Re(2): [ox] Die Anwendbarkeit der Werttheorie in der Informatik
- From: "Franz J. Nahrada" <f.nahrada magnet.at>
- Date: Wed, 22 Nov 2000 22:49:06 +0100
Karl Marx schreibt:
"Ein Ding kann Gebrauchswert sein, ohne Wert zu sein. Es ist dies der
Fall,
wenn sein Nutzen für den Menschen nicht durch Arbeit vermittelt ist. So
Luft,
jungfräulicher Boden, natürliche Wiesen, wildwachsendes Holz usw. Ein
Ding
kann nützlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein.
Wer
durch sein Produkt sein eignes Bedürfnis befriedigt, schafft zwar
Gebrauchswert, aber nicht Ware. Um Ware zu produzieren, muß er nicht nur
Gebrauchswert produzieren, sondern Gebrauchswert für andre,
gesellschaftliche
Gebrauchswert. {Und nicht nur für andre schlechthin. Der
mittelalterlichen
Bauer produzierte das Zinskorn für den Feudalherrn, das Zehntkorn für den
Pfaffen. Aber weder Zinskorn noch Zehnkorn wurden dadurch Ware, daß sie
für
andre produziert waren. Um Ware zu werden, muß das Produkt dem andern,
dem es
als Gebrauchswert dient, durch den Austausch übertragen werden.
(Einfügung
Engels, die aber unstrittig auch Marx Position beschreibt.)} Endlich kann
kein Ding Wert sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein. Ist es nutzlos, so
ist
auch die in ihm enthaltene Arbeit nutzlos, zählt nicht als Arbeit und
bildet
daher keinen Wert."
Ralf Kraemer kommentiert:
Freie Software ist bzw. hat daher Gebrauchswert, aber ist keine Ware
(weil
nicht für den Austausch, sprich Verkauf produziert) und deswegen hat sie
keinen Wert (weil Wert, aber nicht Gebrauchswert, nur Waren haben).
Streng MarxEngels-exegetisch hast Du natürlich gegen Stefan recht, aber ich
denke, daß Stefan ein richtiges Motiv vertritt. Drüben in der Krisis -
Liste hat ein Hegelianer gerade folgendes gesagt:
"Was waere also das gemeinsame "Wert" and "Gebrauchswert" und
"Tauschwert", was daran schlecht? Wenn die Kritik des Gebrauchswertes
als Wert zuwenig beachtet wird, dann waere natuerlich besonders die
Ausgestaltung einer solchen Kritik interessant....
Als Hegelianer denke ich dabei in erster Linie daran, dass in
"Gebrauchswert" weggelassen (abstrahiert= wird, wofuer sich denn
etwas nun konkret gebrauchen laesst (wie in der Kategorie des
"nuetzlichen"), es kaeme aber zur Beurteilung darauf an."
naja, der Gebrauchswert ist sicher nicht der Wert, obwohl, schlampig
gesagt,
der Gebrauchswert (die quantitative physische existenz) erste
Erscheinungsform
von Wert ist (Äquivalentform) und die Wertformanalyse immer wieder
mal auf die Gebrauchswertseite rekurriert (warum ist Gold Geld,
warum schafft Arbeit Wert, warum verwandelt sich Kapital in Maschinen).
Aber eines ist im traditionellen Marxismus unbemerkt geblieben:
Der Begriff des "Gebrauchswertes" ist schlicht und einfach eine
schlechte Abstraktion, die der Warenform des gesellschaftlichen Reichtums
geschuldet ist. Zu Marx' und Engels Zeiten war die Sache noch ziemlich
unproblematisch. Vom heutigen Stand des gesellschaftlichen Bewußtseins
ließe sich argumentieren, daß die Nützlichkeit für *ein* Bedürfnis eine
relativ abstrakte Beschreibung der stofflichen Qualität des
Gesellschaftlichen
Reichtums ist. Bekannt ist diese Kritik spätestens seit die Unterscheidung
von "Wirkung" und "Nebenwirkung" bei Medikamenten als Ideologie
zurückgewiesen wurde. Deswegen muß man heute sogar per Gesetz von
"unerwünschten Wirkungen" sprechen.
Übertragen auf den Gebrauchswertbegriff ließe sich argumentieren,
daß es sich primär um ein Versprechen und gar nicht so sehr um eine
objektive Eigenschaft handelt; daß ein "Gut" zum System der Arbeiten und
Bedürfnisse in mannigfaltigen Beziehungen steht; daß es einen fließenden
Übergang zum destruktiven Charakter der Produktion gibt usw.
Ich will die Sache hier nicht durchführen - es gibt dazu meines Wissens
einen eigenen Diskurs (Haug, Porth etc.) den andere wohl besser kennen,
es genügt zunächst wirklich zu sagen, daß Gebrauchswert wohl ebensowenig
ontologisierbar ist wie die "Arbeit" (obwohl das wahrscheinlich auch
nicht Konsens ist). Die Rede vom Gebrauchswert ist genau die praktizierte
Ignoranz, die vom Wertstandpunkt gegenüber der konkreten, stofflich-
sinnlichen Seite der Ökonomie angebracht ist. Die Kategorie sollte sich
lieber in den Spiegel schauen.
Franz Nahrada
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