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Repression gegen Freie Software? (was: RE: [ox] Gedanken von den Berliner Konferenzen)



Hi Markus und Liste!

Hier nun der zweite Teil.

Last week (7 days ago) Markus Lauber wrote:
Stefan Merten wrote:
Und selbst Integrations-/Zerstörungsversuche müssen fehlschlagen, weil
die einmal in die Welt gesetzte Freiheit der Freien Software nicht
mehr einzufangen ist. Selbst wenn z.B. Folgeprodukte Freier Software
auf irgendeinem Weg privatisiert werden sollte - was nach GPL nicht
geht, aber die mag irgendwie anfechtbar sein -, dann kann jedeR das

Oh ich kann mir schon vorstellen, dass ein Kartellamt die GPL kassiert,
zumindest fuer die populaeren Distributoren, die fuer die Verbreitung der
Soft sorgen. Dieser verflixte Ueberbauapparat ist zu so manchem faehig.
Verbietet Parteien, Genehmigt Angriffskriege, Sanktioniert Lauschangriffe
und Asylrechtsabschaffungen usw. usf.

Ja wohl, aber du darfst nicht vernachlässigen, wessen Interessen da
jeweils bedient werden. Und dann wäre schon die Frage, wessen
Interessen durch einen solchen Schritt durchgesetzt würden und ob
diese Interessengruppe über ausreichend Macht verfügt.

Daß die Freie Interessengruppe (jetzt geht's aber los mit "Frei" ;-) )
stärker und bewußter wird, dafür arbeiten wir ja hier.

Na ja, die Anfänge siehst du in der kapitalistischen industriellen
Produktion ja schon. Da wird menschliche Arbeitskraft zunehmend durch
Roboter oder andere informatisierte Verfahren ersetzt. Damit
unterliegt aber auch die materielle Produktion immer stärker der
Produktion von Informationen und gehorcht immer mehr deren Gesetzen.

So? Fuer die Anschaffung hochspezialisierter Industrieroboter und den Aufbau
einer entspr. Fabrik brauche ich immer noch massig Kapitaleinsatz; wenn die
Software dazu kuenftig kostenlos kommt, na umso besser. Und wenn ich dann
nur noch 50 SpezialistInnen brauche, auch gut.

Ja genau. Du siehst selbst, daß Freie Software und Automatisierung *im
Interesse* erheblicher Kapitalsektoren liegt.

Ulrich Beck und Gerhard
Schröder halten fuer den Rest sicher schon den 'brasilianischen' informellen
oder Billiglohnsektor für die personenbezogenen DL bereit - der Rest kriegt
RTL2.

Genau. Das ist der immanente Ausweg im Rahmen der Arbeitsgesellschaft.
Einen fundamental anderen immanenten Ausweg sieht momentan nach meiner
Kenntnis in der Tat niemensch. Um so nötiger braucht es eine echte
Alternative - und die kann nicht mehr immanent sein, sondern nur noch
jenseits der Arbeitsgesellschaft liegen.

Es wäre also langfristig durchaus zu erwarten, daß Freie Projekte den
kommerziellen den Rang ablaufen - weil sie kostenlos *und* besser
sind. Freie Software macht das jedenfalls schon vor. Die aktuell
spannenden Entwicklungen laufen wohl im Bereich der Musik ab - wir
leben in spannenden Zeiten.

Ich sage mal: der entscheidende Trennstrich verlaeuft hin zur materiellen
Produktion, die ausser mit einem Replikator nicht beliebig und kostenfrei
kopierbar ist.

Na ja, der Replikator / Materialisator ist ja schon erfunden - der ist
praktisch nur noch Software-getrieben. Mindestens wird sich also eine
erhebliche Verbilligung der auf Freier Informationsgrundlage
hergestellten Waren ergeben. Und ich bin sicher, daß der sich
ergebende asymptotische Prozeß irgendwann in eine neue Qualität
umschlagen wird.

Warten wir's ab. Es werden noch Wetten angenommen, was wohl das erste
materielle Freie Produkt ist ;-) .

Stimmt: Eine Freie Bundesregierung müßte her ;-) . Am besten im Sinne
von Andy Müller-Maguhn: "Macht doch was ihr wollt, ich mache es ja
auch" ;-) .

DAS ist ja gerade der fundamentale Irrtum, dass totale (Markt)freiheit zu
echter Freiheit fuehrt.

Eine Freiheit Bundesregierung müßte natürlich als erstes Freies Geld
einführen ;-) . JedeR druckt sich was sie gerade braucht :-) .

Und ich wuerde mal tippen, dass Produkte (wenn es denn solche sind) wie
Linux auch auf eine gewisse Markenbildung (Branding) angewiesen
sind um sich
ausserhalb einer verschworenen Community (:-) durchzusetzen

Was meinst du mit Branding?

Marke im Sinne von Marke eines Produkts. Also etwa RedHat, Mercedes usw. Das
spielt in der momentanen Verbreitung von Produkten ja keine unerhebliche
Rolle.

Na ja, technisch sind zwischen den einzelnen Gnu/Linux-Distributionen
die Unterschiede nicht so gravierend. Daß einzelne Brands jetzt
hochgehypet werden, scheint mir mehr eine Folge des Versuchs zu sein,
Freie Software dann doch irgendwie zur Ware zu machen.

Nach meiner Wahrnehmung machen das die kommerziellen Distributoren
auch nicht. Gerade zwischen SuSE und RedHat scheint sich da eher eine
Arbeitsteilung anzubahnen: SuSE konzentriert sich auf den
HighEnd-Bereich währende RedHat mehr so den Microcontroller- und
Embedded-Bereich abdeckt. Das finde ich gut :-) .

durchaus vorstellen, dass man gegen Laeden wie SuSE und redHat eines Tages
z.B. kartellrechtlich vorgeht -

Auf welcher Grundlage?

Sie verschenken etwas um Marktmacht zu erlangen unter 'Wert'.

Genau das tun sie nicht. Die Werthaltigkeit einer
Gnu/Linux-Distribution bezahlst du genau mit den wenigen Scheinchen,
die du dafür rausrücken mußt. Wenn die Gnu/Linux-Distributoren
Preis-Dumping betreiben würden, dann müßten sie sich ja schon seit
geraumer Zeit irgendwie refinanzieren - und über bankräubernde
SuSE-Angestellte habe ich noch nix gehört ;-) .

Sozusagen der
Vorwurf an M$ von der anderen Seite.

Der Vorwurf kann auch aus anderen Gründen nicht funktionieren. M$ kann
dieser Vorwurf ja nur deswegen gemacht werden, weil ihre Software eben
nicht offen ist. Wären die Quellen offen zugänglich, dann könnte kein
Konkurrent sich beschweren.

Wenn man dann noch bei den Laeden ein
paar Produkte findet, die auf Linux laufen und nicht der GPL unterworfen
sind kann man daraus schon was machen. Klar, das klingt sehr ungerecht und
nach allgemeinem Rechtsverstaendnis auch nicht sehr wahrscheinlich, aber
moeglich ist vieles.

Also ich denke, daß das Recht da schon *sehr* gebogen werden müßte -
was ich nicht grundsätzlich ausschließen würde, aber wegen der
Machtverteilung der Interessengruppen nicht für wahrscheinlich halte.

"Filthy Hackers zerstören europäische Computerindustrie
und vernichten hunderttausende Arbeitsplätze" - egal ob's stimmt das ruft
Leute auf den Plan.

In der Tat. Aber momentan zerstört sich die europäische
Computerindustrie eher durch den Personalmangel als durch Freie
Software. Und daneben wird in der EU zunehmend das Engagement in
Freier Software als strategischer Standortvorteil gesehen.

Wie ist es mit PGP? Eigentlich eine wirklich super Sache. In der
Ursprungsvariante frei verfuegbar, selbstorganisiert usw. usf. Spielt das
heute bei Firmen wirklich eine Rolle, hat sich das ausserhalb einer gewissen
Szene durchgesetzt, oder bevorzugt man dann nicht doch Corporate-Lösungen,
MS-Trustcenter, die Verschlüsselung von LotusNotes etc. Ich hab vor einiger
Zeit mal den Versuch unternommen bei Leuten und Firmen fuer PGP zu werben,
der Erfolg war ausser bei den eh schon katholischen ein aeusserst geringer.

Oh, da weiß ich wie du fühlst...

Aber eine gute Frage. So aus der Hüfte würde ich mal sagen, daß der
Nutzen den Leuten nicht genügend ersichtlich war und die
Bequemlichkeit auch deutlich zu wünschen übrig ließ und also von daher
der Nutzen gering war.

Aber wenn es so wäre, daß gegen die repressiv vorgegangen würde, dann
wäre das nur ein Beweis dafür, daß die bürgerliche Gesellschaft und
ihre Agenten die existentielle Bedrohung erkannt hätten, die für sie
von Freier Software ausgeht. Hoffen wir, daß sie das nicht so bald
merken.

Hmm, erfahrungsgemaess gehen buergerliche Gesellschaften auch dann repressiv
vor, wenn sie eigentlich nicht wirklich bedroht werden. Und historisch
gesehen ist ein solches repressives Vorgehen zwar ganz schoen
kostenintensiv, aber bislang zumeist erfolgreich (Spanien 1936ff., Chile
1973, Faschismus in einigen kapitalistischen Staaten) - OK das ist jetzt
SEHR verkuerzt, aber denk mal drueber nach, oder um eine klassische Frage zu
stellen: wieviele Divisionen hat Linus Thorvald?

Tja, wenn das mit Divisionen ausgefochten werden müßte, wäre ich auch
skeptisch. Aber der Kapitalismus hat sich gegenüber den
Feudalgesellschaften auch nur am Rande kriegerisch durchgesetzt.

GPL ist erstmal wuerde ich provokativ sagen ein netter Common Sense, der
funktioniert, der aber AFAIK noch vor keinem Gericht getestet worden ist,
indem etwa jemand versucht hat SEINE Varianten von Linux schuetzen zu lassen
(und seien es nur die Aenderungen).

Nein, gerichtlich ist das wohl noch nie entschieden worden - weil es
bisher nicht so weit gekommen ist. Die bisherigen Vorgänge, die die
FSF wegen Verletzung der GPL angestrengt hat - und es waren in den
ganzen Jahren nur eine Handvoll - haben alle damit geendet, daß die
noch nicht Verklagten kleinbei gegeben haben, weil ihre Anwälte ihnen
wohl verklickert haben, daß sie keine Erfolgsaussichten gegen die GPL
hätten.

Mag sein, dass das nicht kommt, dass der
'Marktanteil' noch zu gering ist, aber daraus zu schliessen, dass weil das
jetzt ein paar Jahre so geht, aus GPL gleich die Grundlage fuer eine neue
Gesellschaft wird (werden koennte) - sorry, das erscheint mir dann doch
etwas zu hoch gegriffen.

Wir arbeiten dran, daß es niedriger wird ;-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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Organisation: projekt oekonux.de



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