf einer Umfrage unter
Softwareschöpfern.  Eine gesamtwirtschaftliche Analyse fehlte bisher.
Zudem wurde mit Etikettenschwindel (insbesondere mit Wörtern wie "Status
Quo") operiert: den Antwortenden wurden Positionen in den Mund gelegt.

Der Projektpartner, das Münchener Max-Planck-Institut für
ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und
Wettbewerbsrecht (MPI), erstellte eine rechtsvergleichende
Untersuchung im Hinblick auf die de facto-Patentierbarkeit von
computerprogramm-bezogenen Erfindungen in den drei großen Rechtsräumen
Deutschland/Europa, USA und Japan auf Basis der Entwicklung der
jeweiligen Rechtsprechung.

Hierbei wurde für Europa im wesentlichen die Rechtsprechung des EPA
dargestellt.

Beide Institute können auf Basis ihrer Untersuchungsergebnisse
gegenwärtig weder eine radikale Beschneidung noch eine Ausweitung der
Patentierfähigkeit im Bereich der Softwareentwicklung empfehlen.
Daraus folge insbesondere, dass Deutschland bzw. Europa nicht dem
US-amerikanischen Modell der breiten Patentierbarkeit von Software und
speziell von Geschäftsmethoden folgen sollte. Die Gutachter plädieren
jedoch für eine zügige, für die Rechtssicherheit der Akteure
notwendige Rechtsharmonisierung und -klarstellung im Rahmen der
Europäischen Union, möglichst auch auf Ebene der
Welthandelsorganisation.

Beide Institute empfehlen, die Praxis des EPA, die in allen für die
Fragestellung wesentlichen Punkten der des US-Patentamtes gleicht,
durch Gesetzgebungsakte anzuerkennen.

Keines der Institute zog eine Kritik an dieser Praxis überhaupt als Option
in Betracht.  Keines stellte die Frage, ob die Praxis des EPA dem Vorgaben
des Gesetzgebers und den aktuellen oder damaligen volkswirtschaftlichen
Zielen entspricht.

Die Beteuerung, man sei nicht für "breite Patentierbarkeit .. von
Geschäftsmethoden", hat nur einen Zweck:  die Beruhigung von
Parlamentariergewissen.  Sie gehört zum Standard-Repertorie der
europäischen Patentlobby-Rhetorik.  Derweil hat das EPA ohnehin bereits
zahlreiche geschäftliche Verfahren patentiert, und es besteht auch in
dieser Hinsicht kein nennenswerter Unterschied zur US-Praxis, zumal
eine klare Abgrenzung zu "normalen" Softwarepatenten weder möglich ist
noch von EPA oder FHG/MPI unternommen wurde.

Die Feststellungen und Empfehlungen von FhG ISI und MPI, die neben dem
rechtlichen Rahmen vor allem strukturelle Veränderungen und Neuerungen zur
Effizienzsteigerung der Patentprüfung und Recherchemöglichkeiten zum
Gegenstand haben, können nun in die Diskussion über einen "europäischen
Weg" in der Frage der Patentierbarkeit von Computerprogrammen im Rahmen der
Europäischen Union und der Europäischen Patentorganisation eingebracht
werden. Ein Vorschlag zielt etwa auf die weitere Unterstützung des
Wissensaufbaus über das heimische und internationale Patentsystem mit
Schwerpunkt auf Softwarepatenten. Ferner ist es nach Auffassung der
Gutachter erforderlich, strukturell bedingte Nachteile von kleineren und
mittleren Unternehmen bei der Nutzung des Patentsystems weiter zu
verringern. Hierzu müssten die Kosten für die Anmeldung und Durchsetzung
von Patenten systematisch gesenkt werden. Hier könne an bestehende
Maßnahmen der Bundesregierung wie beispielsweise der KMU-Patentaktion des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung angeknüpft werden.

Wurden auch Kostenrechnungen hierzu angestellt, wie etwa in

  Software Patentability with Compensatory Regulation: A Cost Evaluation
  http://swpat.ffii.org/stidi/pleji/

??

Oder geht es auch hier wieder nur um Gewissensberuhigung und
Augenwischerei.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hatte den
Forschungsauftrag Anfang dieses Jahres in Auftrag gegeben, um mikro- und
makroökonomische Implikationen der aktuellen rechtlichen Regelungen bzw.
möglicher Veränderungen analysieren zu lassen. Eine geplante Streichung des
Patentierungsverbots für Computerprogramme in Artikel 52 Europäisches
Patentübereinkommen (EPÜ) war von der EPÜ-Revisionskonferenz
im November 2000 mit Blick auf das von der EU-Kommission angekündigte
Richtlinienvorhaben zur Harmonisierung der Patentierbarkeit von
computer-bezogenen Erfindungen in der Europäischen Union zunächst
ausgesetzt worden. Die Kommission will den Richtlinienvorschlag dem
Vernehmen nach noch vor Ende dieses Jahres vorlegen; die nächste
EPÜ-Revisionskonferenz wird im Juni 2002 stattfinden.

Wie auch anderswo in Europa mangelt es unseren Regierenden am Willen, das
Patentwesen zu kontrollieren und an den Vorgaben des Gesetzes oder des
Volkswirtschaft zu messen.

Dies liegt vor allem daran, dass das EPA und die Patentabteilungen seiner
Großkunden im Namen mächtiger Gruppierungen sprechen können.  Auch
diejenigen Politiker und Beamten, die wissen, dass hier der pure
Schwachsinn zum Wohle von Partikularinteressen gegen grundlegende Ziele
und Werte unseres Gemeinwesens und unserer Wirtschaft durchgedrückt wird,
kuschen dennoch oft schon im Vorfeld.

http://www.bmwi.de/Homepage/Politikfelder/Technologiepolitik/Rahmenbedin
gungen/Innovationsfreundlicher%20Rahmen.jsp

Der Mangel an Urteilskraft und intellektueller Redlichkeit ist mal wieder
niederschmetternd.  Dennoch müssen wir dieses Werk in den nächsten Tagen
lesen.

-- 
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
Schutz der Innovation vor der Patentinflation:   http://swpat.ffii.org/
95000 Stimmen gegen Logikpatente:            http://www.noepatents.org/




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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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