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Re: [ox] Re: HyperCard und Freiheitsgrade



Hi Christoph und Liste!

1 hours ago Christoph Reuss wrote:
Franz J. Nahrada schrieb heute:
Die Klicki-bunti-
User wurden richtig heran-erzogen, nach dem Motto "Wir nehmen Dir das
Denken ab".

Eher: grosse Mengen an Kunden konnten nur "erschlossen" werden (bzw. erst
an den Computer herangeführt werden), *indem* man's benutzerfreundlich
machte.  Abgenommen wurde ihnen statt dem Denken wohl eher unnötige
Umständlichkeit à la DOSe -- *damit* sie sich auf's Denken (kreative
Schaffen) konzentrieren können.

Oh je, das ist ein vielschichtiges Thema.

Franz ging es wohl nicht darum zu sagen, eine einfach zu bedienende
Oberfläche wäre Mist. Die macht mir genauso viel Spaß wie Leuten, die
das erste Mal im Leben eine Maus in der Hand haben (eine, die ihnen
nicht in den Finger beißen kann ;-) ).

Wenn ich mit dem Klicki-Bunti aber genug gespielt habe und richtig was
schaffen will, dann habe ich entweder viel zu tun (Dialogboxen
bedienen, mich durch Menüs hangeln, mit der Hand zwischen Maus und
Tastatur pendeln, etc. pp.) oder ich lerne eine Sprache (z.B. Perl),
setze auf gescheiten Datenformaten auf (d.h. ASCII-basiert), besorge
mir einen Editor, der mir nicht mehr Mühe macht als ich ohnehin habe
und meine Tätigkeit z.B. durch sinnvolle Farbgebung unterstützt (z.B.
Emacs) und konfiguriere mir aus den vorhandenen Tools (z.B. make) das
zusammen was ich gerade brauche. Das ist die Grundidee von Unix immer
gewesen und deswegen sage ich auch heute noch: Die Power der
Kommandozeile ist (noch immer) durch nichts zu ersetzen.

Klar, wer wenig oder alle zehn Minuten etwas völlig anderes macht, der
braucht das natürlich nicht. Aber das Tastatur-Makro beim Emacs als
mildeste Form der ad-hoc-Automatisierung möchte ich nicht mehr missen.
Und nach einer Änderung der Web-Site einfach mal `mkai' - mein Alias
für `make all install' - zu tippen, schätze ich schon sehr.

Das Problem ist nur, daß ich genau diese Möglichkeiten bei M$ nicht
habe. Da kann und darf ich nur die ausgetrampelten Pfade benutzen. Und
das will M$ so und das wollte vermutlich auch Apple in dem erwähnten
HyperCard-Beispiel.

Bei Linux sieht die Situation von vorneherein etwas anders aus, es ist gar
nicht für Endbenutzer gemacht.

Ahja?  SuSE sieht das aber wohl ein bisschen anders! ;o)
Wie will Linux dann "die Massen" erreichen ?

Linux und insbesondere Gnu ist sicher nicht als Massenprojekt geplant
gewesen. Mittlerweile entwickelt sich Gnu/Linux mit seinen
Applikationen aber immer mehr dazu. Und soweit ich es momentan
überblicken kann, eben in Kombination von beidem:
Benutzerfreundlichkeit durch grafische Oberflächen und Power durch
sprachliche Mittel wie Konfigurierbarkeit andererseits.

Das ist natürlich kein Zufall, sondern Folge der Ausrichtung. M$ und
Apple *wollen* ihre KundInnen verblöden, weil sie blöden KundInnen
besser das Geld aus der Tasche ziehen können.

Gnu/Linux-EntwicklerInnen haben dagegen genau das umgekehrte
Interesse: Wenn die NutzerInnen selbst was machen können, dann müssen
sie sich nicht um jeden Mist selbst kümmern. Das ist der immanente
Grund, warum ich denke, daß Freie Software self-empowering (Petra: ich
habe kein deutsches Wort für diesen Begriff. Hast du?) im weitesten
Sinne ist.

Oder direkt gefragt:  Sind "Freiheitsgrade" und "Massen-Appeal" überhaupt zu
vereinbaren ?  (auch allgemein, nicht nur bei Software..)

Das kommt darauf an, was du willst und ist denke ich auch eine
ideologische Frage. Wenn das Rundum-Sorglos-Paket, das uns heute
allerorten angeboten wird - auch von M$ -, das oberste Ziel ist, dann
sind Freiheitsgrade natürlich schädlich - Freiheit erfordert immer,
daß mensch sich mit ihr auseinandersetzt und sich verantwortlich
verhält. Rundum-Sorglos-Pakete führen in eine paternalistische
Gesellschaft, von der uns die Älteren aus dem Osten dieser Republik
sicher haufenweise Liedchen singen können.

Möchtest du hingegen, daß die Leute, die das wollen, selbst Hand -
oder Kopf - anlegen können, dann brauchst du ein offenes System wie du
mit Unix und also auch Gnu/Linux hast. Da kannst du ein
Rundum-Sorglos-Paket für die schnüren, die sich nicht weiter
einarbeiten wollen (d.h. SuSE's Job) und die, die gerne selbst machen
oder ausgetretene Pfade verlassen wollen, können das tun.

Und das ist natürlich auch eine ideologische Frage. Wenn ich heute die
vielen Leute rumlaufen sehe, mit einem irren Anspruchsdenken im Kopf -
aber kosten darf's nix -, dann sind wir momentan da sicher nicht. Aber
ich denke, daß wir da relativ leicht wieder hinkommen können - gerade
weil die Leute ganz konkret was davon haben.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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