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[ox] Rezension zu einem interessanten Buch und Fuchsiges



UlrichLeicht t-online.de

Liebe Listige bei oekonux und krisis, 

Anbei zur INFO - nach dem Highlight Kongress - wieder einmal etwas Profanes und 
Alltägliches. Fruchtbarer vielleicht als das Räsonieren über links und rechts 
(möglicherweise ohnehin ein "Polit(raster)"-Koordinatensystem, das heute nicht 
mehr sehr aussagekräftig und nützlich ist), möchte ich die Aufmerksamkeit auf 
eine Publikation zu den "pump-kapitalistischen" Realitäten der 
warenproduzierenden kapitalistischen Gesellschaft "dieses unseres Landes" 
lenken, zu der ich für die Zeitschrift "express" eine Rezension geschrieben 
habe. 
Der Analyse und Kritik politiökonomischer Realitäten kann sich weder der 
krisis-bewegte noch der Oekonux- und freie Software-Protagonist wie jeder 
andere "Umwälzer" bestehender Verhältnisse entziehen, sollen seine 
Konzepte und auch Utopien nicht im luftleeeren (un-gesellschaftlichen) Raum 
verpuffen. (Die uns allen womöglich drohende, dann prekäre, "Grundsicherung" 
bayrisch-sächsischer Kommissions-Provinienz, Ulrich Beck-assistiert, 
läßt grüßen).
Die kybernetische Maschinerie kapitalistischer Verwertung läuft gar nicht so 
rund, gerät immer deutlicher an ihre inner-widersprüchlichen Schranken. Das 
Spannende sind nicht die wirklichen oder vermeintlichen "Idioten des Kapitals" 
(die Christian Fuchs so am Herzen liegen) sondern die "Idiotie des 
kapitalistischen Systems", daß Produktivkräfte gebiert und entfesselt, 
stoffliche Resourcen und Potentiale - wie "wertlose" software auch - die längst 
über die (Produktions)Verhältnissse, die Schranken von sinnlosen, abstrakten 
Verwertungszwängen hinausweisen und ansatzweise sogar sprengen. 
Wenn die Wissenschaft, die eigentlich nichts "wert" aber kostenträchtig ist, 
zur entscheidennden Produktivkraft und die Arbeit zu einem Anhängsel wird, dann 
ist die kapitalistische Verwertungsmaschinerie objektiv schon ziemlich am Ende 
und in "Wertschöpfungs-Nöten". Die Nöte sind so groß, daß sie sich natürlich 
auch diese "wertlosen" (= auch kostenlosen) free-software-Entwicklungen gerne 
zu nutzen machen möchte. Diese "Idiotie" ist aber eher ein Zeichen der Schwäche 
als der Potenz und letztlich ein sinnloses und "wertloses" (nicht 
profit-rettendes) Unterfangen.
Das hatte, wenn ich recht verstanden habe, auch Christian Fuchs in der Debatte 
vor einem halben Jahr (und in diversen Artikeln auf seiner homepage) u.a. auch 
versucht, deutlich zu machen. Deshalb hatte ich ihn in der Diskussion um "human 
capital", Wissens- und Informationsgesellschaft ins Spiel gebracht. Wer dem 
Kapitalismus soviel verrückte "Idiotie" nachweisen kann wie Christian Fuchs, 
der hatte es eigentlich damals schon nicht nötig, sich auf so "idiotische"  
Weise aus der Oekonux-Liste zu verabschieden, noch jetzt einen Artikel mit 
denunziatorisch "idiotischen" Anspielungen auf Merten, Meretz und Co. in den 
"Streifzügen" zu schreiben. 
Denn solange sie "arbeiten gehen" und "Geld verdienen (müsssen)", sind auch 
Fuchs und Leicht und Co. "Idioten" des Kapitals. Überheblichkeit (schon gar 
nicht diffamierende) ist also überhaupt nicht angebracht, am wenigtsen 
gegenüber denjenigen, die, wie auch M.und M. und Co., andere Wege jenseits von 
Arbeit, Geld und Markt und Staat und herkömmlichem Politisieren anvisieren und 
ausloten.

Daß eine solche Perspektive die einzig zukunftsträchtige ist, daß könnte auch 
als ein Fazit aus der Analyse und Kritik von Professoer Rainer Roths Buch 
"Kartenhaus ..." gezogen werden. Zur Lektüre empfohlen, zwar nicht wertlos aber 
ausgesprochen preiswert.

Gruß 
Uli 


********************************** Rezension *******************************

Die Kapitallogik und ihre Folgen auf dem Prüfstand
Von Ulrich Leicht*

Rainer Roth: "Das Kartenhaus. Ökonomie und Staatsfinanzen in Deutschland", 
DVS-Verlag, 2. Aktualisierte Auflage, Oktober 1999 



Völlig zu Recht hat das Buch "Das Kartenhaus. Staatsverschuldung in 
Deutschland" des Frankfurter Fachhochschulprofessors Rainer Roth in seiner 2. 
aktualisierten Neuauflage von Ende 1999 auf dem Umschlag den erweiterten Titel 
"Ökonomie und Staatsfinanzen in Deutschland" erhalten. Im Gegensatz zu manch 
anderen Verpackungen, die nicht halten, was sie versprechen, ist es bei diesem 
- in seiner Art einzigartigen Kompendium - durchaus gerechtfertigt.

Denn in der Tat hat Rainer Roth ein Buch geschrieben, das nicht nur die 
Staatsverschuldung und ihre Ursachen von allen Seiten beleuchtet, sondern dabei 
die ökonomischen Verhältnisse dieses kapitalistischen Deutschland umfassender 
und auch die gesellschaftlichen Verhältnisse und wichtige Bereiche der Sphären 
von Staat und Politik in ihren Grundzügen darlegt. Aus den Unterlagen des 
Statistischen Bundesamtes, von Ministerien, der Wirtschaftsinstitute und 
Wirtschaftsverbände, des DGB, der alternativen Memorandum-Wissenschaftler und 
aus kompetenten Publikationen von A-Z - von Afheldts "Wohlstand für niemand" 
über Gorz' "Kritik der ökonomischen Vernunft", Hickels "Standort-Wahn und 
Euro-Angst", Oggers "Absahnen und Abhauen", Norbert Walters "Ethik + Effizienz 
= Marktwirtschaft" bis zu Karl Georg Zinns "Die Wirtschaftskrise" - trägt der 
Autor reichlich Zahlen, Fakten und Argumente zusammen und bietet diese für 
"Praktiker", sozial engagierte Menschen und aktive Gewerkschafter wie z. B. 
auch mich gebündelt dar. Das macht dieses zudem sehr übersichtlich gegliederte 
Buch zu einem richtigen Nachschlagewerk. 

Dass Rainer Roth das Zahlen- und Faktenmaterial (in angenehm unaufdringlicher, 
lebendig-konkreter und vielleicht deshalb auch überzeugender Weise) im Lichte 
der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie zu sezieren, interpretieren und 
im Zusammenhang zu veranschaulichen weiß, macht das ganze Unternehmen - der 
Staatsverschuldung, der Krisenhaftigkeit und systembedingten 
Widersprüchlichkeit und Perversion der kapitalistischen Marktwirtschaft 
gründlich und ohne Tabus auf den Leib zu rücken - dann noch spannender und 
auch zu einem bemerkenswerten Werk systemanalysierender und -kritischer 
Publikationen hierzulande. Vielleicht brauchte es des Blickes eines sich 
radikaler Gesellschaftskritik verpflichtet fühlenden Nicht-Ökonomen, aber 
engagierten Sozialwissenschaftlers (Roth ist Vorsitzender des Vereins 
"KLARtext" und Mitarbeiter in der Bundesarbeitsgemeinschaft der 
Sozialhilfeinitiativen), um sich weder durch "volkswirtschaftliche Weisheiten" 
noch durch falsche Argumente, Sichtweisen und Mythen den Blick trüben zu 
lassen, die sich auch in gewerkschaftlichen, wirtschafts-alternativen oder 
"linken" Kreisen finden.

Achtung, sie betreten den ökonomischen Sektor ...

Rainer Roth nimmt die Vertreter von Banken, Konzernen und Politiker beim Wort 
und stellt die Finanzen, die Staatsschulden, ja die bundesdeutsche Ökonomie auf 
den Prüfstand. Er gibt sich mit keiner der Erklärungen von dieser wie auch von 
Seiten der Gewerkschaften zufrieden. "Die vorherrschenden Erklärungen der 
Staatsverschuldung werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Sie reißen 
häufig Zusammenhänge auseinander, um sie nach jeweiligen Sonderinteressen 
zurechtzubiegen, deshalb werden die Probleme meist nicht zu Ende durchdacht. 
Uns geht es im Gegensatz dazu nicht darum, Beweise für vorgefertigte 
Denkschablonen und Interessen zu suchen. Es geht darum, die realen Verhältnisse 
schonungslos zu untersuchen und die den Erscheinungen zugrundeliegenden Gesetze 
wissenschaftlich zu analysieren. Nur daraus sind praktische Möglichkeiten 
abzuleiten, die das Problem nicht noch verschlimmern, das sie angeblich lösen 
wollen." (Aus dem Vorwort)

Im Anschluss an eine einleitende Darstellung der Problematik der 
Staatsverschuldung und gängiger Erklärungen dieses Phänomens stellen sich Roth 
eine Reihe von Fragen, die auch für die Verfechter einer immer wieder 
beschworenen "anderen Politik" spannend sein dürften: "Wieso steigt die 
Staatsverschuldung, unabhängig davon, ob eine richtige oder eine falsche 
Politik angewandt wird? Wie kommt es, dass jede ?richtige' Politik bisher zum 
Gegenteil dessen geführt hat, was sie versprochen hat? Wie kommt es, dass alle 
Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ihre Steigerung nicht verhindern 
konnten?" Damit gibt er auch die Perspektive an, in der seine eigene 
Untersuchung verfährt: "Alle oben genannten Erklärungen enthalten in 
verschiedenem Maße richtige Einschätzungen. In welcher Weise, das versuchen wir 
im weiteren Verlauf zu entwickeln. Aber sie werfen auch viele Fragen auf, die 
sie nicht mehr beantworten. Die Analyse bricht meistens dann ab, wenn sie die 
Sphäre des Politischen verlässt, als würde über der Ökonomie ein Verbotsschild 
stehen: >>Achtung, sie betreten hier den Sektor des privaten Eigentums. Für die 
Folgen weiteren Nachdenkens kommen wir nicht auf<<. Wissenschaftliche Arbeit 
wäre aber von vornherein in ihren Erkenntnissen beschränkt, wenn sie sich die 
Reichweite ihrer Analyse durch Eigentums- und Machtverhältnisse vorschreiben 
lassen würde." (S. 11)

Nach dieser Maxime verfährt Rainer Roth und stellt, um Ursachen und Folgen 
ohne Beschränkungen durchleuchten und an den Wurzeln packen zu können, die 
Mechanismen der kapitalistischen Ökonomie, die zweifelsfrei das 
gesellschaftliche und politische Leben in diesem Lande bestimmen, anhand von 
konkreten Daten und Fakten auf den Prüfstand. Und für den vorurteilsfreien 
Analytiker stellen sich als Grundmechanismen, gewissermaßen als 
"Schwerkraftgesetz" der Ökonomie, zu dem die Funktionselite des Kapitals steht 
und den sie bei "Strafe ihres eigenen Untergangs" (Marx) konsequent verfolgt, 
"keineswegs die Befriedigung allgemeiner menschlicher Bedürfnisse und 
Lebens-Interessen, der Erhalt von Natur und Umwelt dar, sondern die 
selbstzweckhaften Verwertungsinteressen des Kapitals, die Verwertung des Werts 
um seiner selbst willen, auch zu beschreiben als "Profitlogik".

Die Maxime: dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegentreten

Dieser mehr als die Ökonomie bestimmende Antrieb kapitalistischer 
Produktionsweise wird in Rainer Roths Analyse und Darstellung vom Sockel der 
"Heiligsprechung" gestoßen und einem eingehenden TÜV unterzogen. Der Autor 
kommt zu einem meines Erachtens fundierten, gut belegten und begründeten 
Untersuchungsergebnis: Sei es bei der Erklärung der zunehmenden 
Staatsverschuldung wie übrigens auch der der privaten Haushalte und 
Unternehmen, der massiven Beschneidungen von Renten und 
Sozialtransferleistungen, der wachsenden strukturellen Arbeitslosigkeit oder 
den Plänen zu Steuer- und anderen so genannten Reformen, immer stoßen wir auf 
den Knackpunkt, dass die politischen Konzepte und Sorgen letztlich darum 
kreisen, wie der "erlahmenden Ökonomie", dem "Standort Deutschland" auf die 
Sprünge zu helfen und bessere Wettbewerbsbedingungen und -fähigkeit zu 
gewährleisten seien. Und dabei geht es letztlich und ursächlich darum, 
Profitraten nicht nur zu halten, sondern es geht - Roth beschreibt es 
eindrucksvoll - um Profitratensubvention aller Art. 

Denn entgegen auch landläufiger "linker" Meinung diagnostiziert er völlig 
zurecht und auch empirisch nachvollziehbar, dass mit dem markanten 
Kriseneinbruch Mitte der 70er Jahre auch in diesem Lande der langfristige Fall 
der Profitraten (in Marxschen Kategorien: der Verwertungsgrad des eingesetzten 
Gesamtkapitals, abhängig von Mehrwertrate, also Ausbeutungsgrad der 
Arbeitskraft, und organischer Zusammensetzung des Kapitals -, nicht zu 
verwechseln mit Profithöhen und/oder Gewinnen) in allen Sektoren (vor allem 
aber auch im kapitalproduktiven, mehrwertschöpfenden) industriellen Bereich 
Fakt ist. Die Klagen der Funktionsträger des Kapitals stellen für Roth 
entsprechend nicht nur "zum Handwerk dazugehörende verfälschende Propaganda" 
dar, sondern haben einen realer Hintergrund. Fazit: "Die deutsche Wirtschaft 
wächst heute nur noch, weil der Staatskredit sie vorantreibt. Da die innere 
Dynamik weitgehend aufgebraucht ist und dementsprechend die Dynamik des Staates 
auch, wird die ?Dynamik' heute nur noch durch ?äußere Anstöße', die 
Verschuldung erzeugt. Der Kapitalismus in Deutschland befindet sich damit in 
einem Stadium künstlicher Beatmung durch Kredite" (S. 98) 

Wahrlich ein Kontrast zu gängigen Auffassungen selbst in Kreisen der 
"mainstream"-Linken und Gewerkschaften, die nie gerne über die 
Krisenhaftigkeit, geschweige denn die unlösbare, des Kapitalismus reden, 
sondern meistens die von Roth ebenfalls genauer unter die Lupe genommene und 
kritisierte Rechnung und Argumentation des DGB vom April 1999 gebetsmühlenartig 
übernehmen: "Die Kapitalrentabilität der Unternehmen ... ist ausgezeichnet und 
so hoch wie in den früheren Vollbeschäftigungszeiten Anfang der siebziger 
Jahre" und: "Dem Kapital ging es schon lange nicht mehr so gut wie in den 
letzten Jahren." Auch in solchen Fällen hinterfragt und seziert Rainer Roth 
genauer, prüft die Bezugsgrößen in Statistiken, pflückt Profithöhe, Netto- und 
Brutto-Kapitalrendite und Sachanlagevermögen, die verschiedenen 
Rendite-Varianten und andere wichtige Kriterien sauber auseinander und macht 
deutlich, dass bei tieferer Analyse der Zahlen eine andere, die realen 
Verhältnisse nicht verklärende Bewertung getroffen werden muss: So sind zwar 
die Gewinne (Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen) gestiegen und auf 
Rekordhöhen, doch die Profitrate fällt, insbesondere im industriellen Bereich, 
absolut und relativ immer mehr zu Lasten der Banken, des Handels und 
Transportgewerbes: "Deutlich kann man einen langfristigen Fall der 
gesamtwirtschaftlichen Rendite feststellen. Bis heute hat (diese) nicht mehr 
das Niveau von 1970 erreicht. Sie pendelt seit 25 Jahren um das Niveau des 
Krisenjahres 1973"(S. 22). 

Für die Analyse der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung, und die wird 
durch die Profitrate markiert, sind deshalb, wie Roth richtig darlegt und 
beweist, nicht die Netto-Gewinnhöhe, sondern die Bruttorechnung (Bruttogewinne) 
vor Abzug der Steuern und eben nicht die, auch vom DGB herangezogenen, Zahlen 
zur Netto-Kapitalrendite entscheidend und aussagekräftig. Denn diese werden nur 
unter Inkaufnahme hoher volkswirtschaftlicher Kosten und verheerender 
ökonomischer und sozialer Folgen für die Gesamtgesellschaft und die betroffene 
Mehrheit der Bevölkerung erzielt.  Durch massive Vernichtung von Arbeitsplätzen 
wurde versucht, die Relation von konstantem zu variablem Kapital zugunsten des 
ersteren zu korrigieren, um dem Fall der Profitrate entgegenzuwirken. Aber das 
alleine hätte nicht gereicht, denn die Gewinnsteigerung ist in diesem Fall gar 
kein Zeichen von Stärke des Kapitals, da sie nicht auf einer gestiegen Wert- 
oder Mehrwertschöpfung durch Ausdehnung der Kapitalakkumulation basiert, 
sondern wesentlich auch auf einer staatlichen Profitraten-Subvention per 
drastischer Steuerentlastungen in bislang nicht dagewesenem Ausmaß. Das 
Resultat ist bekannt: eine Staatsverschuldung in nie gekannter Höhe. Die 
Wachstumsraten des Volkseinkommens (Unternehmergewinne und Lohneinkommen), aus 
denen der Staat seine Steuern bezieht, haben sich seit 1970 bis 1997 von 8,3 
auf 4,1 Prozent halbiert. 
Um dem langfristigen Fall der Profitraten entgegenzusteuern ist die Steuerlast 
für Unternehmen von gleichbleibend ca. 21 Prozent für die Jahre von 1960 bis 
1980 auf heute nahezu nur noch 8 Prozent heruntergeschraubt worden. Selbst die 
Gewinne sind heute, anders als zu Zeiten ?fordistischen Wirtschaftsbooms', 
nicht mehr das, was sie einmal waren, Resultat galoppierender Wertschöpfung 
und Kapitalakkumulation, sondern galoppierender Verschuldung. Ich glaube, dass 
Roths Analyse Beleg dafür ist, dass wir es objektiv mit einer neuen Stufe 
von Krisenentwicklung, der inneren Schranke des kapitalistischen 
warenproduzierenden Systems zu tun haben, in der mit der wertschöpfenden 
?produktiven Arbeit' auch die Wert-, sprich Profit-Masse effektiv sinkt. 
Vielleicht sind wir heute näher am ?point of no return' zu ?besseren alten 
Zeiten' eines sozial gezähmten und regulierten Kapitalismus, und bewahrheitet 
sich Marx Aussage "Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das 
Kapital selbst" (Kapital, III Band) realer als je zuvor.

Dies ist nur ein Beispiel für die gründliche und zugleich anschauliche 
Vorgehensweise Rainer Roths. Er nimmt den Leser mit auf die Reise gängiger 
Argumentationen, um diese systematisch anhand empirischen Materials und im 
Lichte einer politökonomischen Kritik auf den Prüfstand zu stellen. Kaum ein 
solch umfangreiches Werk (mehr als 400 Seiten, gespickt mit vielem 
Zahlenmaterial und Tabellen) präsentiert sich dabei so übersichtlich und gut 
lesbar wie dieses. Am Ende der vier Hauptkapitel "Logik des Kapitals als 
Ursache der Staatsverschuldung" , "Logik des Geldkapitals als Ursache der 
Staatsverschuldung", "Privatinteressen als Ursache der Staatsverschuldung" und 
"Internationalisierung (Globalisierung) als Ursache der Staatsverschuldung" 
finden sich jeweils orientierende Zusammenfassungen. In einem Extra-Kapital 
werden die sich gar nicht so feindlichen Brüder "Keynesianismus und 
Neoliberalismus" genauer beleuchtet und als zwei Seiten einer Medaille des 
Staatsinterventionismus analysiert. Und es fehlt auch nicht ein Ausblick, den 
Roth als Hinführung zu einem System der Produktion und Versorgung der Menschen 
vorstellt, das nach gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen und Interessen sowie 
nach "gesamtwirtschaftlicher Rentabilität" statt nach betriebswirtschaftlicher 
(Kapital)Logik abläuft. 

Wahrscheinlich würde ich um diese wichtigen, aber schwierigen Fragen des 
Auswegs und was wir heute tun können und müssen, mit Rainer Roth trefflich 
streiten können. Z.B. darüber, ob das "Allgemeininteresse" und das Interesse 
der LohnarbeiterInnen wirklich identisch sind und 'nur noch' zusammenfinden 
müssen, oder ob nicht "konstantes" und "variables Kapital" nicht auch nur zwei 
Seiten einer gar nicht grundwidersprüchlichen (Kapital)Medaille sind, eines 
sich gegenseitig bedingenden Kapitalverhältnisses, und die Perspektive einer 
nicht profitorientierten Gesellschaft jenseits von Kapital, aber auch 
(Lohn)Arbeit liegen muss.

Dies tut aber der wirklich einzigartigen Analyse und Kritik, die Rainer Roth 
mit diesem Buch gelungen ist, keinen Abbruch. Einzigartig ist auch der Preis: 
nur DM 25 für 450 Seiten.

·Ulrich Leicht ist Industriebuchbinder, Schichtarbeiter, 
Betriebsratsvorsitzender und Sprecher der IG Medien Dortmund, jetzt auch 
Mitglied des Bezirksvorstandes Dortmund von ver.di. 

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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