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Fwd: Re: [ox] Macht des Faktischen (was: "GPL-Gesellschaft" oder was?)



Hi!

Da ich wie Stefan Mz. finde, daß das hier alle interessiert, forwarde
ich diesen PM-Thread mal zurück an die Liste.

------- Forwarded Messages

Date:  Thu, 5 Oct 2000 14:01:08 [PHONE NUMBER REMOVED]
From:  cr iac-research.ch (Christoph Reuss)
Subject:  Re: [ox] Macht des Faktischen (was: "GPL-Gesellschaft" oder was?)
To:  Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
Cc:  Stefan Merten <smerten dialup.nacamar.de>
Message-Id:  <v01530500b6020e74d397 [213.3.157.107]>

Hi Stefan,

sorry wenn ich nerve, aber ich kapiere das immer noch nicht:

Ehrlich gesagt sind mir die oben genannten Typen ziemlich egal.

Hmmm.  Dann geht aber Deine Selbstentfaltung *doch* auf Kosten Anderer
(=der 'oben genannten Typen'), oder?  ;-)

Ganz unironisch meine ich: Die unbeschränkte Selbstentfaltung ist
für jeden Menschen gut, also auch für diese Typen. Meine
Selbstentfaltung geht also nicht auf ihre Kosten, sondern nur auf
"Kosten" ihres "sich-auf-Kosten-anderer-durchsetzens". Das ist ein
wichtiger Unterschied!

Das "sich-auf-Kosten-anderer-durchsetzen" _ist_ doch gerade ihre Art der
Selbstentfaltung -- also sehe ich den "wichtigen Unterschied" nicht.

Wer solche Typen mal direkt erlebt hat, dem wird klar dass diese Typen
praktisch nichts anderes können als sich auf Kosten Anderer zu "entfalten"
- -- drum sind sie ja in dieser Funktion tätig...  (Stichwort: "Juristen
sind zu allem fähig aber zu nichts zu gebrauchen.")

Gruss,
Christoph




------- Message 2

Date:  Thu, 05 Oct 2000 21:57:12 +0200
From:  Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
Subject:  Re: [ox] Macht des Faktischen (was: "GPL-Gesellschaft" oder was?)
To:  Christoph Reuss <cr iac-research.ch>
Cc:  Stefan Merten <smerten dialup.nacamar.de>
References:  <v01530500b6020e74d397 [213.3.157.107]>
Message-Id:  <39DCDD18.3D6D706B hbv.org>

Hi Christoph,

warum per PM? Schick's doch weiter an die Liste, ist doch spannend
und für alle relevant...

Christoph Reuss schrieb:
Ehrlich gesagt sind mir die oben genannten Typen ziemlich egal.

Hmmm.  Dann geht aber Deine Selbstentfaltung *doch* auf Kosten Anderer
(=der 'oben genannten Typen'), oder?  ;-)

Ganz unironisch meine ich: Die unbeschränkte Selbstentfaltung ist
für jeden Menschen gut, also auch für diese Typen. Meine
Selbstentfaltung geht also nicht auf ihre Kosten, sondern nur auf
"Kosten" ihres "sich-auf-Kosten-anderer-durchsetzens". Das ist ein
wichtiger Unterschied!

Das "sich-auf-Kosten-anderer-durchsetzen" _ist_ doch gerade ihre Art der
Selbstentfaltung -- also sehe ich den "wichtigen Unterschied" nicht.

Wer solche Typen mal direkt erlebt hat, dem wird klar dass diese Typen
praktisch nichts anderes können als sich auf Kosten Anderer zu "entfalten"
-- drum sind sie ja in dieser Funktion tätig...  (Stichwort: "Juristen
sind zu allem fähig aber zu nichts zu gebrauchen.")

Deine Aussage lautete "Dann geht aber Deine Selbstentfaltung *doch*
auf Kosten Anderer". Die Antwort ist kurz: Nein, das ist nicht so.
Umgekehrt: Niemand setzt sich mehr auf meine Kosten durch. Das ist
der Unterschied.

Die Begründung versuche ich vielleicht mal so rum: Nimm mal an, wir
haben die Freie Gesellschaft, die Selbstentfaltungsgesellschaft. Was
die "Typen" nun nicht mehr können, ist, sich auf Kosten anderer
durchzusetzen. Diese alte Form der "Selbstentfaltung", die ja
bestenfalls eine Art "Selbstverwirklichung", also eine beschränkte
"Selbstentfaltung" war, ist nun nicht mehr möglich. Diese Form wurde
ihnen genommen, nein, nicht wirklich weggenommen, sondern sie ist
einfach entfallen. Nun können sie sich "nur noch" entfalten wie alle
anderen auch: nämlich kooperativ. Dieses "Entfallen" ging jedoch
nicht auf ihre "Kosten", sondern eigentlich müssten sie froh sein,
dass sie die alte Weise nicht mehr betreiben müssen. Sie verlieren
ihre Ketten und gewinnen damit alles.

Nun gut, es gibt nicht wenige, die das
"sich-auf-Kosten-anderer-durchsetzen" ziemlich automatisiert haben,
sozusagen nicht mehr anders können. Und Umlernen ist schwer, arme
Schweine. Das habe ich am letzten Wochenende bei einem Seminar mit
ein paar Leuten so überlegt: Wenn das Geld als allgemeines
Äquivalent hinfällig wird, dann muss aber die Börse unbedingt
aufrecht erhalten werden, damit die Börsenfetischisten immer noch
weiter was zum Spielen haben. Da es da sowieso nur noch um eine
simulierte Ökonomie geht, kann man die Simulation einfach
weiterlaufen lassen ;-)

Das "sich-auf-Kosten-anderer-durchsetzen" obsolet werden zu lassen,
geht auf Kosten von niemand, sondern schliesst sogar die alten
"Durchsetzer" mit ein. Dann könnte man vielleicht sogar mit Bill
Gates ein Bier trinken gehen, und er könnte sein Herz ausschütten
über die geldgetriebenen Idiotien, die er in seinem Leben so
aushecken musste, die er aber eigentlich selbst zum Kotzen fand. Und
wenn Bill nicht so gut drauf ist, setzen wir ihn an den
Börsensimulator, wo er weiter den "Wert" seiner M$-Aktien steigern
kann ;-)

Ciao,
Stefan

- --
  Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen
  HA II, Abteilung Datenverarbeitung
  Kanzlerstr. 8, 40472 Duesseldorf
- --
  stefan.meretz hbv.org
  maintaining: http://www.hbv.org
  private stuff: http://www.meretz.de
- --


------- Message 3

Date:  Sat, 7 Oct 2000 20:38:23 +0200
From:  cr iac-research.ch (Christoph Reuss)
Subject:  Re: [ox] Macht des Faktischen (was: "GPL-Gesellschaft" oder was?)
To:  Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
Cc:  Stefan Merten <smerten dialup.nacamar.de>
Message-Id:  <v01530501b6029d0b573e [213.3.152.14]>

Hi Stefan,

ich halte diesen Thread für etwas zu repetitiv für die Liste, aber es
steht Dir frei, ihn oder Teile davon an die Liste zu forwarden...


Stefan Meretz schrieb vorgestern:
Nun können sie sich "nur noch" entfalten wie alle
anderen auch: nämlich kooperativ.

Können die das?  Das ist eben die "multi-million $ question"...


Dieses "Entfallen" ging jedoch
nicht auf ihre "Kosten", sondern eigentlich müssten sie froh sein,
dass sie die alte Weise nicht mehr betreiben müssen. Sie verlieren
ihre Ketten und gewinnen damit alles.

Ich schätze mal:  Wenn's so wäre, würden sie's sofort tun, oder wenigstens
aktiv selber auf die GPL-Gesellschaft hinarbeiten.  Wer möchte denn nicht
seine Ketten verlieren?
(oder meintest Du ihre Gold- und Perlenketten? ;-} )


Nun gut, es gibt nicht wenige, die das
"sich-auf-Kosten-anderer-durchsetzen" ziemlich automatisiert haben,
sozusagen nicht mehr anders können. Und Umlernen ist schwer, arme
Schweine. Das habe ich am letzten Wochenende bei einem Seminar mit
ein paar Leuten so überlegt: Wenn das Geld als allgemeines
Äquivalent hinfällig wird, dann muss aber die Börse unbedingt
aufrecht erhalten werden, damit die Börsenfetischisten immer noch
weiter was zum Spielen haben. Da es da sowieso nur noch um eine
simulierte Ökonomie geht, kann man die Simulation einfach
weiterlaufen lassen ;-)

Da kennst Du die Psyche dieser Typen aber schlecht.  Da müssen schon
echte Menschen echte Verluste (an Schweiss, Nerven, Zeit, Geld, etc.)
machen, damit diese Typen Spass am Spielen haben (oder wie ich zu
Stefan Mn. sagen würde: "E(psi) ziehen" ;-} ).  Ausserdem geht es
nur am Rande um Börsenspekulationen, sondern die meisten der
aufgezählen Typen/Berufsgruppen stehen doch ziemlich real in der
Gesellschaftsausbeutung.

Ich billige das überhaupt nicht, sondern möchte nur auf das m.E.
Haupthindernis zur Realisierung der GPL-Gesellschaft hinweisen.
Wenn ich zu pessimistisch bin, um so besser.  Ich warte genüsslich
drauf, dass Gates pleite geht (man darf ja träumen, oder?)  ;-)
Von mir hat M$ jedenfalls noch nie "'ne müde Mark" bekommen...

Gruss,
Christoph





_______________U$A: weiter hin zur Anti-GPL-Gesellschaft_______________

Abstract of "Bowling Alone" by Robert D.Putnam (Simon & Schuster, 2000)

<<<<
BOWLING ALONE
In America, local communities have become weakened by television watching,
solitary pursuits, shopping malls and disaffection with political activities

Since being criticised after writing an article in The Journal of Democracy
in 1995, Robert Putnam has now written a book which strengthens his thesis.
It is that voluntary associations are dying in America. Even social
get-togethers like bowling are affected. Between 1980 and 1993, the number
of bowlers increased by 10 per cent -- which seems good; in the same period,
league bowling, when people really talk with one another, even about civic
matters, shrunk by 40 per cent -- which is not good. In short, there has been
a decline in what Putnam calls "social capital". By this, he means the
social networks between individuals and the norms of reciprocity and trust
that build up between individuals which, in turn, leads to responsive
government and also the necessary integuments for new businesses.

Many other examples can be given. Voter turnout dropped by nearly a quarter
between the 1960s and 1990. In the 1960 Presidental Election 63% turned
out; in 1996, it was 49%. This cannot be good for democracy. Participation
in religious services, and also church social activities has declined by
about a sixth since the 1960s. Trade union membership has dwindled from 35
per cent of the non-agricultural workforce in 1954 to 16 per cent now. More
than 12 million people belong to parent-teacher associations in the early
1960s compared with fewer than 7 million in the early 90s. Far fewer people
are volunteering to help with organisations such as the Boy Scouts and the
Red Cross, or wanting to join fraternal clubs such as the Lions or the Elks.

The mirror image of this is that the average American household spent about
three hours a day watching television in 1954, but over 7 hours in 1994,
absorbing almost two-fifths of the average citizen's free time. In 1960, 19
per cent of married women with children had jobs outside the home; by 1993,
60 per cent did. Neighbourhood shops where customers knew the proprietors,
and could have a chat about local affairs (and obtain credit in
emergencies), have declined in the face of anonymous shopping malls. Local
eating places have been killed by the fast-food takeaway. People are
travelling long distances to work, usually by car, and usually alone.

There has been a significant generational change. A civic generation, born
between about 1910 and 1940, was much engaged in civic affairs, but is
obviously now declining in vigour as it reaches old age. The generation
born after the second world war has known only peace and prosperity and has
had little to strive for politically. As though let off their social
responsibility leashes, politicians have become tainted by scandal and
corruption. The younger generation are now deeply cynical about politics,
and only a quarter turn out to vote in even the most important elections.
Another generation of this deterioration will make America merely a
middling country in the civil-society league with dire effects on the
integrity of the existing democratic system, and possibly on the formation
of new enterprises. The impoverishment of America's hitherto rich social
life doesn't augur well for the future.





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