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Re: [ox] Konferenz-Beitrag: Vom vertikalen zum horizontalen Produktionsmodell in der Computerindustrie



Guten Abend allerseits,

bereits auf der Konferenz hatte ich gewisse (erhebliche) Schwierigkeiten mit 
den Aussagen aus dem Vortrag von Werner Winzerling. Leider war damals 
keine Gelegenheit das intensiver zu diskutieren, so daß ich die Gelegenheit 
hier nutzen möchte, einige Kommentare -aus der Perspektive eines 
Informatikers, der seit 10 Jahren mit Linux _arbeitet_ (u.a. einige Jahre als 
Systembetreuer und SW-Entwickler) und die Freie/Open Source-Bewegung 
anteilnehmend begleitet- anzubringen.

Um etwaige Mißverständnisse weitestgehend zu vermeiden, zumal meine Kritik 
recht harsch ausfällt, werde ich den Originaltext nicht kürzen, wie sonst 
üblich. Den dadurch entstehenden -etwas hohen- Traffic bitte ich, zu 
entschuldigen.

_________________________________________________________________________

Vom vertikalen zum horizontalen Produktionsmodell in der Computerindustrie
==========================================================================

Werner Winzerling [Werner.Winzerling informatik.fh-fulda.de]

Veränderungen in der Wettbewerbsstruktur, dargestellt am Beispiel des
Betriebssystems Linux -
---------------------------------------------------------------------------
----------------

Der Beitrag untersucht, worin das große Interesse der
Computerindustrie an dem Betriebssystem Linux besteht. Die hier häufig
vorgebrachten Argumente reichen allein zur Erklärung nicht aus.
Vielmehr zeigt sich, dass der Wandel von der vertikalen zur
horizontalen Computer-Herstellung auch mit grundlegenden Veränderungen
im Kooperations- und Wettbewerbsmodell einher geht. Der PC als schon
klassisches Modell dieser horizontalen Produktionskette wird aus den
Komponenten unterschiedlicher Hersteller zusammen gesetzt. Gemeinsam
ist diesen Herstellern, dass sie sich im Interesse des Gesamterfolges
auf "stillschweigende Vereinbarungen" einlassen müssen. 

Das normale Geschäft besteht darin, die notwendige Interoperabilität nicht 
durch "stillschweigende Vereinbarungen", sondern durch Standardisiserung in 
diversen Gremien (Konsortien) sicherzustellen. In der Regel sind dabei die 
Marktführer auch führend am Standardisierungsprozeß beteiligt. So gibt 
beispielsweise Intel regelmäßig "Vorschriften" zur Gestaltung von Hardware 
heraus (z.B. USB). Die von den Standardisierungsgremien verteilten 
Konformitätssiegel sind ein wesentliches Instrument der Verkaufsförderung. 

"Stillschweigende Übereinkommen" sind die absolute Ausnahme, nicht die Regel.

Zu den ökonomischen Hintergründen der Technikentwicklung empfehle ich die 
Lektüre von Carl Shapiro/Hal R. Varian: Information Rules, Harvard Business 
School Press, Boston, MA, 1999. Darin gibt es ein Kapitel "Cooperation and 
Compatibility", in dem sich die Autoren explizit mit der Problematik 
auseinandersetzen.

Dabei ist es
wichtig, dass hier jedem Markführer auf seinem Gebiet auch potente
Wettbewerber gegenüberstehen. 

Das mag aus Sicht von Wettbewerbsbehörden vielleicht wichtig sein. Aus der 
Perspektive eines Marktführers ist das eher hinderlich.

Im Fall der Betriebssysteme drohte nun
eine Situation einzutreten, in der dem Markführer Microsoft kein
ernsthafter Wettbewerber mehr gegenüberstand. 

Wie Richter Jackson im Microsoft-Prozeß amtlich festgestellt hat, und diese 
Feststellung wurde auch vom Berufungsgericht aufrecht erhalten, hat Microsoft 
ein Monopol im Markt für Desktop-Betriebssysteme. Hier von einer "drohenden 
Situation" zu sprechen ist eine schwere Untertreibung.

Dies hat die anderen
Teilnehmer des horizontalen Marktmodells veranlasst nach einem
geeigneten neuen Wettbewerber zu suchen, der scheinbar in Gestalt von
Linux gefunden wurde.

Es gibt wesentlich mehr Betriebssysteme sowohl im proprietären als auch im 
freien Bereich. Einige davon existieren schon länger als Linux, andere sind 
ausgereifter.

Warum sollte ausgerechnet Linux ausgesucht werden/worden sein? Warum hat man 
nicht vorher schon nach Alternativen gesucht? Warum wurde OS/2 nicht als 
ernsthafte Alternative aufgebaut?

Lauter Fragen, die zu stellen wären.


Vorbemerkung
============

Linux ist derzeit in aller Munde. Kaum eine Fachzeitschrift, die nicht
auch aktuelle Beiträge zu diesem Betriebssystem enthält. Was aber viel
bedeutender ist: Fast alle namhaften Hard- und Software-Hersteller
kündigen gleichzeitig dafür ihre Unterstützung an. Im folgenden wird
etwas abseits der üblichen Argumentationslinien untersucht, was Linux
tatsächlich so bedeutungsvoll für die Computerindustrie und Anwender
macht. Dabei werden zunächst einige häufig für Linux vorgebrachte
Argumente einer kritischen Wertung unterzogen.

Technologie
===========

Monolithisch statt Microkernel
- ------------------------------

Das dem Betriebssystem Linux zu Grunde liegende Konzept eines
monolithischen Betriebssystem-Kerns ist ca. 30 Jahre alt und muss als
veraltet bezeichnet werden.

Aus welcher Perspektive ist es als "veraltet" zu bezeichnen? Es gibt nun mal 
verschiedene Perspektiven.

Sicherheitsexperten beispielsweise halten das UNIX-Konzept wegen seines 
Alters für besser - es ist "gereift" (matured). Viele Schwachstellen eines 
Systems lassen sich erst in langem Gebrauch aufdecken. Das ist ein immanenter 
Nachteil "moderner", d.h. auch "jüngerer" Systeme.

Aus diesem Grunde hat die National Security Agency (NSA) Linux als Basis für 
ein sicheres Betriebsstem ausgewählt. Sorry, den Link habe ich gerade nicht 
bei der Hand.

Der Zweck entscheidet letzten Endes.


Stellvertretend für diese Diskussion soll hier aus der berühmte
Tanenbaum-Torvalds-Debatte, die Anfang 1992 in der MIMIX-News-Gruppe
geführt wurde, eine Bemerkung von Prof. Dr. Andrew S. Tanenbaum
zitiert werden:

"Microkernel vs. Monolithische Systeme: ... es genügt festzustellen,
dass unter den heutigen Entwicklern von Betriebssystemen, diese
Debatte endgültig vorüber ist. Microkernel-Architekturen haben
gewonnen. ... Im Jahr 1991 noch ein monolithisches System zu
entwickeln, halte ich für eine schlechte Idee." [1, S. 222]

In seiner Anwort hat Linus Torwalds dann auch zugegeben, dass er den
einfacheren monolithischen Ansatz für ein Betriebssystem nur deshalb
gewählt hatte, weil das damals gerade laufende GNU/HURD
Microkernel-Projekt nicht recht von der Stelle zu kommen schien. Einem
GNU-Microkernel hätte er Linux nicht entgegen stellen wollen. [1,
S.224]

Eine gewisse Anziehungskraft scheint in diesem Zusammenhang wohl auch
deshalb von Linux auszugehen, weil es (etwas überzeichnet formuliert)
jeder halbwegs begabte Informatik-Student bereits am Ende des
Grundstudiums nach einer guten einführenden
Betriebssystem-Lehrveranstaltung verstehen kann.

Genau das ist beispielsweise eine elementare Voraussetzung, ein System sicher 
zu machen: Daß man es durchschauen kann. Ein Betriebssystem für den 
Massengebrauch benötigt "Massen" an Leuten, die es durchschauen, um einen 
halbwegs sicheren Betrieb zu ermöglichen. Was geschieht, wenn dieses 
"Durchschauen" praktisch unmöglich ist, sehen wir bei jeder neuen 
Virus-Epidemie, die Microsoft-Server überproportional stark in 
Mitleidenschaft zieht.


Bemerkenswert ist, dass sich die sonst sehr technisch interessierten
Linux-Anwender und -Systemspezialisten am veralteten Aufbau von Linux
nicht zu stören scheinen. Auch weitere wesentliche architektonische
Mängel werden praktisch nicht diskutiert.

Interessanterweise scheiterte das GNU/HURD Microkernel-Projekt gerade
dort, wo eigentlich die Stärken der Open Source Entwicklung liegen
sollten: nämlich beim Testen. Richard Stallmann schrieb hierzu: "HURD
zuverlässig zu machen, zog sich über viele Jahre hin." [2, S. 65] (...
bis es dann vom monolithischen Linux überholt wurde).

So stellt sich die Frage, ob das viel gerühmte Open Source
"Basar"-Entwicklungsmodell [3] nicht doch Grenzen kennt. Dagegen
scheint es Microsoft spätestens mit dem Betriebssystem-Release Window
2000 gelungen zu sein, innerhalb von durchaus akzeptablen 10 Jahren
einen stabilen und zuverlässigen Microkernel zu entwickeln.

Der Mach-Micorkernel, die Betriebssystembasis der "modernen" 
Microsoft-Betriebssysteme (von NT an aufwärts) ist keine 
Microsoft-Entwicklung, sondern stammt von der Carnegie-Mellon-Universität. Da 
schmückt sich jemand mit fremden Federn ... Aber das ist ja nicht neu, man 
denke z.B. an die graphische Oberfläche, die weder von Microsoft, noch von 
Apple stammt, sondern von Rank Xerox.


Inkompatibilität von Unix
- -------------------------

Eine wesentliche Ursache, die eine größere Verbreitung von Unix
verhinderte, ist die Inkompatibilität der Versionen. Jede Unix-Version
eines Herstellers nutzt oft nicht nur den gleichen Kernel, sondern
auch andere Erweiterungen. So gleicht keine Version der anderen und
die Anwender und Administratoren müssen deren Einzelheiten jeweils
speziell erlernen.

Das ist eine normale Erscheinung in einem _Markt_, wo jeder Anbieter 
versucht, dominant zu werden bzw. zu bleiben. Aus demselben Grunde sind 
Microsoft-Produkte neueren Datums immer wieder inkompatibel zu den Produkten 
konkurrierender Anbieter bzw. zu ihren Vorgängerversionen.

Ein besonders schönes Beispiel ist der Versuch von Microsoft, den Nutzern 
anderer Browser den Zugang zu ihren Websites zu verwehren. (siehe z.B.  
http://www.heise.de/newsticker/data/jk-26.10.01-000/)


Noch problematischer ist, dass die Software-Hersteller ihre Produkte
für die verschiedenen Versionen aufwendig portieren müssen. Die damit
erreichbare Kundenbasis ist oft zu klein, um dies zu rechtfertigen.
Ganz anders dagegen, die große Basis installierter
Microsoft-Windows-Systeme, mit ihren einheitlichen API's über die
gesamte Betriebssystem-Familie hinweg. So findet man heute auch die
konkurrenzlos meiste Software für die Microsoft-Plattform.

Die Ursachen für dieses "konkurrenzlose" Angebot liegen allerdings nicht in 
der technischen Qualität der Microsoft-Produkte begründet. Vielmehr -so wurde 
es im Microsoft-Prozeß nachgewiesen- hat Microsoft diese Position mit 
illegalen, wettbewerbswidrigen -zugegeben: cleveren- Geschäftspraktiken 
erobert. Für diejenigen, denen das neu ist, lohnt sich die Lektüre der 
diversen Dokumente zum Antitrust-Prozeß "U.S. v Microsoft", unter anderem 
erreichbar über: http://cyber.law.harvard.edu/msdoj/.


Mit den unterschiedlichen Linux-Distributionen u.a. von Red Hat,
Caldera, Suse und vielen weiteren kleineren Distributoren, wiederholt
sich das bereits bei Unix beobachtete Dilemma. Neben dem
Spezialwissen, das für jede der verschiedenen Linux-Distributionen
benötigt wird, steht wieder vor den Entwicklern die Frage, welches
Linux sie denn unterstützen sollen.

Kommerzielle Linux-Anbieter verhalten sich eben nicht unbedingt viel besser 
als andere kommerzielle Software-Anbieter. Das ist aber kein Problem von 
Linux. Das ist ein Problem unternehmerischer Interessen.


Dies wird dann von den Unternehmen oft sehr restriktiv entschieden.
Während beispielsweise Oracle derzeit noch für Red Hat, Caldera, und
Suse eine Unterstützung anbietet, will die SAP ihr R/3 auch in Zukunft
ausschließlich für die Distribution von Red Hat liefern - und auch
dies nur für eine speziell angepaßte Version. "Wir können nicht alle
Linuxe testen" lautet hierzu die Erklärung der IBM. [4, S. 23]

Leistungsvergleiche
- -------------------

In einer Untersuchung der D. H. Brown, Inc., die jährlich einen
vielbeachteten Leistungsvergleich der wichtigsten
Server-Betriebssysteme erstellt, schneiden die 1999 erstmals mit
untersuchten Linux-Distributionen von Red Hat und Caldera sogar noch
etwas schlechter ab, als die Microsoft Windows/NT 4.0 Enterprise
Edition, die bisher gegenüber den untersuchten kommerziellen
Unix-Betriebssystemen den letzten Platz belegte. [5]

Die Untersuchung D. H. Brown verdeutlicht ebenfalls den großen
Abstand, den Windows/NT und insbesondere Linux gegenüber den
kommerziellen Unix-Versionen hinsichtlich des Funktionsumfangs, der
Skalierbarkeit, der Sicherheit u.ä. immer noch aufweisen.

In Bezug auf die Performance hat sich der Konferenz ja einiges getan, so daß 
Linux in vielen Bereichen, wo es bisher zurücklag, zu NT aufgeschlossen hat. 

Was den Ressourcenverbrauch angeht, ist es immer noch mit an der Spitze aller 
Betriebssysteme zu finden. Es gibt dutzende Beispiele, die das belegen. Man 
nehme etwa die Hollywood-Filmindustrie, die ihren immensen Bedarf an 
preiswerter Rechenzeit zunehmend mit Linux-Systemen befriedigt.

Was Stabilität angeht, schlägt jedes *x-System NT um Längen, Linux 
eingeschlossen.

Insbesondere bezüglich Sicherheit haben alle UNIX-artigen Betriebssysteme 
einen erheblichen Vorsprung vor allen Microsoft-Betriebssystemen. Im Falle 
beispielsweise des Microsoft-Webservers IIS rät die Unternehmensberatung 
Gartner inziwschen explizit zum Umstieg auf etwa Linux. (siehe  
http://www.heise.de/newsticker/data/ps-21.09.01-000/)

Wer sich tagtäglich davon neu überzeugen möchte, kann z.B. die Mailingliste 
ISN (internet security news) abonnieren: isn attrition.org.

Ganz frisch von dort z.B.: This version of Nimda worm is 'new and improved' 
(http://www.computeruser.com/news/01/11/01/news5.html)

"Natürlich" geht es um die Ausnutzung von Sicherheitslücken in 
Microsoft-Software (IIS, Outlook, ...)

Empfehlenswert auch die Lektüre von Forno, Richard: Microsoft: A Proven 
Danger to National Security: Conclusions of Reality, Essay #2000-4, 15 May 
2000, on the internet via: 
http://www.info-sec.com/internet/00/MSFOR_natsec.pdf [17 Oct 2001].


Die Centennial Network Labs an der North Carolina State University in
Raleigh, USA haben 1999/2000 im Auftrag der US-amerikanischen
Zeitschrift NetworkWorld ebenfalls eine Untersuchung wichtiger
Netzwerk-Betriebssysteme durchgeführt. Einbezogen waren hierbei
Windows/2000 Advanced Server, Netware 5.1, Red Hat Linux 6.1 und
Unixware 7.1.1.

Auch in diesem Test landete Linux in der Gesamtwertung mit deutlichem
Abstand nur auf dem 3. Platz, hinter dem Testsieger Windows/2000 und
dem zweitplatzierten Novell.

s.o.


Betriebssysteme aus der Sicht der Betreiber
===========================================

Kommandozeilen kontra Fenster
- -----------------------------

Leider wird an dieser Stelle keine Unterscheidung zwischen 
Server-Betriebssystemen und Desktop-Betriebssystemen vorgenommen, die sehr 
sinnvoll wäre, unterscheiden sich doch die jeweiligen Anforderungsprofile 
erheblich.

Man kann die allgemein unter Unix-Administratoren und speziell im
Linux-Bereich verbreitete Ansicht auch mit folgenden Worten
beschreiben[1]:

"Wahre Männer Worten nutzen keine Windows (Fenster-Technik)."



Oder, vielleicht noch treffender: "Wahre Männer[2]brauchen keine
Windows."

Ob dies aber den Anforderungen in den IT-Bereichen der Unternehmen
gerecht wird, muss bezweifelt werden. Erfordert doch die
Kommandozeilen-Administration einen wesentlich höheren und auch
wiederkehrenden Lernaufwand, bis man die notwendigen Kommandos "im
Kopf" hat. Gerade bei selten benutzten Kommandos und bei einer
größeren Anzahl unterschiedlicher Betriebssysteme, wie sie in der
Praxis die Regel sind, entstehen dadurch ein deutlich höherer
Arbeitsaufwand und eine größere Fehleranfälligkeit.

Dagegen sind Windows-unterstützte Administrationswerkzeuge - wenn sie
denn gut gemacht sind - in der Regel mit einem wesentlich geringeren
Lernaufwand verbunden. Damit können dann mehr Systeme von weniger
Personen bzw. bei gleichbleibender Personalstärke die vorhandenen
Systeme intensiver betreut werden.

Leider verhindert der extensive Einsatz von Desktop-Metaphern die gründliche 
Auseinandersetzung mit den davon verborgenen Betriebssystemkonzepten. Das ist 
ein Grund dafür, daß Microsoft-Betriebssysteme zwar leichter _bedient_, 
praktisch jedoch nicht _verstanden_ werden können. In dem dadurch 
verursachten Unverständnis liegen eine Vielzahl von Konfigurationsfehlern 
begründet, die zu unzuverlässigen und unsicheren Installationen führen.

Es ist in meinen Augen eine eklatante Fehlentscheidung, die Nutzer dergestalt 
zu bevormunden, daß man ihnen das Lernen "vom Leibe hält".

Im übrigen wurde das auch schon von der Wirtschaft als Problematisch erkannt, 
z.B.: Die Versicherungsprämien für NT-Systeme werden vom US-Versicherer 
Wurzler um 25% höher angesetzt.

"Wurzler found that system administrators working on open source
systems tend to be better trained ..." (siehe 
http://www.zdnet.com/intweek/stories/news/0,4164,2766045,00.html)

Wer mal ein paar Jahre Server-Admin gespielt hat wird den _Sinn_ eines 
Kommandozeilenzuganges erkannt haben: Er bietet _zielgerichteten_ Zugriff. 
Dazu braucht man natürlich eine Vorstellung davon, was das Ziel ist. Wer 
über ein System nichts lernen will, sollte m.E. als Sysadmin auf keinen Fall 
angestellt werden. Er ist ein Betriebsrisiko.


Neueste Technologien zur Unterstützung der Nutzer von
Softwaresystemen, wie z. B. die Wizard- oder Agententechnologie
erfordern zwingend leistungsfähige Windows-Darstellungsmöglichkeiten.

Und wer erzwingt die neuesten Technologien, und wozu? Qui bono?

Inzwischen wurden auch für Linux grafische Administrations-Tools
entwickelt. Das bekannteste für die Serverinstallation ist LinuxConf.
LinuxConf eignet sich aber nur für die Serveradministration im engeren
Sinne. Zusätzliche Services des Betriebssystems und die
Anwendungs-Server können mit dem ebenfalls neu entwickelten, aber noch
nicht ausgereiften grafischen Tool Webmin administriert werden. [6]

Da die Tools durch die "Open Source Gemeinde" aber erst im nachhinein
entwickelt werden, stehen diese für die jeweils neuesten
Softwareversionen meist noch nicht zur Verfügung. Entweder muss dann
doch wieder der Kommandozeilen-Modus verwendet werden oder man ist auf
die uneinheitlichen und kostenpflichtigen Tools eines
Linux-Distributors angewiesen.

Auch erreichen diese grafischen Linux-Administrationstools noch nicht
die Tiefe und Breite der entsprechenden Microsoft-Unterstützung, wie
z.B. die Management-Console mit der Snap-In-Technologie, der Active
Directory Service oder die IntelliMirror-Technologie. Der Vorsprung,
den die Microsoft-Betriebssysteme hier gegenüber Linux noch besitzen,
wird in Veröffentlichungen üblicherweise in Jahren geschätzt.

Kosten
- ------

Ein wichtiges Auswahlkriterium für den IT-Einsatz in einem Unternehmen
sind zweifellos die Investitions-Kosten. Dies sollte eigentlich ein
gewichtiges Argument für Linux als kostenloses Betriebssystem sein.

In einer Studie des Institutes für Angewandte Betriebswirtschaftslehre
und Unternehmensführung (IAB) an der Universität Karlsruhe wurden die
IT-Investitionen für typische mittelständische Industrie-Unternehmen
aus den Bereichen Maschinenbau und Elektrotechnik untersucht. [7]

"Gegenbeispiel": Amazon: Linux saved us millions (31.10.2001, 
http://www.zdnet.com/zdnn/stories/news/0,4586,5098989,00.html)

Es ließen sich -viele- weitere finden.

Man kann die Sache auch so sehen:

"Let's Stop Wasting $78 Billion a Year - Analysts estimate that American 
businesses end up spending billions for software that doesn't do what it's 
supposed to. Some CIOs are tired of Playing the sap and are beginning to take 
action. ..." CIO Magazin v. 15.10.2001, 
http://www.cio.com/archive/101501/wasting_content.html?printversion=yes

Das bezieht sich auf proprietäre Software.

Aber letzten Endes ist es müßig, _so_ an die Sache heranzugehen. Entscheidend 
ist m.E., ob man die richtige Software für den Job hat, den es zu tun gilt. 
In dem Sinne: "Open source would give CIOs the flexibility to build exactly 
what they need, he says." a.a.O.


Der Anteil der Software an den gesamten IT-Investitionen wurde hier im
Durchschnitt mit (nur) 16% ermittelt. Der Aufwand für das eigene
Betriebspersonal beträgt dagegen 30%. Unter den Softwarekosten selbst
beträgt der Anteil der Anwendungssoftware 95%. Die Kosten für das
Betriebssystem sind dort in den sonstigen (sic!) Kosten von 5%
enthalten. Würde man nun in einem solchen Unternehmen sämtliche
Betriebssysteme gegen Linux austauschen (was wohl schon durch die
Vorgaben der Anwendungssoftware unmöglich sein dürfte), dann betrüge
die Ersparnis bei den IT-Ausgaben wohl höchstens 2%.

Wenn jedoch mit einer Linux-Einführung kein bisher genutztes
Betriebssystem abgelöst werden kann, stehen diesen minimalen
Einsparungen zusätzliche Ausgaben für die Administration eines
weiteren Betriebsystems gegenüber.

Das ebenfalls hier häufig anzutreffende Argument, Linux braucht
gegenüber anderen Betriebssystemen geringere Hardware-Ressourcen
trifft nur unter einschränkenden Bedingungen zu. Es setzt zum einen
eine reduzierte Funktionalität voraus (z.B. als Betriebssystem für
einen Einzweck-Server) sowie zum anderen, den Verzicht auf eine
grafische Bedienoberfläche (z.B. Gnom oder KDE).

Das Linux tatsächlich weniger Ressourcen braucht, läßt sich regelmäßig in der 
c't nachlesen. Wer den Redakteuren nicht glaubt, kann es aber auch einfach 
selbst ausprobieren. Zugegeben, wenn man sich natürlich mit der 
"out-of-the-box"-Variante a la SuSE (everything for everyone) begnügt, dann 
kann man natürlich auch zu anderen Resultaten kommen.


Heterogenität
- -------------

Noch vor der Frage, welche Linux-Distribution eingesetzt werden soll,
steht vor jedem Unternehmen das noch grundsätzlichere Problem, ob
überhaupt noch ein weiteres Betriebssystem in die meist ohnehin schon
heterogene Systemlandschaft eingeführt werden sollte. Denn für jedes
neue Betriebssystem werden zusätzliches Wissen und zusätzliche
Erfahrungen der Administratoren benötigt.



In einem solchen Umfeld ist ein weiteres Betriebssystem, meist wenig
willkommen. Und so wird Linux oft nur dort eingesetzt, wo z.B.
Systemadministratoren in Eigeninitiative das Unternehmen mit einem
ersten Web-Angebot ins Internet bringen. Dort wo noch keine
durchgängige Unternehmens-Strategie für einen Internetauftritt
existiert, muss eine solche Lösung meist ohne größere Investitionen
auskommen. Und da bietet sich das kostenlose Linux ohne grafisches
Interface auf einem ausgemusterten Alt-PC an, zusammen mit der
ebenfalls aus der Open Source Entwicklung stammenden
Web-Server-Software Apache.

Linux-Hype?
===========

Argumente und Emotionen
- -----------------------

Aus dem bisher Dargelegten ist zunächst nicht zu erklären, woraus die
große Aufmerksamkeit resultiert, die Linux insbesondere im
kommerziellen Umfeld derzeit erfährt.

Im Gegensatz zu anderen Betriebssystemen wird nicht mehr versprochen als 
gehalten werden kann. Im Gegenteil, meistens wird eher untertrieben 
(kommerzielle Linux-Anbieter ausgenommen). Das führt oft zu sehr positiven 
Erfahrungen im praktischen Einsatz.


Die große Resonanz in der kommerziellen IT-Öffentlichkeit dürfte aber
zumindest teilweise damit zu erklären sein, dass die Linux-Anhänger
auch überproportional Autoren und Leser der entsprechenden
Fachzeitschriften sind.

"According to a recent report by Forrester Research, 56 percent of Global 
2500 IT executives surveyed said their companies were using open-source 
software--that is, software in which the source code is not controlled by a 
single vendor.

..."

"But what about the other big companies? Why would they join the open-source 
movement? Aren't they equally threatened? No, because they are not the 
monopoly holder. 

These companies spend a lot of money on market analysis, and they understand 
that, in the end, there will be a monopoly again. The one-winner principle 
still applies. To them, the world will not change greatly whether open-source 
or proprietary software is running the world's computers. The end result will 
still be decreasing average costs, and the same barriers to entering the 
market will still apply. 

What is different, however, is that in an open-source monopoly the barriers 
to participation and influence will disappear. This will be a different kind 
of monopoly--an "open monopoly"--from which no vendor can be excluded from 
participating, including the big companies now joining the open-source 
movement. They have much more to gain by breaking the existing monopoly and 
replacing it with the new open monopoly."

(http://news.cnet.com/news/0-1275-210-7632187-1.html?tag=bt_bh)

Könnte es z.B. auch damit zusammenhängen?


Überhaupt werden die Linux-Diskussionen von deren Anhänger oft sehr
emotional geführt. Dies lässt sich immer dann gut beobachten, wenn
Kritik an Linux geäußert wurde, wie z. B. nach der Veröffentlichung
der "berühmten" Mindcraft-Performance-Studie. [8]

Dass ein Mangel an sachlichen Argumenten im Zweifel auch schon mal mit
Emotionen ausgeglichen wird, läßt sich seit den Linux-Anfängen
beobachten. So gibt Linus Torvalds in der bereits erwähnten
Tanenbaum-Torvalds-Debatte ganz freimütig zu:

"Normalerweise gerate ich nicht in eine Flame-Argumentation, aber wenn
es um Linux geht, bin ich sehr empfindlich." [1, S. 225]



Und in [9] wird die private E-Mail von Eric Raymond an einen
Mitstreiter zitiert, die - von ihm wohl nicht beabsichtigt - in einem
Message-Board aufgetaucht ist:[3]

"Wenn Du Dich in der Öffentlichkeit noch einmal wie ein Arschloch
aufführst, das unsere Gemeinde spalten, ihre Interessen in Frage
stellen und mich beleidigen will, dann werde ich das persönlich
nehmen. Du wirst es bereuen. Pass auf, was Du tust." [9]

Ja ... und? Soll das irgendeine Erklärung zu der Frage liefern, warum Linux 
zunehmend von der Industrie akzeptiert wird? M.E. ist das völlig ohne 
Relevanz für ein Thema unter der Überschrift "Vom vertikalen zum horizontalen 
Produktionsmodell in der Computerindustrie". Oder sehe ich das falsch?


"GNU is not Unix" und "Linux ist nicht Microsoft"
- -------------------------------------------------

Ein weiterer Grund für den Erfolg von Linux ist wohl auch in der
Aversion vieler Linux-Anhänger gegenüber dem Unternehmen Microsoft zu
finden. Die Entscheidung für Linux wird oft mit dem Argument "Freie
Software vs. Betriebssystem-Monopol" begründet. (vgl. auch [10])

Hier besteht in meinen Augen ein logischer Kurzschluß. Wer Linux-Anhänger 
ist, braucht nicht mehr überzeugt zu werden. Erfolg stellt sich nur ein, wenn 
mehr, andere Leute überzeugt werden. Die Microsoft-Aversion geht demnach dem 
Linux-Erfolg voraus - bei den Leuten, die _noch nicht_ Linux-Anhänger sind. 
Hätte niemand außer den Linux-Anhängern Microsoft-Aversionen könnte sich der 
Kreis der Linux-Anhänger nie vergrößern, so daß ein Erfolg nicht feststellbar 
wäre.

Richtig an der Aussage ist m.E. lediglich der zweite Teil: "Die Entscheidung 
... usw."

An dieser Stelle geht mir die Luft -und auch die Lust- aus :-(

Der Beitrag weist in meinen Augen sehr viele gravierende Mängel auf. Die 
recht willkürliche Auseinandersetzung mit Quellen liefert nur ein Beispiel. 
Auf _diesem Wege_ gelangt man nach meiner Überzeugung nicht zu einem 
vernünftigen Verständnis der ökonomischen Vorgänge.

Leider gehen in den dargestellten Mängeln die z.T. (besonders im Rest des 
Textes) vorhandenen guten Ansätze verloren.

Wenn ich mit dem "Ergebnis" -Linux als Wettbewerber- durchaus übereinstimmen 
kann, gelingt es mir mit der "Beweisführung" dafür nicht. Abgesehen davon 
bietet freie Software/OSS wesentlich mehr.

Mit freundlichen Grüßen,
Robert Gehring



Interessant ist dabei allerdings, dass dieser Vorwurf nur Microsoft
trifft und nicht sinngemäß z. B. auch die Produzenten von
Intel-Prozessoren, Cisco-Routern oder Java-Systemen. Alle diese Firmen
schützen die eigenen Produkte vor der Konkurrenz mit dem gleichen
Vorgehen. Andererseits ist es den zuletzt genannten Firmen gelungen,
in der Öffentlichkeit ein positives Image zu vermitteln (z.B. [11]).
Dagegen hat sich Microsoft oft durch ein sehr ungeschicktes
öffentliches Verhalten selbst geschadet und damit wesentlich zum
eigenen Negativ-Image beigetragen.

Linux in der PC-Wertschöpfungskette
===================================

Vertikale und horizontale Hersteller
- ------------------------------------

Der sich derzeit vollziehende Wandel in der Computerherstellung dürfte
einen weiteren wichtigen Schlüssel zum Verständnis des kommerziellen
Linux-Interesses liefern.

Die klassische Form der Computer-Herstellung ist die des vertikalen
Herstellers. Dieser baut einen kompletten Computer - "aus einer Hand".
Dazu entwickelt und produziert er zumindest die entscheidenden
Bestandteile seines Computers selbst, wie Prozessoren, Betriebssystem
und wichtige dem System nahe Anwendungssoftware. Beispiele hierfür
sind die IBM mit den Systemen IBM/390, AS/400 sowie RS/6000 und das
Unternehmen Sun mit der Sparc/Solaris.

Dagegen werden Personalcomputer heute vor allem von horizontal
spezialisierten Herstellern gebaut.

Der Vorteil dieses Modells besteht insbesondere in der großen
Stückzahl, auf die sich jeder Komponenten-Hersteller hier
konzentrieren kann. Dies erlaubt ihm in eine sehr effiziente und
hochautomatisierte Fertigung zu investieren, die dann aufgrund des
Skaleneffektes insgesamt zu geringeren Komponentenkosten und letztlich
zu immer preiswerteren PC-Systemen führt.

Marktführer und Wettbewerber
- ----------------------------

Die Tabelle [aus 12, S. 115] zeigt die Marktführer und deren
Herausforderer auf den verschiedenen horizontalen Marktsegmenten zum
Zeitpunkt der Veröffentlichung 1999. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass es in den einzelnen Segmenten stärkere und schwächere Marktführer
gibt. So ist Intel im Segment der Prozessoren sicherlich ein stärkerer
Marktführer, als z.B. Seagate bei den Festplatten. Andererseits
dominiert niemand erkennbar die gesamte Herstellungskette.

Die Tabelle verdeutlicht weiterhin, dass in einem Markt von
horizontalen Herstellern, das Ausscheren nur eines dieser Hersteller
das gesamte Geschäftsmodell aller beteiligten Unternehmen gefährden
kann. Würde z.B. der Hersteller einer bestimmten Komponente plötzlich
einen vielfach höheren Preis fordern, führt dies automatisch dazu,
dass sich damit auch der Preis des Gesamtsystems um diesen Betrag
erhöht.

Dieser eine Hersteller würde dabei sehr wahrscheinlich einen deutlich
höheren Gewinn verbuchen können, trotz des zwangsläufig zu erwartenden
(geringen) Rückgangs des Gesamtabsatzes an PCs. Bei allen anderen
Herstellern würde aber der eigene Umsatzes zurück gehen. Würden
daraufhin alle Hersteller ihre Komponentenpreise erhöhen, wären
Personalcomputer bald "unverkäuflich".

Andererseits hat das Modell der dominanten und Markt-führenden
Komponentenhersteller auch Vorteile. In der schnelllebigen
Informationstechnologie ist meist keine Zeit, um in langwierigen (und
oft auch noch erfolglosen) Abstimmungsprozessen "offizielle" Standards
zu definieren. Hier ist das Modell des "Industriestandards", der vom
jeweiligen Marktführer gesetzt wird, wesentlich geeigneter.

In diesem horizontalen Produktionsmodell muss deshalb ausgeschlossen
werden, dass ein Hersteller, z. B. in der oben erläuterten Form, aus
der "stillschweigenden Übereinkunft" ausbricht. Dies wird im
allgemeinen dadurch erreicht, dass weitere Hersteller als Wettbewerber
bereit stehen, die Aufgabe des Marktführers zu übernehmen.

So ist auch das finanzielle Engagement von Marktführern zu werten, die
in Wettbewerber eines anderen horizontalen Marktsegmentes investieren,
obwohl mit diesen Beteiligungen oftmals keine großen Gewinne erzielt
werden. Damit wird aber eine vollständige Abhängigkeit vom jeweiligen
Marktführer vermieden. Außerdem kann so Druck auf die Preise ausgeübt
werden, auch im Interesse eines möglichst hohen Absatzes der eigenen
Komponenten.

Spezialisten dominieren die horizontale PC-Industrie (Stand 1999) [12, S.
115\]

Marktsegment           Marktfuehrer            Wettbewerber
...................... ....................... ......................
Services               EDS                     Andersen Consulting,
                                               CSC, Debis
Datenbank (DBMS)       Oracle                  Informix, Sybase
Datenkommunikation     Cisco                   3Com, Nortel
System-Software        Microsoft               Novell
Drucker                Hewlett-Packard         Epson, Canon
PCs                    Compaq                  IBM, Apple, Dell
Festplatten            Seagate                 Quantum, Conner
Mikroprozessoren       Intel                   Motorola, AMD, Cyrix

Microsoft im horizontalen Produktionsmodell
- -------------------------------------------

Während derzeit bei allen anderen PC-Komponenten den Marktführern
ausreichend starke Wettbewerber gegenüber stehen, hat sich das Gewicht
im Segment der Betriebssysteme zuletzt sehr deutlich zugunsten von
Microsoft verschoben. Es gibt, nachdem das OS/2 von IBM in der
Bedeutungslosigkeit verschwunden ist, praktisch keinen Wettbewerber
mehr, der im Bedarfsfall kurzfristig die Stelle von Microsoft
einnehmen könnte.

Dies ist - wie oben gezeigt wurde - eine gefährliche Situation für das
horizontale Produktionsmodell. Und so war es naheliegend, dass die
"Hersteller-Gemeinschaft" (natürlich ausgenommen Microsoft) nach einem
Ausweg aus dieser unbefriedigenden Situation suchte.

In gewisser Weise erfüllen auch die derzeitigen Gerichtsverhandlungen
in den USA wegen Monopolisierung (die logischer Weise aus der
beschriebenen Situation resultieren) die Aufgabe, Microsoft zu
disziplinieren. Andererseits könnte eine Teilung von Microsoft im
Ergebnis eines Richterspruches, auch dazu führen, dass die durchaus
erwünschte Durchsetzungskraft des Marktführers bei neuen Standards
spürbar geschwächt wird. Kommt es dadurch zu neuen Inkompatibilitäten
würde dies in letzter Konsequenz auch den Gesamtabsatz an
Personalcomputern schwächen.

Linux als Wettbewerber
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Dies alles stützt die Vermutung, dass künftig Linux das Produkt des
Wettbewerbers zu Microsoft sein soll. Diese Entwicklung wird von den
horizontalen Herstellern (ausgenommen Microsoft) unterstützt, um
einerseits eine Alternative zu Microsoft zu besitzen und um
andererseits die Preise für Microsoft-Software im Interesse des
gesamten Geschäftsmodells niedrig zu halten.

In diesem Fall besteht aber auch kein ernsthaftes Interesse Microsoft
als Markführer aus der horizontalen PC-Herstellungskette heraus
drängen, so lange sich dieses Unternehmen an die "stillschweigenden
Übereinkünfte" hält. Die technologischen Vorteile von Windows 2000
gegenüber Linux sowie dessen gesicherte Weiterentwicklung dürften
hierfür entscheidend sein.

Andererseits hat Linux aufgrund seiner Open-Source-Herkunft den großen
Vorteil, dass derzeit nur vergleichsweise geringe Investitionen für
dessen Weiterentwicklung erforderlich sind.

Einheitliche Strategie ohne Masterplan
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An der Strategie der horizontalen Hersteller fällt weiterhin auf, dass
diese offensichtlich keiner direkten Abstimmungen bedarf. Bei der
Vielzahl der aufeinander angewiesenen Marktführer und Wettbewerber
wäre ein gemeinsamer "Masterplan" wohl nicht geheim zu halten.

Vielmehr ergibt sich das zweckmäßigste Vorgehen jedes einzelnen
Teilnehmers aus der "inneren Logik" des horizontalen
Produktionsmodells. So folgt z.B. sein Agieren am Markt, das
Preismodell - für jeden Beteiligten nachvollziehbar aus seiner
momentanen Stellung innerhalb der Herstellungskette, aus seiner
aktuellen Position als Marktführer oder Wettbewerber, aus der
konkreten Wettbewerbssituation im eigenen Teilsegment usw.

Man findet ein solches abgestimmtes Marktverhalten, dass jedoch
keinerlei direkte Abstimmung unter den Beteiligten bedarf, auch in
Oligopol-Märkten, z.B. in der Mineralölindustrie. Während es sich aber
hierbei um Märkte mit sehr geringer Produktdifferenzierung handelt,
basiert das PC-Herstellungsmodell auf einem horizontalen Markt mit
völlig unterschiedlichen, aber eng zusammen gehörenden Produkten.

Dies ist eine qualitativ neue Situation, die auch in sehr engem Bezug
zur viel zitierten Informations- und Wissensgesellschaft steht und
deshalb noch weiterer wirtschaftswissenschaftlicher Untersuchungen
bedarf, wie sie derzeit u.a. in [12] in ersten Ansätzen erfolgen.

Literatur
=========

1.   LINUX is obsolete : The Tanenbaum-Torvalds Debate. in: Open
     Sources: Voices of the Open Source Revolution / Edited by Chris
     DiBona : Sam Ockman ; Mark Stone. O'Reilly, 1999, S. 221 - 251

2.   Stallmann, Richard: The GNU Operating System and the Free
     Software Movement. in: Open Sources: Voices of the Open Source
     Revolution / Edited by Chris DiBona : Sam Ockman ; Mark Stone.
     O'Reilly, 1999, S. 53 - 70

3.   Raymond, Eric: The Cathedral & The Bazaar. - Sebastopol:
     O'Reilly, 1999. auch in:
     http://www.tuxedo.org/~esr/writings//cathedral-bazaar

4.   Unterschiedliche Linux-Strategien der Hersteller irritieren die
     Anwender. in: Computerwoche 27(25.02.2000)8, S. 23 - 24

5.   D. H. Brown Associates, Inc.: Linux How Good Is It?. - Port
     Chester, NY, April 1999

6.   Schleder, Frank Michael: Großer Bruder : Linux-Distribution für
     den Serverbetrieb. - in: NetworkWorld (10.03.2000)5, S. 65

7.   Institut für angewandte Betriebswirtschaftslehre und
     Unternehmensführung, Univ. Karlsruhe: Studie. zitiert in: Kleine
     mittelständische Unternehmen profitieren von Windows. -
     Computerwoche 26(1999)43, S. 26

8.   Mindcraft, Inc.: A File and Web Server Comparison: Microsoft
     Windows NT Server 4.0 and Red Hat Linux 5.2 Upgraded to the Linux
     2.2.2 Kernel. - Los Gatos, CA, April 13, 1999

9.   CW-Wert. in: Computerwoche 27(25.02.2000)8, S. 10

10.  Fischbach, Rainer: Frei und/oder offen? From Pentagon Source to
     Open source and beyond. in: FifF-Kommunikation 16(1999)3, S. 21 -
     26

11.  Grove, Andy S.: Only The Paranoid Survive. How to exploit the
     crisis points that challenge every company and career. New York,
     N. Y.: Doubleday, 1996

12.  Zerdick, A. ; Picot, K. ; Schrape, K. ; Artope, A. ; Goldhammer,
     K. ; Lange, U.Z. ; Vierkant, E. ; Lopez-Escobar, E. ;
     Silverstone, R.: Die Internet-Ökonomie - Strategien für die
     digitale Wirtschaft. - Berlin, Heidelberg, New York: Springer,
     1999 (European Communication Council Report)

13.  Kutnick, Dale, Meta Group, CEO: Anwender kaufen Business-Portale
     nicht bei SAP und Co.: Interview zitiert in: Computerwoche 27(25.
     2.2000)8, S. 104

______________________________________________________________________

[1] Dies meint generell die Administration und Bedienung eines
Betriebssystems über Fenster-Oberflächen - in Linux beispielsweise
über Gnom oder KDE.

[2] Diese Bemerkung wurde hier bewusst nicht geschlechtsneutral
gewählt ;-) .

[3] Das Marktforschungsinstitut Meta Group hierzu: "... Zwar hat fast
jedes größere Unternehmen einen oder mehrere Web-Auftritte, aber die
sind meist nicht koordiniert und noch seltener in die interne DV
integriert." [13]

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Organisation: projekt oekonux.de

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Von/From: Dipl.-Inform. Robert Gehring
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