[ox] TELEPOLIS: Freie Software Rechtlich sicher?
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- Date: Tue, 26 Jun 2001 14:59:45 +0200 (MET DST)
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Freie Software ? Rechtlich sicher?
Axel Metzger 24.06.2001
Freie Lizenzen ? Juristisch wasserdicht, aber auf das amerikanische
Recht zugeschnitten
Es ist erstaunlich, mit welchem Gottvertrauen europäische
Risikokapitalgeber und Softwarefirmen viele Millionen Mark in den neuen
Markt der Freien Software pumpen, ohne sich über die Rechtssicherheit
im Umgang mit GNU/Linux und den anderen Freien Programmen zu sorgen.
Man scheint sich sicher zu sein, dass die Verfasser der GNU General
Public License, des Free BSD Copyright und der Mozilla Public License
ihre Arbeit gewissenhaft erfüllt haben, so dass die Freiheit der
Nutzung und Weiterentwicklung der Software in rechtlicher Hinsicht auf
festem Boden steht. Dies hat zwar bislang kein Gericht der Welt
bestätigt. Aber es wird schon gut gehen.
Fakt ist, dass die wichtigsten Freien Lizenzen in der Tat nach allen
Regeln der Kunst juristisch wasserdicht konstruiert worden sind, dies
gilt in besonderem Maße für die GNU General Public License, die für den
gesamten Markt des Betriebssystems GNU/Linux die relevante Lizenz
darstellt. Leider wird dabei nur allzu häufig übersehen, dass die
Lizenz auf das US-amerikanische Recht zugeschnitten ist. Im
europäischen Recht gehen die Uhren anders. Was jenseits des Atlantik in
einer Lizenz in wirksamer Weise vereinbart werden kann, muss in Europa
noch lange nicht genau so reibungslos funktionieren.
In juristischen Fachkreisen wird die Wirksamkeit der Lizenzen in
Deutschland und Europa deshalb lebhaft diskutiert. Überwiegend werden
die zentralen Bestimmungen als rechtlich bindend bewertet. In
Einzelfragen bestehen aber durchaus Unstimmigkeiten zwischen dem
Konzept der Freien Software und den Schutzvorschriften zugunsten des
Urhebers, die sich im deutschen Urheber- und Vertragsrecht finden.
Amerikanisches und Europäisches Urheberrecht basieren auf
unterschiedlichen Philosophien. Nach amerikanischer Lesart stellt das
Urheberrecht ein Wirtschaftsgut dar. Es herrscht der Grundsatz der
Vertragsfreiheit. Wenn der Urheber seine Rechte an einem Werk
vollständig übertragen möchte, so ist dies möglich.
In Europa stellt man sich das Urheberrecht zwar als Wirtschaftsgut,
zugleich aber als Persönlichkeitsrecht des Urhebers vor, vergleichbar
dem Recht am eigenen Bild oder der Privatsphäre. Deswegen finden sich
im deutschen und im französischen Recht Vorschriften, die eine völlige
Veräußerung des Rechts an einem Werk für unzulässig erklären. Schließt
ein Urheber einen solchen Vertrag, so ist dieser ohne rechtliche
Wirkungen. Verträge im Bereich des Urheberpersönlichkeitsrechts sind
nur unter engen Voraussetzungen möglich. Die für alle Freien und Open
Source Lizenzen typische Freiheit der Nutzer, die Software wie es ihnen
beliebt umzugestalten, stellt ein solches Rechtsgeschäft über das
Urheberpersönlichkeitsrecht dar. Hier bestehen Reibungspunkte zwischen
den Lizenzen und dem europäischen Urheberrecht.
Gesetzentwurf pro Freie Software
Die Vertragsfreiheit in Europa ist jedoch noch aus einem weiteren
Gesichtspunkt eingeschränkt. Das Urheberrecht verfolgt den
Grundgedanken, den Urheber vor zu weitgehenden, nachteiligen Verträgen
zu schützen. Bereits das gegenwärtige Recht ist durchsetzt mit
Regelungen, die pauschale Übertragungen der vermögenswerten Rechte über
das Werk einschränken. Der jetzt vom Bundeskabinett verabschiedete
"Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von
Urhebern und ausübenden Künstlern" ist in diese Tradition einzureihen (
Justizministerin kämpft gegen die Entrechtung der Kreativen [0]).
Bemerkenswert ist, dass der Entwurf die Gelegenheit wahrgenommen hat,
die Konfliktflächen zwischen europäischem Urheberrecht und "Copyleft"
nicht noch weiter zu vergrößern. Der Kabinettsbeschluss stellt den
ersten Gesetzentwurf in Deutschland dar, der sich den Sorgen und
Einwendungen der Freien Software-Szene angenommen hat. Bei den
augenblicklichen Mehrheiten im Parlament erscheint eine Verabschiedung
als durchaus wahrscheinlich.
Was sieht der Entwurf im Einzelnen vor? Zentral ist die in § 32 UrhG
(Entwurf) vorgeschlagene Regelung. Danach soll der Urheber künftig
einen gesetzlichen Anspruch auf "angemessene Vergütung" gegenüber all
denjenigen haben, die sein Werk nutzen. Dieser Anspruch ist im
Grundsatz als unverzichtbar ausgestaltet. Es ist unerheblich, wie
nachteilig die Vertragsbedingungen im Einzelnen auch sind, die dem
Urheber aufgenötigt werden. Sein Anspruch auf angemessene Vergütung ist
durch gegenteilige Verträge nicht tangiert.
Die ursprüngliche Fassung [1] des Gesetzentwurfs hatte keine
Ausnahmen von der Vergütungspflicht vorgesehen. Für Freie
Softwarelizenzen hätte dies zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt.
Auch wenn die Verfechter der Freien Software nicht müde werden zu
erklären, dass Freie Sofware mehr als "Gratissoftware" bedeutet, so
muss doch festgehalten werden, dass der Verzicht der Urheber auf
Lizenzgebühren eine der zentralen Eigenschaften und Erfolgsmotoren der
Freien Software darstellt. Was nun aber wenn ein Programmierer seine
Software einer Freien Lizenz unterstellt, um dann später seinen
"gesetzlichen Vergütungsanspruch" gegen Distributoren und Nutzer
geltend zu machen? Die Folgen wären fatal, das Modell Freier Software
insgesamt in Frage gestellt.
Diese Gefahren hat man auch im Bundesjustizministerium gesehen und
sich zu einer Ausnahmevorschrift für Freie Software durchringen können.
In den Gesetzentwurf wurde eine Ausnahme vom gesetzlichen
Vergütungsanspruch für Freie Software und sonstigen "Open Content"
aufgenommen: "Auf den Anspruch auf angemessene Vergütung kann im voraus
nicht verzichtet werden, soweit der Urheber nicht jedermann
unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht einräumt." Die Formulierung
geht auf eine Stellungnahme [2] (PDF-Datei) des Instituts für
Rechtsfragen der Open Source Software [3] zurück. Erfasst sind dadurch
alle Freien und Open Source Lizenzen. Der Fortbestand der
Lizenzgebührenfreiheit ist scheint einstweilen gesichert.
"Deutsche GNU General Public License"?
Hat diese Initiative des Gesetzgebers Modellcharakter, werden dann
weitere Anpassungen des Urheberrechts an die besonderen Anforderungen
Freier Lizenzmodelle durchzusetzen sein? Dies ist zwar möglich, aber
zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig wahrscheinlich. Das Freie
Software-Lager wäre deswegen schlecht beraten, sich zurückzulehnen und
dem Gesetzgeber die Verantwortung für die Beseitigung der restlichen
Unstimmigkeiten zu zuschieben.
Auf der Seite der Free Software Foundation findet sich seit kürzerer
Zeit die Ankündigung [4], man werde in Zukunft die Erstellung von
speziellen Versionen der GNU General Public License, die auf die
Bedürfnisse eines Landes zugeschnitten sind, unterstützen. Diese
Lizenzen sollen in der jeweiligen Landessprache eine behutsame
Anpassung der Lizenzvorschriften an die Regelungen des jeweiligen
nationalen Rechts mit sich bringen. Die Initiative ist wichtig, ließen
sich doch durch eine bindende deutschsprachige Version mit einigen,
unvermeidlichen Anpassungen an das hiesige Recht die bestehenden
Reibungen weitgehend beseitigen.
Die Free Software Foundation Europe [5] hat in Frankreich mit den
Arbeiten an einer solchen Lizenz bereits begonnen. Am 4. Juli findet in
Bordeaux ein Treffen [6] französischer und amerikanischer
"Copyleft"-Juristen statt, um über den gegenwärtigen Stand der Arbeiten
zu verhandeln.
Links
[0] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/7777/1.html
[1] http://www.bmj.bund.de/inhalt.htm
[2] http://www.ifross.de/ifross_html/urhebervertragsrecht.pdf
[3] http://www.ifross.de
[4] http://www.fsf.org/copyleft/gpl-faq.html#GPLTranslations
[5] http://www.fsfeurope.org
[6] http://france.fsfeurope.org/press/pr-gpl-lsm.en.html
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