[ox] Kritik
- From: sabine.nuss freenet.de
- Date: Tue, 14 Nov 2000 22:46:02 +0100
Hallo Listige,
Was mich eigentlich am meisten an der ganzen Debatte stutzig macht, ist,
dass allüberall implizit die materielle von der immateriellen Welt getrennt
wird.
Inwiefern ist es überhaupt gerechtfertigt, die materielle von der
immateriellen Welt zu trennen und die Produktion von immateriellen
Gütern, insbesondere Freie Software, als davon unabhängige Ökonomie
zu begreifen, in der ganz andere Gesetze gelten? So gehen übrigens nicht
nur die Verfechter der Freien Software-Bewegung (die eine andere
Ökonomie symbolisieren soll) vor, sondern auch all die Leute, die solche
unsäglichen Begriffe, wie ?Aufmerksamtkeitsökonomie?,
?Geschenkökonomie?, ?Gabenwirtschaft? und so weiter geprägt haben.
Die immaterielle Seite der Produktion lässt sich doch nur
deshalb als immateriell titulieren, weil es als Gegenstück die
materielle gibt. Diese beiden Welten hängen also untrennbar
miteinander zusammen. Es gibt quasi nichts Immaterielles, was
nicht eine materielle Form benötigen würde, um sich darin
auszudrücken. Nun befindet sich aber die *ganze* Welt in einer
Organisationsform, die wir als Kapitalismus kennen, und ich
sehe nicht eine Nische, in die sich der immaterielle Teil der
Warenwelt hin verdrücken könnte um dort ein anderes Leben zu
führen. Das Immaterielle kann sich vom Materiellen nicht lösen.
Daher kann die Diskussion nicht unabhängig davon geführt
werden.
Wir müssen halt doch noch essen, trinken und wohnen, in
Häusern mit real existierenden Dächern und auch wenn wir uns
den Körper mit Sensoren vollstopfen und irgendwann über
mobile Daten das Licht anknipsen und die Pizza bestellen, so
muss ich den Strom doch bezahlen, die Pizza kaufen und das
Geld dazu mir irgendwo verdienen. Das heißt aber, dass diese
Verhältnisse ebenso für die Produktion von immateriellen
Dingen, wie Daten, zutreffen.
Jetzt frage ich mich ernsthaft, welche Gesetze in der Welt des
auf elektronische Daten gebannten Wissens sollen nun so
bahnbrechend anders sein? Wieso soll in der Produktion von
Freier Software ein größeres emanzipatorisches Potential liegen,
als in der Produktion von materiellen Gütern, wenn beide
miteinander ein Ganzes bilden und ich hier mal proklamiere, dass
man von der materiellen Welt eben nicht so einfach abstrahieren
kann?
Sind die großen Fragen um das ?Neue? nicht letztlich reine
Formfragen der Verwertungslogik? Es geht um Verwertung ? so
oder so ? auch in der ?Internet-Ökonomie?. Und das einzige
Gesetz, dass in der immateriellen Welt anders ist, als in der
materiellen, ist, dass man keine ?echten? Zäune im Cyberspace
bauen kann mit einem Schild drauf: ?Private Property?. Also,
was bleibt, ist, dann eben virtuelle Zäunchen zu entwickeln (was
auch geschieht) oder eine andere, neue Methode der
Verwertung (?follow the free?) findet ? was auch geschieht.
Diese Entwicklungen sind neu (Form). Aber sie sind im alten
Geiste (Inhalt).
Jetzt ist aber Schluss.
Grüße
Sabine
_________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de