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Re: [ox] Russische Avantgarde - Parallelen und Unterschiede zu heute



Hallo Kurt-Werner und Liste!

On Mon, Jul 30, 2001 at 04:48:01AM -0400, KXX4493553 aol.com wrote:
Lieber Benni, das sind einfach nur Beobachtungen von mir aus meinem näheren 
"Dunstkreis", und ich habe damit keinerlei Anspruch auf Repräsentativität 
verbunden (es handelt sich da um 18-20jährige Jugendliche). Und dass großer 
kommerzieller Erfolg und weltfremdes Verhalten sich nicht unbedingt 
ausschließen, zeigt ja Bill Gates höchstselbst. 

;-) Treffer. Ich denke aber schon, dass die FS-Szene nicht in einem
Hippiesinn weltfremd ist, also man sie als "Aussteiger" bezeichnen könnte.

Ich habe auch einen gewissen Verdacht, dass nicht wenige Freesoftwareler mit 
dem Gedankengut der "Anarchokapitalisten" sympathisieren, die ja behaupten, 
dass Eigentum geradezu der Garant von "Freiheit, die ich meine" ist.

Ja, das ist das was ich mit "rechtslibertär" meinte. Raymond ist Mitglied in
der National Rifle Association (ich glaub so heissen diese durchgeknallten
Waffennarren, oder?).

Diese Art von "Anarchismus" beruft sich mit Vorliebe auf einen Philosophen 
des 19. Jahrhunderts, Max Stirner und sein "Der Einzige und sein Eigentum", 
der Titel sagt schon alles, ein Buch, das übrigens schon von Marx 
auseinandergenommen wurde.

Den Anarchismus braucht man da garnicht in Anführungszeichen zu setzen. Das
ist ja das Problem mit dem Anarchismus, das man damit soviel Schindluder
betreiben kann. Deswegen sind ja auch Konzepte wie "freie Kooperation"
wichtige Weiterentwicklungen anarchistischer Ideen.

Aber es wäre überhaupt mal interessant, eine soziologische Erhebung über die 
Angehörigen dieser "Szene" zu machen, damit sich der Nebel ein wenig lichtet 
und man ein wenig mehr über die Zusammensetzung dieser Leute erfährt: 
Schichtzugehörigkeit, Bildungsgrad, Hautfarbe (wahrscheinlich sogar sehr 
wichtig), politische Überzeugungen usw. Sonst reden wir (besser so?) über ein 
unfaßbares Mysterium.

Es läuft gerade eine Webumfrage zu dem Thema. Leider find ich die URL nicht
mehr. Es kam letztens über Slashdot. Vielleicht hat ja sonst jemand das
hier? Ergebnisse gibts aber noch keine und ich glaube nach Hautfarbe wurde
nicht gefragt. Da braucht man aber auch kein Hellseher zu sein, um die
FS-Szene als weisse männliche westliche Mittelschicht zu "entlarven".

Im Übrigen vielen Dank, Benni, für den Tipp mit Perl. Werde ich mir mal zu 
Gemüte führen. Nur noch eine kurze Anmerkung dazu: Programmiersprachen 
beruhen auf dem Binärcode, richtig? 

Jein. Kommt drauf an, was Du als "beruhen auf" verstehst. Sie werden in
Digitalcode übersetzt und die Maschiene, die ein programmiersprachliches
"Werk" ausführt funktioniert nach dem digitalen Prinzip. Aber
programmiersprachliche Anweisungen kann man genauso als Anweisungen an eine
abstrakte Maschiene verstehen, die nicht zwingend digital sein muss.
Tatsächlich besteht ja der Vorgang des Programmierens gerade darin, in
Gedanken die Anweisungen an die Maschiene nachzuvollziehen.
Programmiersprachen versuchen diese Kluft zwischen Menschen und Maschienen
zu verkleinern, in dem sie höhere abstrakte Konzepte als nur Nullen und
Einsen einführen: Variablen, Funktionen, Objekte, Module, ...

Ist das nicht das "Wesen des Digitalen"? 
Ein Computer kann sicherlich Gedichte schreiben oder sogar den Stil eines 
Autors nachäffen (es gibt sogar schon Bücher, die von Computern "produziert" 
wurden, es gibt inzwischen ein Nachfolgeband von "Vom Winde verweht", 
ausschließlich computergeneriert, und ist ein Bestseller geworden) - 
Letzteres kann man über Stilanalyse, Häufigkeit bestimmter syntaktischer 
Konstruktionen, Häufigkeit verwendeter Wörter etc. erreichen -, aber ob das 
wirklich dann nach Gedicht oder Roman "klingt", ist dann eine andere Frage... 
bei Trivialliteratur mag das gelingen, siehe "Vom Winde verweht" 2, aber 
würdest du dir so'n Buch kaufen?

Vielleicht schon, aus Neugier. Das ist aber nicht so wichtig.

Zudem habe ich von der Hirnforschung gehört, dass man neuerdings das alte 
Postulat von KI "das Hirn ist lediglich ein komplizierter Computer" für 
überholt hält und allmählich davon Abschied nimmt. Die Herrschaften haben's 
sich da offenbar doch etwas zu einfach gemacht.

Die KI-Diskussion ist bestenfalls als offen zu bezeichnen, aber das ist auch
nicht die Diskussion die wir hier gerade führen. Es ging ja nicht darum, ob
Maschienen Poeten sind, sondern ob Informatiker welche sein können oder ob
Poeten Informatiker sein können.

Allerdings reproduzierst Du damit tatsächlich ein unbewusstes(?) Vorurteil
der Poeten/Geisteswissenschaftler/..., dass nämlich Informatiker und
sonstige Nerds im Prinzip wie Maschienen seien. Das ist auch ein Teil der
Hürden zwischen den Welten. Tatsächlich ist ja auch was wahres dran, da man
sich eben beim programmieren wirklich ein Stück weit in die Maschiene
"hineinversetzen" muss. Daraus aber zu folgern, dass Informatiker nur
intelligent seien, wenn sie eine KI bauen können, geht dann doch ein wenig
zu weit ... obwohl wenn ich mir manche meiner Studienkollegen so angucke ;-)

Grüße, Benni

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