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[ox] Kritik



Hallo Listige,

Was mich eigentlich am meisten an der ganzen Debatte stutzig macht, ist, 
dass allüberall implizit die materielle von der immateriellen Welt getrennt 
wird.

Inwiefern ist es überhaupt gerechtfertigt, die materielle von der 
immateriellen Welt zu trennen und die Produktion von immateriellen 
Gütern, insbesondere Freie Software, als davon unabhängige Ökonomie 
zu begreifen, in der ganz andere Gesetze gelten? So gehen übrigens nicht 
nur die Verfechter der Freien Software-Bewegung (die eine andere 
Ökonomie symbolisieren soll) vor, sondern auch all die Leute, die solche 
unsäglichen Begriffe, wie ?Aufmerksamtkeitsökonomie?, 
?Geschenkökonomie?, ?Gabenwirtschaft? und so weiter geprägt haben.

Die immaterielle Seite der Produktion lässt sich doch nur 
deshalb als immateriell titulieren, weil es als Gegenstück die 
materielle gibt. Diese beiden Welten hängen also untrennbar 
miteinander zusammen. Es gibt quasi nichts Immaterielles, was 
nicht eine materielle Form benötigen würde, um sich darin 
auszudrücken. Nun befindet sich aber die *ganze* Welt in einer 
Organisationsform, die wir als Kapitalismus kennen, und ich 
sehe nicht eine Nische, in die sich der immaterielle Teil der 
Warenwelt hin verdrücken könnte um dort ein anderes Leben zu 
führen. Das Immaterielle kann sich vom Materiellen nicht lösen. 
Daher kann die Diskussion nicht unabhängig davon geführt 
werden.

Wir müssen halt doch noch essen, trinken und wohnen, in 
Häusern mit real existierenden Dächern und auch wenn wir uns 
den Körper mit Sensoren vollstopfen und irgendwann über 
mobile Daten das Licht anknipsen und die Pizza bestellen, so 
muss ich den Strom doch bezahlen, die Pizza kaufen und das 
Geld dazu mir irgendwo verdienen. Das heißt aber, dass diese 
Verhältnisse ebenso für die Produktion von immateriellen 
Dingen, wie Daten, zutreffen. 

Jetzt frage ich mich ernsthaft, welche Gesetze in der Welt des 
auf elektronische Daten gebannten Wissens sollen nun so 
bahnbrechend anders sein? Wieso soll in der Produktion von 
Freier Software ein größeres emanzipatorisches Potential liegen, 
als in der Produktion von materiellen Gütern, wenn beide 
miteinander ein Ganzes bilden und ich hier mal proklamiere, dass 
man von der materiellen Welt eben nicht so einfach abstrahieren 
kann? 

Sind die großen Fragen um das ?Neue? nicht letztlich reine 
Formfragen der Verwertungslogik? Es geht um Verwertung ? so 
oder so ? auch in der ?Internet-Ökonomie?. Und das einzige 
Gesetz, dass in der immateriellen Welt anders ist, als in der 
materiellen, ist, dass man keine ?echten? Zäune im Cyberspace 
bauen kann mit einem Schild drauf: ?Private Property?. Also, 
was bleibt, ist, dann eben virtuelle Zäunchen zu entwickeln (was 
auch geschieht) oder eine andere, neue Methode der 
Verwertung (?follow the free?) findet ? was auch geschieht. 
Diese Entwicklungen sind neu (Form). Aber sie sind im alten 
Geiste (Inhalt).

Jetzt ist aber Schluss.

Grüße
Sabine



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