Re: [ox] GPL und OpenSource
- From: Casimir Purzelbaum <casimir.purzelbaum utopix.net>
- Date: Sat, 7 Jul 2001 10:01:19 +0200
On Sat, Jul 07, 2001 at 12:39:21AM [PHONE NUMBER REMOVED], thomas co-buero.de wrote:
[Benni:]
Wichtig ist, dass man sich klar macht _was_ die GPL verknappt. Es ist eben
nicht das Produkt, dass sie lizensiert, sondern bestimmte Vertriebsformen
des Produktes. Das ist ein wesentlicher Unterschied.
Das sehe ich nicht ganz so. Sie macht, falls ich Programmierer bin und
mehr oder weniger gezwungen für eine Firma programmiere, es mir
unmöglich bereits von anderen Gedachtes für meine persönlichen (durch
Abhängigkeit erzwungenen) Belange einzusetzen und verknappt also
direkt Wissen, nicht nur eine Vertriebsform.
Die GPL "verknappt also direkt Wissen" weil sie dessen Einsatz
in Verknappungsgebieten verbietet. Zumindest das Wort "direkt"
kann ich in diesem Zusammenhang nicht teilen. Denn das hieße,
ich würde es für _natürlich_ halten, daß Wissen knapp ist.
Man könnte in Analogie dagegen wettern, daß der Rat der Tiere
beschließt, die Umzäunung der ihm noch zur Verfügung stehenden
Wiesen zu verbieten. Das bedeutet natürlich aus Sicht der
Einheger eine Verknappung der Umzäunungspotenzen.
Wichtig ist, daß es sich hier nicht einmal um eine aktuelle
Verknappung handelt, sondern nur um die Verhinderung bestimmter
Gebrauchsformen, genauer: Mißbrauchsformen.
Für die Gefangenen der umzäunten Wiesen bedeutet dies allerdings
eine Verdüsterung ihrer expansiven Aussichten. Aber Verknappung
kann man dies wohl kaum nennen, wenn man sich nicht auf ihre
Seite stellen möchte.
Ebensowenig, wie die Beschränkung der zulässigen
Luftverschmutzung als Verknappung bezeichnet werden kann, da
hier nicht Luft verknappt wird. -- Außer natürlich für die,
die nichts besseres mit ihr vorhaben, als sie zu verschmutzen.
Knappheit ist also kein objektiver Begriff, sondern ist a
priori Subjekt-bezogen und verrät sehr viel über die Zwecke,
die ein Subjekt verfolgt. Ob es sie aus eigenem Interesse
verfolgt oder gezwungenermaßen, daß hat auf den ideologischen
Gehalt der Verwendung von "Knappheit" keinen Einfluß.
Die Frage ist also auch noch vergleichbar mit der berühmten
Frage danach, ob ein Selbstverteidiger wohl ein gewaltsamer
Mann sei. Da man Gewalt nicht ohne Gewalt abwehren kann,
ist es ein leichtes, ihn der Gewalttätigkeit zu bezichtigen.
Das einzige Problem ist, daß man damit die wahren Verhältnisse
umgekehrt. Ebenso werden in der These, die GPL verknappe das
Wissen, die Verhältnisse pervertiert. Denn was sie verknappt,
das ist die Ausweitung der Knappheit von Wissen, also die
Verknappung von Wissen. So wie die Gegengewalt die Ausweitung
der Gewalt "gewaltsam"(?!) verhindert.
Auf logischer Ebene kann man das Spielchen sicher unendlich
fortsetzen. Wer das tut, hat seine Ideologie als reaktionäre
entlarvt bzw. sich als Apologet geoutet.
Denn, diese Form der "Verknappung" anzuklagen, heißt doch nur,
die Nachteile der Knappheit geringer einzuordnen, als die
Nachteile der Nicht-Knappheit:
- Unter GPL bleibt der Programmierer von proprietärer SW von
der Nutzung ausgeschlossen.
- Unter proprietären Lizensen bleiben fast alle anderen
Programmierer von proprietärer SW als auch alle anderen
Programmierer und alle Anwender und Benutzer sowie potentielle
Interessierte von der Nutzung (bestimmter Aspekte) der SW
ausgeschlossen (sofern sie nicht bereit sind, sich ebenfalls
beim Eigentümer der SW zu verdingen).
Letzteres ist es aber, was der Programmierer von proprietärer SW
macht, also auch mit der bisher freien SW machen "will" (also
soll bzw. wozu er sich gezwungen sieht). Ihn (in dieser
Funktion) in Schutz zu nehmen, heißt also alles dieser Funktion
unterwerfen zu wollen. Und außerdem heißt es, das Motiv zum
Programmieren, welches über das sich-dem-Zwang-unterordnen
hinausgeht, als minderwertig zu betrachten. Warum sollte
eigentlich ein Programmierer, der nicht (nur) aus Lust am
Resultat programmiert, mehr Zugang zu Wissen haben, als einer,
dem es "nur" um die freie Entwicklung des Wissens zu tun ist (der
sie also nicht gleichzeitig Beschränkungen unterwirft)?!
Freies Programmieren wird nicht durch die GPL verknappt, sondern
durch die Bedingungen, die den Programmierer dazu zwingen, unfrei
zu programmieren. Bei denen soll er sich auch bitteschön
beschweren.
Ist also politisch.
Ja, genauso politisch, wie die Beschwerde, die GPL bedeute
Verknappung!
Gruß,
Casimir.
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