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Contribute nonthing - expect what? (was: Re: [ox] Re: freie Kooperation)



Hi Benni!

5 hours ago Benni Baermann wrote:
^^^^^^^^^^^

Ok, erhöhen wir den Takt ;-) .

On Sun, Nov 12, 2000 at 02:59:24PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
In FS gibt es das aber ganz genauso als "contribute nothing - expect
nothing".

Ja klar, aber das ist nicht zentral - zumindest nicht für dich und
mich. Was hast du zu der Linux-Distribution beigetragen, die du
benutzt? Nicht zu der konkreten Installation auf deiner Platte,
sondern zu dem, *was* du da auf deine Platte gespült hast. Und
vielleicht wichtiger noch: Wenn interessiert dein nicht vorhandener
Beitrag?

Irgendwo duerfte vielleicht der eine oder andere Patch von mir
eingeflossen sein, aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass
ich zu niemandem gehen kann und sagen "Das gefaellt mir nicht, macht
das besser." Oder zumindestens kann ich dann nicht erwarten, dass es
passiert.

Wichtig: Es gibt hier in der Basis keine Zwangsmittel - auch keine
strukturellen wie Geld. Und ob du es mit einem Bündel strukturellen
Zwangsmittels in der Hand erwarten kannst, ist ja in der Praxis auch
noch mal dahingestellt.

Was mir aber wichtig hierdran erscheint ist folgendes: Du gehst mit
deinem durch Waren und Geld vorgeprägten Kopf hin und erwartest, daß
du von irgendjemenschem - jemensch wildfremdes vermutlich sogar -
etwas erwarten kannst. In der voll ausgebildeten Warengesellschaft, in
der wir leben ist das ja auch nicht so richtig abwegig.

Wichtig ist aber auch, daß du auch dabei schon ganz selbstverständlich
eine Menge Regeln einhältst - z.B. nach 20.00Uhr nur noch an der
Tankstelle Bier holen und mit einem gewissen Betrag an strukturellem
Zwangsmittel kalkulierst. Ja, du bist sogar dazu bereit, dich selbst
strukturell zwingen zu lassen - Lohnarbeit oder Marktgewinn -, damit
du andere zum Ausgleich zwingen kannst - ein Produkt oder eine
Dienstleistung kaufen.

Mag jetzt etwas zugespitzt klingen, aber ich hoffe, daß wir daran was
erkennen können.

In der Freien Software gibt es bislang solche Selbstverständlichkeiten
wohl nicht. Was aber heißt das?

Im Kontext unserer Selbstentfaltungsthese bedeutet es zunächst mal die
Trivialität, daß du keineN zur Selbstentfaltung zwingen kannst - weder
strukturell noch sonstwie. Du kannst jemenschen zu etwas zwingen, klar
- aber nicht zur Selbstentfaltung.

Das ist genau das, was wir unter der immanenten Grenze diskutieren,
die der Kapitalismus an dieser Stelle nicht überwinden kann. Auf die
EinzelneN runtergebrochen heißt das dann aber nichts anderes, als das
sie eben nichts mehr kaufen kann - so wenig, wie ein Arbeitgeber
Selbstenfaltungskraft kaufen kann. Das ist gewissermaßen die andere
Seite der Medaille.

Nun ist es aber unstrittig sehr bequem, einfach erwarten zu können,
daß eine bestimmte Leistung erbracht wird - zumindest für den
Erwartenden. Im Kapitalismus tritt da das strukturelle Zwangsmittel
auf den Plan. In der GPL-Gesellschaft ergeben sich m.E. drei Aspekte.

Einerseits sollte der Überfluß, den wir uns vorstellen, die
Notwendigkeit verringern, eine solche Erwartung überhaupt zu haben.

Andererseits müssen wir diskutieren, ob diese Bequemlichkeit für den
Erwartenden überhaupt noch paßt. Hier ginge es evt. auch in den
Bereich des personal-konkreten kann ich mir denken.

Zum Dritten aber - und das scheint mir das Wichtigste - wäre zu
überlegen, ob es nicht möglich ist, diese Bequemlichkeit jenseits des
(strukturellen) Zwangs widerherzustellen. Da ist Freie Software heute
wohl erst ansatzweise. Z.B. wenn Bugs schnell behoben werden -
um Größenordnungen schneller als bei der strukturell gezwungenen
Konkurrenz übrigens. Es wäre doch vorstellbar, daß Menschen es als
Selbstentfaltung empfinden, anderen weiterzuhelfen - oder? Wäre das
nicht eine Form von Selbstentfaltung, wo du es zwar vielleicht nicht
erwarten kannst wie mit einem genügend großen Bündel struktureller
Zwangsmittel, aber immerhin doch eine gewisse Sicherheit der
Bedürfnisbefriedigung auch gegeben wäre.

Dieses "contribute nothing - expect everything" und das auch noch ohne
moralische Bedenken: Das ist einer der entscheidend neuen Aspekte an
der Freien Software.

Software, die nicht gepflegt wird, ist (bald) nichts (mehr) wert und
im Kontext dieser Pflege gilt halt doch "expect nothing".

Huch, verschleißt deine Software etwa ;-) .

Im Ernst: Software, die nicht gepflegt wird, muß nichts an
(Gebrauchs)wert verlieren. Das gilt sogar für ordentlich programmierte
kommerzielle Software - M$ zähle ich dazu nicht. Da sitzt du der
künstlichen Alterung auf, die kommerzielle Software-Anbieter erzeugen.

Nimm z.B. TeX. Ein Beispiel für eine gute (Freie) Software, die auch
nach vielen, vielen Jahren unverändert gut ist und funktioniert.
Lediglich neue Ansprüche machen da so etwas wie Pflege nötig. Aber das
ist etwas anderes.

Es ist vielleicht kein paradiesischer Idealzustand, aber Spehr
plaziert das als Gegenbild gegen eine Herrschaft, die Kooperation
aufzwingt und somit den Individuen ihre unmittelbaren Machtmittel
nimmt.

Ja, aber er formuliert halt nur die Antithese. Das ist mir da genauso
zu wenig wie bei Tauschringen oder Subsistenzwirtschaft.

"nur die Antithese" ist gut. Ohne sie wird man wohl kaum auskommen.

Ja, aber nur mit ihr kommen wir eben auch nicht weiter. Die Synthese
ist es, die die Lösung bringt und die beide integrierend und
transzendierend sowohl die These als auch dir Antithese hinter sich
läßt.

Die Antithese bringt uns nicht weiter. Wer das nicht glaubt, der
sollte sich 150 Jahre Widerstand gegen den Kapitalismus und dessen
Ergebnis mal vor Augen halten.

Das Ergebnis ist eine stetige Modernisierung des Kapitalismus und da
ist durchaus das eine oder andere "positive" bei abgefallen.

Andernmails schreibst du beredt, daß das im Trikont nicht so ist. Aber
ich würde dir zu diesem hier schon zustimmen.

Das Buch "Die Aliens sind unter uns" aus dem der Abschnitt zitiert
ist, ist übrigens sehr lesenswert. Witzig geschrieben und sehr
lehrreich.

Ja, ich werde es mir wohl mal zu Gemüte führen müssen. Hast du einen
Link?

Nein, leider nicht. Aber eine ISBN: 3-442-75548-4 beim
Siedler-Verlag erschienen.

Mist, kann's mir jemensch als Mail schicken ;-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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Organisation: projekt oekonux.de



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