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Re: [ox] Re: Leitfrage zu Open Music



Hallo Petra, Stefan, Thomas u.a.

On Tue, Nov 06, 2001 at 12:37:34PM [PHONE NUMBER REMOVED], Petra Wagner wrote:
Leider war ich nicht auf dem besagten Panel, 

Ich auch nicht.

moechte aber trotzdem
meinen Senf loswerden, 

Ich auch.

Sicherlich gibt es einige wenige AusnahmekuenstlerInnen, die in der
gluecklichen Lage sind, Musik zu machen, hinter der sie stehen koennen
und die trotzdem gut damit verdienen. Aber auch von diesen wenigen haben
viele das Dilemma der Musikbranche erkannt und unterstuetzen den Open
Music-Gedanken (z.B. David Bowie). 

Könnte man daraus nicht vielleicht sowas wie eine Kampagne machen? Also mehr
oder weniger bekannte Musiker die sich öffentlich für Freie Musik
engagieren? Man bräuchte vielleicht so etwas wie eine gemeinsame Lizenz.
Thomas?

btw: Wie genau sehen denn die Äußerungen von D.Bowie aus? Ich kenne nur
Äußerungen von bekannten Musikern zu der Napster-Diskussion. Björk hat z.B.
mal gesagt, dass sie es völlig Ok findet, wenn ihre Musik genapstert wird.
Freie Musik ist ja noch ein bisschen was anderes. Aber man könnte da
vielleicht anknüpfen.

Eine solche Haltung halte ich fuer vollkommen falsch. Ich behaupte
einfach mal, dass es gar nicht moeglich ist, Musik zu produzieren, ohne
sich bei anderen MusikerInnen Inspiration und Ideen "geklaut" zu haben.

Sowieso. Aber die Idee dahinter ist halt, dass der "geniale" Künstler halt
aus vielfältigen Einflüßen heraus etwas einzigartiges und völlig neues
schafft. Darin spiegelt sich auch die ganze Problematik des bürgerlichen
Individuums. 

Ich fand den Schriftsteller auf dem WOS2-Abschlusspodium sehr nett. Er sagte
er verstehe sich garnicht als Künstler, sondern als "Craftsmen", also
Handwerker.

Was heisst das für unsere Diskussion? Das genauso wie bei Freier Software
die Inhalte von Freier Musik nicht beliebig sind, das vielmehr schon die
Verwendung einer Freien Lizenz eine andere Auffassung von Kunst (oder
Software) bedeutet, die weg geht vom bürgerlichen Genie hin zum sich
zusammen mit anderen selbstentfaltenden Individuum. Also tatsächlich ganz in
Stefans Sinn eine "neue (hegemoniale) Kultur".

Zu Ende gedacht würde das tatsächlich bedeuten, dass Kunst in ihrer heute
üblichen Form aufhören würde, so wie die Handwerker-Kunst des Mittelalters
aufgehört hat.

In diesem Verständnis fallen dann auch schon fast die beiden
"Kultur"-Begriffe auf die Stefan Mn. andernmails kurz angespielt hat (also
Kultur eher als Kunst und Kultur eher als Lebenspraxis) ineinander und
tatsächlich ist genau dieses Ineinanderfallen vielleicht das, was diese neue
Kultur ausmacht.

Jede MusikerIn, die auch nur annähernd in der Lage ist zu reflektieren,
wird auch jederzeit zugeben, dass sie hier und dort stilistische
Anleihen gemacht hat. In Punkto "Verfaelschung ureigener Werke" möchte
ich darauf hinweisen, dass das "Urwerk" als solches natuerlich
schutzenswert sein sollte. 

In Zeiten der digitalen Kopie ist das ja nicht so ein Problem. Man speichert
einfach alle Versionen ab. Allerdings ist die Logik der neuen Kultur eher
die, dass es ein "Urwerk" nicht mehr gibt, sondern dass schon dieses in
einem gemeinsamen Prozeß entsteht.

Als Malerin haette ich es auch nicht gern,
wenn jemand auf meinem eigenen Bild ein neues malt. 

Hm. Warum eigentlich?

Aber ich kann doch
nichts dagegen machen, dass jemand mein Werk kopiert und veraendert.
Solange auf die Quelle hingewiesen wird, sehe ich a) das Problem nicht
und b) ist das eine Praxis, der seit Jahrtausenden nachgegangen wird und
die zu einer beachtlichen Entwicklung gefuehrt hat. Es steht jeder
MusikerIn natuerlich frei, sich zur Qualitaet solcher Veraederungen zu
aeussern oder Wuensche hinsichtlich bestimmter Werkinterpretationen und
-modifikationen zu formulieren. Ein solcher Diskurs ist aber wichtig und
gehoert doch in jede funktionierende Kulturlandschaft. Die einzige
Frage, die sich hier stellt ist, in welcher Form eine MusikerIn über den
Ursprung und die am Werk vollzogenen Veraenderungen Buch fuehren kann
und soll. 

Solange da ein Produkt bei rauskommt ist das auch nicht schwieriger als bei
der Softwareentwicklung. Einfach abspeichern.

Dies erscheint mir wesentlich schwieriger als in der
Softwareentwicklung, weil ich mir ueber manche meiner Einfluesse
vielleicht gar nicht klar bin.

Das ist ja auch in der Software nicht anders. Was weiss ich schon, welche
Programme, die ich irgendwann mal gesehen oder benutzt habe im einzelnen
Einfluß auf das Programm hatten?

Es ist glaube ich nicht nötig oder wünschenswert, dass man ein so exaktes
Protokoll aller Einflüße hat. Das mag zwar für Kunsthistoriker ein ideales
Instrument sein, aber für die Künstler ist das doch nicht nötig.

Grüße, Benni
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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