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[ox] Re: Ideologie und so



Hi Benni, Dirk, Lutz, alle!

4 days ago Benni Baermann wrote:
On Wed, May 02, 2001 at 01:35:30PM [PHONE NUMBER REMOVED], Dirk Herrmann wrote:
Angehörige des ultralinken Spektrums versuchen, all das von der Community
Erreichte in einen politischen Deckmantel zu verpacken und hundert Jahre
alte Ideologien versuchen rekursiv auf die heutigen Entwicklungen zu
projezieren, was für mich als Ökonom (wenn ich das mal so sagen darf),
aber auch als Mensch völlig unsinnig ist und demzufolge auch zu Recht von
der Fachpresse (dazu zähle ich u.a. das Heise-Archiv) zerrissen wird.

Ich habe nur wenig von "hundert Jahre alten Ideologien" gesehen auf
der Konferenz. Ich kann auch nicht sehen, wie es "hundert Jahre alte
Ideologie" sein soll, wenn man sich teilweise auf Marx bezieht. Die
liberalen Ökonomen - zu denen Du ja wahrscheinlich auch gehörst,
stehen schliesslich auch in einer Tradition von Adam Smith u. a.

Ja, diese Offenlegung der zugrundeliegenden Ideologien und dann eine
Erörterung der Theorien die diesen wiederum zugrundeliegen, fände ich
auch höchst wünschenswert. Auf der Liste haben wir das ja schon oft zu
den verschiedensten Themen gemacht und gerade eine intensivere Debatte
über betriebs- / volkswirtschaftliche Themen fände ich hier super
spannend - auch wenn uns Sabine hier den einen oder anderen Hinweis
schon gegeben hat. Dazu finde ich es nützlich für unser aller
Erkenntnisinteresse, mit Dirk jemenschen hier zu haben, der sich wohl
im Fach auskennt und gleichzeitig genügend open-mindedness
mitzubringen scheint, um - wie wir alle - auch abweichende oder gar
diametral entgegengesetzte Meinungen auszuhalten.

Vielleicht solltest Du einfach mal Deine Scheuklappen ablegen?

Dieser Aufruf geht an uns alle - auch wenn viele da wohl schon recht
weit gekommen sind.

Sponsoring hat halt immer seinen Preis.

Ja. Einen Preis, den ich z.B. nicht bereit wäre zu zahlen, wäre
inhaltliche Einflußnahme irgendwelcher Art.

Wenn wir uns von IBM hätten
Sponsorn lassen hätte das wieder andere abgeschreckt.

Vermutlich.

Vielleicht
sollte man drüber nachdenken die nächste Konferenz mit weniger
Sponsoring zu schaffen. Ich (und ich glaube auch die meisten
anderen) sind sicherlich bereit einen kleinen Konferenzbeitrag von
20-40DM oder so aufzubringen.

Dazu gibt's exakt zwei Möglichkeiten (das (manchmal) Schöne an Geld
ist ja seine Linearität, weswegen es nur zwei Möglichkeiten geben kann
;-) ): Ausgaben vermindern oder Einnahmen erhöhen. Zur Ausgabenseite
werden wir in einigen Wochen Genaues wissen und können dann besser
überlegen, wo wir sparen können. Bei der Einnahmeseite würde ich auch
auf einen e.V. setzen, der Mitgliederbeiträge und Spenden
entgegennehmen könnte.

Vielleicht hätte man hier mal einen oder mehrere Vertreter
dieser Firmen einladen sollen; ich selbst hatte mit Innominate und
Siemens Gespräche, die wohl einige Missverständnisse hier hätten
beseitigen können.

Sicher, warum nicht. Ich fände das zwar langweilig ausser ich hätte
gerade mal Lust auf eine Art intellektuelles Sparing.

Das ist mir erst ein paar Tage vor der Konferenz eingefallen, z.B.
jemenschen von SuSE einzuladen. Für die nächste Konferenz würde ich
mir das unbedingt wünschen, einfach um mal einen von denen da zu
haben, über die wir hier ja auch ab und zu reden. Diesen
Realitäts-Check fand ich mit das Wichtigste an den Inhalten der
Konferenz, weswegen ich auch die Vorträge interessant fand, bei denen
ich echt was Neues lernen konnte.

Nur als Anregung (ich hatte es schon mit einigen auf
dem Gang diskutiert) könnte man sich ja mal Gedanken darüber machen, was
zum Beispiel die Entwicklung eines 4GB-Patches für Konsequenzen für Linux
hat(-te)

Och. Ja, das wäre sicher wahnsinnig wichtig und ohne kommerzielle
Hilfe würde sowas natürlich niemals zustande kommen.

Ich will das nochmal auf den Punkt bringen. Die Verbreitung von
Gnu/Linux ist für mich wichtig, aber nicht der zentrale Punkt. Diese
Denke nach der die Ausbreitung von Gnu/Linux das Wichtigste ist,
bewegt sich in konkurrenzförmigen Beziehungen, Marktdominanz etc.
Diese Kategorien interessieren mich aber bestenfalls mittelbar.

Unmittelbar interessiert mich dagegen, daß Gnu/Linux wegen seines
*konkreten Nutzens* in vielerlei Hinsicht für viele Menschen - und
auch das Kapital - sehr interessant geworden ist. Das ist zwar der
Grund für die "Marktmacht" von Gnu/Linux, wichtig aber ist, daß hier
ein Produktivkraftmodell vorliegt, daß in der Lage ist, in spannenden
Sektoren der Ökonomie Produkte hervorzubringen, die denen des alten,
tausch- und konkurrenzbasierten Produktivkraftmodells überlegen sind.
Daraus schöpfe ich BTW die tiefe Überzeugung, daß sich die Prinzipien
Freier Software gesamtgesellschaftlich durchsetzen können und evt.
werden.

Position dazu
findest Du im Archiv

BTW: Das Oekonux-Archiv ist eine wahre Fundgrube für gedankliche
Perlen. Wenn ich da mal reinblättere, staune ich immer wieder, was
hier schon alles gedacht worden ist.

Das wichtige ist doch, das jedes Denken immer auf Axiomen und
Annahmen beruht, auch Deines. Bei so unterschiedlichen Positionen
wie unseren kann man also nur sinnvoll diskutieren, wenn man sich
über diese divergierenden Grundannahmen zumindestens verständigt.
Ich weiss nicht ob ich genügend Energie aufbringe für eine solche
Grundsatzdiskussion. Ich weiss auch nicht, ob die hier auf der Liste
richtig aufgehoben ist, das würde einige doch bestimmt ziemlich
nerven. Vielleicht per Mail?

S.o.: Ich finde, daß die hierher gehört.

Und gleich zur nächsten...

4 days ago Dirk Herrmann wrote:
Am 02.05.01, 15:35:48, schrieb Benni Baermann <benni cs.uni-frankfurt.de>
zum Thema Ideologie und so (was: [ox] Presseecho der Konferenz):
On Wed, May 02, 2001 at 01:35:30PM [PHONE NUMBER REMOVED], Dirk Herrmann wrote:
Gegenfrage: Lässt sich die Lehre von Marx, so wie es bei einigen
interpretiert wurde, ohne Weiteres auf die heutige Zeit übertragen ?

Ohne Weiteres sicher nicht - mit Weiterem aber schon. Ich finde nach
wie vor insbesondere die Kapitalismusanalyse von Marx wegweisend.

Liberale Ökonomen, so wie ich mich auch selbst ansehe, betrachten so
etwas wie Adam Smith und Taylor (wurde ja auf der Konferenz auch hin und
wieder mal angesprochen) nur noch als integralen Bestandteil der
Geschichte der ökonomischen Theorie, nicht mehr und nicht weniger.

Na, die, die sich hier auf Marx beziehen, bleiben ja auch nicht
einfach bei ihm stehen. Aber ganz im Ernst würden mich die Smiths,
Taylors etc. auch interessieren.

ich habe auch Linux bis zu
seinen Wurzeln zurückverfolgt (damit meine ich die vielseits zitierten
Werke von Raymond und Stallman, aber auch die Namen Stefan Merten, C.F.
                                                      ^^^^^^^^^^^^^
Greve, Florian Rötzer,Tim O Reilly,Frank Hecker, Volker Weber, Dr. Oliver
Diedrich, Ulrich Wolf, Bob Young, Volker Grassmuck, Sebastian Hetze,
Daniel Riek, Eben Moglen sowie die Halloween-Dokumente und der KBSt-Brief
gehören genauso zu meiner Literaturliste wie Bill Gates und diverse
andere Autoren der modernen Betriebswirtschaftslehre).

So langsam wird mir das unheimlich. Auf den Braunschweiger Linuxtagen
meinte der dortige Jurist auch, er hätte schon was von mir gelesen...

Ich schreibe
dennoch eine Arbeit zum Studium der BWL und nicht für das Fach Politik
oder für eine Partei. Meine Aufgabe sah bzw. sehe ich darin, das
Bindeglied zu sein zwischen dem IT-Sektrum und dem politischen Spektrum
der Community einerseist, dem ökonomischen Spektrum andererseits.
Allerdings kamen mir bei der Konferenz Zweifel auf, ob der Brückenschlag
mit der politischen, ideologischen und zum Teil doch etwas phantastischen
Sphäre überhaupt gelingen kann.

Let's try :-) !

Jedoch spätestens seit meinen ersten Kenntnissen aus
der Volkswirtschaftslehre kenne ich auch grundlegende Prinzipien eines
ökonomischen Systems,

Schreibst du mir mal die fünf wichtigsten auf :-) .

kenne sowohl die Funktionsweise als auch die
Grenzen eines Marktmodelles und kann demzufolge auch einiges zu der
_ökonomischen_ Sicht der marxistischen Theorie sagen,

Das wird spannend!

Ach und BTW: "Marxismus" hat nur eingeschränkt mit Marx zu tun, der
sich selbst gegen die Bezeichnung Marxist gewehrt hat.

Sorry, wenn mein kleiner Hitzkopf wieder mal gekocht hat,

Wie du siehst haben wir recht effektive Methoden, das wieder
runterzukochen :-) .

3 days ago Dirk Herrmann wrote:
Am 02.05.01, 19:26:57, schrieb LutzH <me privacy.net> zum Thema Re:
[ox] Presseecho der Konferenz:
Hm, wie geht denn in diesem Zusammenhang rekursive Projektion? Wenn Du
diesen begriff hier ernsthaft verwendetest, gäbst Du zu, dass die
"hunder Jahre alte[n] Ideologien" und die heutigen Entwicklungen vom
selben Typ sind. Sonst hätte der Begriff der Rekursion hier keinen Sinn.
Aber ich vermute, Du meinst so etwas wie "rückgreifend".

Hmm, ich dachte an das Wort ?Rekurs?, dessen dazugehöriges Adjektiv
?rekursiv? ist.
?Rekurs: 1. Rückgriff auf etwas, Bezug[nahme]? (Aus: Duden Band Nr. 5,
Das Fremdwörterbuch, 6. Auflage, erschienen im Dudenverlag). Muss ich
noch hinzufügen, dass ich diese Form der überflüssigen
?Kümmelkernspalterei? nicht weiter kommentieren möchte ?

Keine Kümmelkernspalterei sondern das Aufeinandertreffen
unterschiedlicher Sprachspiele. Das passiert uns andauernd und wird so
bleiben. Da hilft nur Klärung, damit wenigstens klar ist, wer was
meint wenn er z.B. "Arbeit" sagt.

Aber zu Deiner Frage: Weil es
sicherlich schon einige Leute gegeben hat, die sich mit ihm und seinen
Theorien etwas ausführlicher als wir beide auseinander gesetzt haben, und
vielleicht gerade deshalb der Name ?Marx? in keinem meiner Bücher (ausser
dem ?Graubuch? und ?Aus meinem Leben?) erwähnt wird.

Anzahl Erwähnungen mag den Marktwert eineR WissenschaftlerIn steigern,
zur Bedeutung eines Menschen für den Gang der Geschichte oder zur
Richtigkeit / Nützlichkeit seiner Gedanken sagt das nichts. Jesus
Christus wird außer in einigen interessierten Fachpublikationen ;-)
auch nie erwähnt.

Expansionspolitik und Neonazismus in Westdeutschland, Eine Dokumentation
herausgegeben vom Nationalrat der Nationalen Front?, 2.Auflage, Berlin
(Ost), 1967) <-- ja, sogar so was hab ich gelesen :-))

Oh, laß doch das krude ML-Zeug im Schrank...

Randgruppen liegen
nicht zwangsweise falsch, allerdings sind sie auch nie grundlos
?Randgruppen?.

Warum Randgruppen solche sind, ist allerdings ein weites Feld. Einige
Randgruppen fühlen sich ja z.B. in genau dieser Daseinsform erst
aufgehoben.

Wie von andere Seite bereits gesagt, ist der Kapitalismus nicht böse
sondern blind. Wer allerdings wieder besserer Einsicht am Kapitalismus
als erstrebenswerter Gesellschaftsform festhält, der muss sich schon
fragen lassen, ober er lieber als böse oder dumm bezeichnet werden
möchte.

Du hast ja bereits in Deiner zweiten Mail mir diese Entscheidungsfreiheit
genommen :-)) Und das finde ich echt bitter, denn ich wäre viel lieber
böse gewesen ;-)

Das kann ich nachvollziehen. Bei dieser Wahl wäre ich auch lieber böse
gewesen ;-) .

Das mit dem Unkostenbeitrag ist in jedem Fall eine zu überdenkende
Idee, allerdings denke ich bei Sponsoren eher an Firmen wie z.B.
Innominate, da diese der Community wesentlich näher stehen als z.B.
IBM.

In welcher Hinsicht? IBM investiert sicher mehr in seine Linux-Sparte
als Innominate. Nach welchen Kriterien sollten Deiner Meinung nach
Sponsoren, so man denn welche haben möchte, ausgewählt werden?

IBM sieht allerdings Linux wirklich nur mehr oder weniger als eine
Erweiterung ihres Sortiments, Innominate hingegen nicht.

Für innominate, SuSE, etc. ist Gnu/Linux das Kerngeschäft. Bricht das
weg, müssen sich die KapitaleignerInnen dort in der Tat auf neue
Geschäftsfelder verlegen - z.B. Landminen oder Lollis.

Ich denke aber, auch IBM hat ein ernsthaftes Interesse am Erhalt
Freier Software *so wie sie ist*. Die wollen die Kuh nicht schlachten,
die sie melken wollen. Wobei ich ohnehin davon ausgehe, daß die Kuh
sich gegen das Schlachtermesser wehren würde.

?Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch das Gedränge zu
tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen? (Georg Christoph
Lichtenberg)

Das finde ich ein nettes Zitat. Welche Software läßt du eigentlich in
welchem Zitatenschatz suchen ;-) . Ist das Frei?

3 days ago Benni Baermann wrote:
Interessant finde ich übrigens auch die Beobachtung, dass die
Millionen die durch den Hype in Richtung Linux umgeleitet wurden
meiner Wahrnehmung nach die Entwicklung nicht wirklich beschleunigt
haben.

Bingo!

Das lief in den Vor-Hype-Zeiten genauso gut wie heute.
Vielleicht ist das eines der besten Indizien dafür, dass vielleicht
doch was "Wertloses" an FS ist.

Super Beobachtung!


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

PS Dirk: Kannst du deine Zeitzone mal richtig setzen (steht wohl auf
GMT)? Deine Mail wird immer zwei Stunden später einsortiert, was das
Thread-Lesen ziemlich erschwert :-( .


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Organisation: projekt oekonux.de


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