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Re: [ox] Re: Kooperation



On Tue, May 08, 2001 at 07:14:42PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Meretz wrote:
Da tust Du Christoph IMHO unrecht. Die Ebene der abstrakten
Kooperation gibt es bei ihm auch. Dort ist das die Metapher vom
"alienistischen Programm". Das war für mich gerade einer der
erhellenden Momente bei der Lektüre, nämlich die Beschreibung wie
sich dieses abstrakte Moment auf die unmittelbare Kooperation
auswirkt.

Ja, das hat was, ging mir beim Lesen auch so. Und wir haben es ja
auch in den Gegenbildern verwendet.
Aber Spehr ist es immer noch personal gedacht. Es ist schon mal ein
Schritt weg vom Denken in "Schuld" und so, aber selbst wo er von
Strukturen schreibt, sind es immer irgendwelche Aliens, die die
Strukturen betreiben (z.B. in dem Kapitel "Einssein mit den Borg").
Siehe z.B. die "Alienisierung der Krabbelgruppe". Warum tun sie
(also auch wir) das? Woher kommt das alienistische Programm?

Ich sehe das nicht als Schwäche sondern als Stärke. Es sind am Ende
immer Personen die Herrschaft ausüben. Und es gibt immer welche, die
sich dazu hergeben und immer welche, die sich dagegen entscheiden.
Ich finde das enorm wichtig, dass man diese Handlungsfreiheit hat.
Natürlich muss ich mich irgendwie verwerten, aber die Härte mit der
ich es mache kann extrem unterschiedlich ausfallen. Und es ist doch
für unseren Alltagsverstand meist auch ziemlich offensichtlich das
sich da wer als Arschloch verhält. Wenn ich dessen Arschloch-Sein
wegdiskutiere, weil er sich ja nur kybernetisch-maschinell verwertet,
dann ist mir das zu wenig. Natürlich geht es nicht darum jetzt
wieder ein paar Leute rauszudeuten, die man dann nach der Revolution
hängen sehen will aber es geht zum Beispiel darum, mit wem man sich
verbündet und mit wem nicht. Und gerade die "Alienisierung der
Krabbelgruppe" ist ein Phänomen, das eben nicht nur durch
Verwertungslogik erklärbar ist.

Wenn man nur einen abstrakten Prozess ganz ohne solche Unterschiede
hat, dann kommt man sehr schnell in einen Zustand der Ohnmacht und
Verzweiflung.

Oder: Im Bild der kybernetischen Maschiene sind wir alle Rädchen.
Beim alienistischen Programm gibt es auch noch den Maquis.

Letztlich ist es eine Metapher für die kybernetische Maschine, aber
das bleibt dunkel.

Für mich ist die kybernetische Maschiene nur _eine_ Implementierung
des alienistischen Programms, es gibt jedoch auch andere und für
viele Leute sind die wichtiger. Ein Beispiel wären die Kirchen. Die
funktionieren nicht nach Verwertungslogik und trotzdem
zentralisieren sie Verfügungsgewalt. Oder an den Unis, da wo sie
noch nicht neoliberalisiert wurden. Das kann man mit Verwertung
alleine nicht erklären, das sind andere Formen von Herrschaft. Oder
das Patriarchat, oder ...

Für mich ist das alienistische Programm eine Metapher, die
Gemeinsamkeiten an diesen unterschiedlichsten Herrschaftsstrukturen
offenlegt und die mir hilft Handlungen zu beurteilen und in letzter
Instanz auch ob sie "gut" oder "böse" sind. 

Du schreibst, das Du diese Wörter nicht magst, aber letzten Endes
geht es doch genau darum: Rauszufinden, wie man handeln _soll_. Das
ist eine ganz altmodisch moralisch normative Frage. Und da geht es
eben auch um Personen. 

Ich bin auch Materialist aber trotzdem glaube ich, dass man ohne
Moral nicht auskommt. Denn das allerwichtigste ist immer: Die
Menschen können entscheiden.

Ich denke, du siehst das ganz ähnlich, vielleicht nur mit eben
anderen Akzentuierungen. Ich seh Dich da auf halbem Weg zwischen
Krisis und Spehr ;-)

Das ist der Moment der mir bei Dir tendenziell zu kurz kommt. Man
gewinnt oft den Eindruck da gäbe es nur die böse abstrakte Maschiene
und dann die guten unmittelbaren Kooperationen, die man nur von der
Maschiene befreien müsste und dann ist der Weg frei für ein besseres
Leben. Ich weiss, das Du das wahrscheinlich nicht so siehst (oder?),

Nee, insbesondere deswegen nicht, weil die unmittelbaren
Kooperationen als Grundlage für die gesellschaftliche Reproduktion
nicht ausreicht. Unmittelbare Kooperationen können nicht auffangen,
was die kybernetische Maschine eben leistet: sie läuft auch ohne je
mein unmittelbares Zutun. Das ist ja das, was mir bei Spehr an
Tiefergehen fehlt (als Metapher ist es irgendwie drin, aber eben
"dunkel").

Naja, aber den Ersatz für die kybernetische Maschiene in einer
besseren Welt hat ja sonst jetzt auch noch niemand gefunden, oder?
Ansonsten bitte Mail an mich! Wir stochern so ein bisschen im Nebel
rum. Bei Dir ist es die Keimform und bei Spehr die "fünf Politiken".
Du denkst das eher von hinten nach vorne und Spehr umgekehrt. So
würde ich das sehen.

ich sag ja auch nur, dass es manchmal so rüberkommt.

Oh, danke, das ist ein wichtiges Feedback für mich. Jede isolierte
Betonung von einzelnen Aspekten steht in der Gefahr, so einseitig
wahrgenommen zu werden. Ich ringe darum, gerade hier in der Liste
kurz zu schreiben. Ich habe den Eindruck, längere Texte liest eh so
gut wie keine/r. Jedenfalls ist das Feedback auf kurze Texte
bedeutet stärker. Na ja, und dann reite ich eben am liebsten auf der
abstrakten Maschine rum, weil mir das oft zu kurz kommt.
Wahrscheinlich auch deswegen, weils für meine Überwindung des alten
Denkens im Arbeiter-Kapitalisten-Schema so wichtig war.

Ja, ich glaube das ist es, wo solche unterschiedlichen
Akzentuierungen herkommen - persönliche Geschichten. Ich hatte nie
so richtig was mit dem alten Arbeiterbewegungsmarxismus zu tun (als
mein Vater in den 70ern in der K-Gruppe war hab ich noch nix
mitgekriegt ;-) und deswegen auch nicht das Bedürfnis mich davon
abzugrenzen wie es ja bei den Krisis-Leuten extrem ist. Ich habe
aber sehr wohl das Bedürfnis mich gegen nicht-wertförmige Herrschaft
zu wehren - weil ich die erlebt habe.

Deswegen ist es ja auch so enorm wichtig, dass es unterschiedliche
Ansätze gibt. Die "eine" Theorie wird es nicht mehr geben, alleine
schon weil unsere Geschichten alle viel zu
postfordistisch-postmodern sind um noch als einheitliche
"Zielgruppe" funktionieren zu können. Es gibt ja nicht nur kein
einheitliches revolutionäres Subjekt mehr, sondern eben auch kein
einheitliches Erkenntnissubjekt. Und deswegen liegt mir auch die viel
beschworene "Offenheit" von Oekonux so am Herzen. "Open Theory" im
Wortsinne sozusagen.

Grüße, Benni

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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