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[ox] Re: Freie Ressourcen fuer Alle



Horst Horibbeck schreibt am Sun, 25 Feb 2001 

   Ich glaube Spehr erklärt eben diese Herrschaft von Menschen über
   Menschen zum ursprünglichen Übel, eine fundamentale Wertkritik,
   fehlt bei ihm aber weitgehend. Sozusagen die offene Flanke seiner
   Theorie.

Das Thema ist so ungeheuer vielschichtig, dass man wohl von keinem
Einzelnen verlangen kann, dass er sie alle abhandelt.  So hatte ich
auch Richters Kritik verstanden.  Ich halte den Spehrschen Ansatz aber
für ziemlich zentral, weil in einer Kompetenzgesellschaft (wo also
nicht die Arbeitskraft des Einzelnen schlechthin, sondern seine
spezielle Qualifikation entscheidend ist - entsprechend dem Marxzitat,
dass mit dem Siegeszug der allgemeinen Arbeit nunmehr die Fähigkeit
des Arbeiters, die 'Macht der Agentien in Bewegung zu setzen', in die
Mitte rückt) Herrschaftsverhältnisse ihre _technologische_ Basis
verlieren.  Wenn im 20. Jh. 'die Macht der Agentien' in Bewegung zu
setzen oft noch hieß, wie im alten Ägypten Menschenmassen in Bewegung
zu setzen (und Faschismus wie Sozialismus der 30er Jahre waren Meister
darin), so ist es doch heute an vielen Stellen schon so, dass der Boss
nicht weiß, wie's geht, sondern sich auf den Sachverstand derer, die's
dann machen, mehr oder weniger blind verlassen muss.  Das
dekonstruiert natürlich Herrschaft.

   Darüber hinaus sehe ich aber diese zur zweiten Natur gewordenen
   (gemachten) Produktionsverhältnisse selbst als erstmal subjektlose
   Herrschafts"matrix", die medusenartig Herrschaft von Menschen über
   Menschen immer wieder neu erzwingt. ...

   Diese "Weltenlenker" handeln aber letzten Endes immer "unverantwortlich" 
   gegenüber ihren Kindern - ihren Enkeln - der Menschheit - dem Weltklima - der 
   Umwelt - der Natur - usw. usw.; allein der "Ratio" dieser totalitären 
   Herrschaft des Wertes - diesem Abstraktum gegenüber und daneben ihrem 
   persönlichen Vorteil fühlen sie sich verantwortlich. 
   Aber sie täuschen sich! 

Das findest Du in Spehrs Alien-Buch ziemlich gut auseinander genommen.
Interessanter Weise spielen diese Überlegungen bei 'Gleicher als
andere' (außer der direkten Parallele des Titel zu einem Abschnitt im
Alien-Buch) so gut wie keine Rolle.  Spehr betrachtet da eben das
Problem wirklich von einer anderen Seite. Die Synthese ist schwer
(und, wenn ich Erich Hahn neulich hier in Leipzig richtig verstanden
habe, auch ein Mann wie Georg Lukacs war nach 40 Jahren Arbeit und
zwei Bänden seiner 'Ontologie' mit seinem Werk noch nicht zufrieden).

   Ich fürchte, individuelles Verfügungsrecht über Geld, auch in Form einer 
   monetären Grundsicherung, hält eher davon ab, sich emanzipatorisch in z.B. 
   "Freien Kooperationen" zu betätigen, statt es zu fördern. Das Individuum, 
   welches "frei" entscheidet, w e l c h e Waren es produziert ist zugleich als 
   Geldbesitzer "freier" Konsument. Da sind wir denn auch im Prinzip alle 
   gleich. 

Da Freiheit in dieser Gesellschaft viel damit zu tun hast, wie
intensiv Du Dich um die Knete zur eigenen Reproduktion kümmern musst,
stimme ich dem als Imperativ für die heutige Zeit nicht zu. GS, wie
mickrig auch immer, wäre heute ein Stück äußere Bedingung für mehr
innere Freiheit, wie auch eine Benard-Zelle im Kochtopf nur entsteht,
wenn genügend Wärme-Durchsatz gewährleistet ist.  Nach dem Motto: So
lange man Geld hat, braucht man nicht drüber zu sprechen.  Wenn man
sich aber jeden Tag eine Platte machen muss, wie man über die Runden
kommt, dann ist nix mit "Freien Kooperationen".

Ob und wie dieser äußere Rahmen mit der Zeit durch was Besseres
ersetzt werden kann, ist eine andere Frage, deren Antwort heute nur
als Tendenz angelegt werden kann. Dazu wäre für mich die Position
"Geld ist nicht alles .." wieder stärker salonfähig zu machen.  

-- 
Mit freundlichen Gruessen, Hans-Gert Graebe

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Organisation: projekt oekonux.de


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