Message 03074 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT03073 Message: 2/4 L1 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[ox] (no subject)



[1  <text/plain; ISO-8859-1 (quoted-printable)>]
Abgesang auf die Jobmaschine E-Commerce

Christiane Schulzki-Haddouti 26.07.2001 
Bundesregierung hält aber an optimistischen Zahlen fest 
Sind die Informationstechnologien Jobknüller oder Jobkiller? Eine alte Debatte, die vor einem Jahr bereits als beendet galt: Natürlich schaffen die Informationstechnologien neue Arbeitsplätze, keine Frage. Doch kaum ist die Seifenblase der New Economy am Neuen Markt zerplatzt, melden sich Stimmen, die nie an das Beschäftigungswunder geglaubt haben wollen. So freut sich jetzt die baden-württembergische TA-Akademie [0], deren pessimistische Prognose noch vor einem Jahr als Schwarzmalerei kritisiert wurde. Heute sei selbst das damals negativste Szenario noch zu optimistisch. 
Vier Szenarien hatte die TA-Akademie damals entwickelt. Die Studien ging von sieben Parametern wie "Diffusion", "Transaktionskosten" oder "internationale Verflechtungen" aus. In einem Workshop diskutierten Experten jetzt diese Parameter und kamen zu dem Schluss, dass das negativste Szenario dem Ist-Zustand am nächsten käme. Brigitte Preissl hatte in ihrem Szenario "Verzögerungsfall" prognostiziert, dass sich die Entwicklung von E-Commerce-Märkten nur kaum beschleunigt und "Verzögerungen" bei der umfassenden Einführung von E-Commerce auftreten. 

Dieses Szenario tritt dann ein, wenn die Diffusion von E-Commerce in Unternehmen und privaten Haushalten nur schleppend vorangeht, wenn das Internet zwar zur Unternehmensdarstellung und Informationsgewinnung, nicht aber zur Durchführung von Transaktionen genutzt wird. Dann werden auch die durch Aufbau der notwendigen Infrastruktur ausgelösten Beschäftigungsimpulse nicht zum Tragen kommen.	
Brigitte Preissl	
Laut TA-Akademie zeigten neueste Untersuchungen, "dass unterm Strich durch den elektronischen Warenverkehr keine neuen Stellen geschaffen werden". Die neu entstandenen Jobs seien an anderer Stelle wieder eingespart worden. Im Business-to-Business-Bereich beispielsweise wurden zwar Stellen für Produktentwickler geschaffen, dafür entfielen jedoch Vertreterstellen. Weniger qualifizierte Mitarbeiter werden durch höher qualifizierte ersetzt. "Es wird die Herausforderung der nächsten Jahre sein, auch Stellen für weniger Qualifizierte, etwa im Service-Bereich, zu schaffen", schlussfolgert jetzt Gerhard Fuchs von der TA-Akademie. Es habe aufgrund des Rationalisierungseffekts lediglich einen Umbau von Arbeitsplätzen gegeben, jedoch keine Zunahme. 
Für die Bundesregierung sind das traurige Nachrichten. Sie ließ sich sogar in ihrem 1999 propagierten IT-Aktionsprogramm [1] dazu hinreißen, die Zielmarke von 250.000 neuen Arbeitsplätzen bis 2001 festzuschreiben. Eine für das Bundeswirtschaftsministerium ( BMWi [2]) vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung erstellte Studie [3] vom Mai 2000 ging sogar von 750.000 neuen Arbeitsplätzen bis 2010 aus - Rationalisierungseffekte seien bereits berücksichtigt worden. Eine Vertreterin von RWI gab auf dem Workshop der TA-Akademie jedoch zu, dass die Zahlen heute deutlich nach unten korrigiert werden müssten. 
In dem BMWi-Trendbericht Monitoring Informationsgesellschaft [4] vom Mai 2001 hieß es jedoch auch noch unvermindert optimistisch: 
			
	"Die Zahl der Arbeitsplätze in der Informationswirtschaft wird in den nächsten Jahren weiterhin zunehmen. Das Wachstum auf den informationswirtschaftlichen Teilmärkten wird hoch bleiben und oberhalb aller anderen Branchen in der Volkswirtschaft liegen. Die weitgehendsten Arbeitsplatzgewinne finden im E-Commerce statt." 		
			
Das einzige Problem bestünde darin, dass die Informationswirtschaft als Jobmaschine "besser funktionieren" könnte, "wenn sich die bestehenden Qualifikationsengpässe kurzfristig abbauen ließen". Neuere Zahlen liegen der Bundesregierung noch nicht vor. Eine Arbeitsgruppe des Ministeriums unter dem Vorsitz von Staatssekretär Sigmar Mosdorf will sich diese Tage nun in einer Klausurtagung mit der Frage beschäftigen, ob und wie sich Innovation und Arbeitsplätze doch noch unter einen Hut bringen lassen. 
Mit der Nachfrage im E-Commerce scheint es allerdings ebenfalls zu hapern. "42 Prozent der Internetnutzer haben in den letzten 12 Monaten elektronisch Waren eingekauft", fand Michael Schenk von der Universität Hohenheim heraus. Peter Zoche vom Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung in Karlsruhe zeigt sich jedoch optimistisch und glaubt, dass "neue Dienste und Zugangstechnologien etwa über Handys die Zahlen in absehbarer Zeit noch steigern könnten". Aufgrund der vorliegenden Daten bezeichneten es Schenk und Zoche aber als unrealistisch, dass, wie es in den optimistischen Szenarien prophezeit worden war, bis 2005 25 Prozent aller Haushalte E-Commerce betreiben. 
Eine Voraussetzung für den weiteren Aufschwung ist nach Ansicht von Ralf Mytzek vom "Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung" die Standardisierung und damit die einfachere Handhabung von Zahlungssystemen im Internet. Das würde zu einer deutlich höheren Akzeptanz führen, weil die Sicherheit von den Kunden als grundlegende Bedingung für die Teilnahme am virtuellen Warenverkehr gesehen wird. Allerdings wird auch eine Rolle spielen, dass beliebte Verfahren wie Lastschrift von vielen Anbietern nicht angeboten werden. Sie konzentrieren sich auf die hier im Vergleich zu den USA wenig verbreitete Kreditkarte. 
Die Wissenschaftler setzen daher auf Impulse des Staates. Er müsste Pilotprojekte fördern und deutliche Anreize geben, auf E-Commerce umzustellen. So sollten "Ausschreibungen und Auftragsvergabe in Zukunft ausschließlich auf elektronischem Wege erfolgen", meint Arnold Picot von der Universität München. Den Staat als Auftraggeber darf man in der Tat nicht unterschätzen: Immerhin vergeben über 30.000 öffentliche Auftraggeber Aufträge im Wert von rund 500 Milliarden Mark. Tatsächlich hat die Bundesregierung bereits Anfang Juni den Startschuss für ein drei Millionen schweres Pilotprojekt für die elektronische Auftragsvergabe vom Bleistift bis hin zur Autobahn gegeben. Bis 2005 will sie dann alle internetfähigen Dienstleistungen online gebracht haben. 
Links 
[0] <http://www.ta-akademie.de>
[1] <http://www.bmwi.de/Homepage/download/akproginfgesellsch.pdf>
[2] <http://www.bmwi.de>
[3] <http://www.bmwi.de/Homepage/download/infogesellschaft/RWIkomplett.doc>
[4] <http://www.bmwi.de/Homepage/download/infogesellschaft/Trendbericht.pdf>

Artikel-URL: <http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/9181/1.html> 

Copyright © 1996-2001 All Rights Reserved. Alle Rechte vorbehalten
Verlag Heinz Heise, Hannover 
[2  <text/html; ISO-8859-1 (quoted-printable)>]

[3  <text/rtf; ISO-8859-1 (quoted-printable)>]

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT03073 Message: 2/4 L1 [In index]
Message 03074 [Homepage] [Navigation]