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Re: Arbeit, Produktion, Wert? - war: Re(2): [ox] Krise oder nicht?





Ralf Krämer schrieb:

Hallo Ingo und Interessierte,

ich bin sehr für begriffliche Klarheit,
Das finde ich gut.
aber Ingos Darstellung des Arbeitsbegriffs bei Marx scheint mir schlicht > falsch zu sein und ebenso sein daraus resultierender Vorwurf des > "Konkretionsreduktionismus".
Dem kann ich nicht zustimmen.
Im ersten Band des 'Kapital' hat Marx die Arbeit folgendermassen
definiert:

--- Zitant Anfang ---
Die Arbeit ist zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein
Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine
eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. (...)
Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten
Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat,
bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein
Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung
des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war.
--- Zitat Ende --- (MEW Bd. 23, S. 192/193)
(...)
Dies zeigt, dass Arbeit ein spezieller Begriff von Produktion ist, das
heißt der Arbeitsbegriff ist konkreter als der Produktionsbegriff.
Marx hat zum Beispiel die Tätigkeit des Lehrers als Arbeit bezeichnet:
(...)
Hierbei geht es um Komunikation, nicht um die Formung
eines Naturstoffes nach einem vorher erstellten Plan.
Alle diese produktiven Tätigkeiten hat Marx im 'Kapital' auf Arbeit
reduziert.
Dies habe ich als Konkretionsreduktionismus bezeichnet (Nach Werner
Loh).

In der Tat sieht Marx Arbeit eine spezifische Produktionstätigkeit. Aber die > Spezifik liegt nicht darin, dass es um Formung eines Naturstoffes geht, > sondern in dem spezifisch menschlichen, psychisch bewussten (und  > gesellschaftlichen) Niveau der Regulierung dieser Tätigkeit, also in dem > "vorher im Kopf" bauen. Produktion hier übrigens auch zunächst in einem ganz > allgemeinen Sinne, also sog. Reproduktionsarbeit einschließend.

Ich meine gerade, dass es wesentlich darauf ankommt, dass es um Formung
eines Naturstoffes geht. Denn die bewußte Planung setzt gerade voraus,
dass sich der Gegenstand naturgesetzlich verhält. Würde er sich mal so
und mal anders verhalten, wäre es aus mit dem Plan.
Genau hier unterscheidit sich auch die Tätigkeit eines Lehrers von der
eines Ingenieurs. Ich setze mir zwar das Ziel, z. B. den SchülerInnen
den Satz von Pythagoras beizubringen. Ich kann mir dazu Pläne machen so
viel ich will, wenn ein Schüler sich in der Situation anders verhält,
als ich es mir ausgedacht habe, ist der Plan Makulatur. Kommunikation
läßt sich nicht in dem Sinne planen wie die Konstruktion eines Autos.
Insofern unterscheidet sich Arbeit von anderen produktiven Tätigkeiten,
bei welchen Kommunikation oder Intuition oder Gefühle eine Rolle
spielen.
 
Das entscheidende von Ingo nicht beachtete Wort am Beginn des Zitats ist das > "zunächst". Im Kapital I. auf S. 531f. macht Marx sehr klar, dass der   > gesellschaftliche Arbeitsprozess insgesamt, die Gesamtarbeit, betrachtet   > werden muss, der grundlegend selbstverständlich diesen Stoffwechsel der   > Menschen mit der Natur leisten muss, aber jede Teiltätikeit im Rahmen der  > gesellschaftlichen Produktion und Arbeitsteilung ebenso als Arbeit zu   > betrachten ist. Im Kapital geht es dann weiter wesentlich enger um > Produktion und Arbeit im Kapitalismus, um abstrakte bzw. Erwerbsarbeit, > speziell Lohnarbeit, noch spezieller mehrwert-produktive Lohnarbeit, aber > das berührt nicht die Gültigkeit der allgemeineren Begriffe. Da wird also > gar nichts reduziert, sondern der allgemeine Arbeitsbegriff ist so weit, > dass er all diese menschlichen Produktionstätigkeiten (Lehrer etc.)ohne jede > Reduzierung einschließt.

Das Wort 'zunächst' habe ich sehr wohl beachtet. Aber Teilung der Arbeit
kann die grundsätzliche Schranke, welche durch die Planbarkeit gesetzt
ist, aufheben. Auch wenn der Plan sich über die Köpfe eines ganzen
Ingeneursbüro verteilt, bleibt vorausgesetzt, dass sich der Gegenstand,
der nach Plan geformt werden soll, naturgesetzlich verhält.
Der 'Gegestand' des Lehrers verhält sich eben nicht naturgesetzlich,
sondern in manchen Fällen sogar sehr widerspenstig. 
Beste Grüße

Ralf Krämer

Gruß Ingo.
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Organisation: projekt oekonux.de


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