GPL-Gesellschaft und Macht (was: [ox] Amerikanische Kommerzialisierungskritiker hoffen auf Europa)
- From: Stefan Merten <smerten dialup.nacamar.de>
- Date: Tue, 03 Oct 2000 18:44:54 +0200
Hi Hartmut!
4 days ago PILCH Hartmut wrote:
http://www.zeit.de/2000/40/Kultur/200040_st-rifkinkurz.html
...
Ein disparates Gemengsel aus stoischen Konservativen, zahnlosen
bürgerlichen Kulturkritikern, trotzigen Altmarxisten, Protestaktionen
von Schafzüchtern gegen McDonald's-Filialen - alle miteinander fern
der Macht und des Willens zur Macht.
...
Auch Oekonux scheint fern von Macht und Willen zur Macht.
Ich würde zunächst mal sagen, daß wir diesen Komplex hier bisher
einfach nicht thematisiert haben. Ich halte das für ein Defizit, aber
ich denke: kommt Zeit, kommt Debatte.
Ich für meinen Teil würde jedenfalls Oekonux im Kern nicht in die o.g.
Riege einsortieren und wehre mich auch dagegen in diesen Topf - den
ich in Teilen recht gut kenne - hineingeworfen zu werden. Klar,
momentan wird hier nur debattiert, aber ersichtlich drängt es schon
einige zur weiteren Tat und das ganze Projekt ist ja letztlich das
Echo einer Bewegung, die sich bereits eine ganze Menge Macht geholt
hat - unbewußt bisher aber es gibt ja uns ;-) .
Sicherlich passt
schon das Konzept "Macht" selber nicht zum Bild von der "GPL-Gesellschaft"
oder "selbstentfaltenden Gesellschaft".
Das würde ich nicht so ohne weiteres sagen. Wie gesagt: Wir haben dazu
noch ganz wenig nachgedacht und jedenfalls auf meiner inneren
Landkarte sind da noch riesige weiße Flächen. Klar komme ich auch aus
einer bestimmten politischen Kultur und sehe natürlich die Chance
einiges davon in einer GPL-Gesellschaft umzusetzen. Gleichzeitig
versuche ich aber auch offen dafür zu sein, daß es anders kommen kann
und wird als wir uns das alle heute vorstellen können.
Bleibt der Verweis auf die Untersuchung der (Macht-)Strukturen in der
Freien Software...
Mir will es jedoch nicht so recht einleuchten, wie ein Ozean aus 6 Millionen
Wassertropfen ohne Wellenberge- und Taeler und ohne Ebbe und Flut auskommen
soll. Menschen sind ziemlich schwach und
Na, ich hab's ja nicht so mit den anthropologischen Konstanten. Ich
würde dir zustimmen, daß Menschen heute schwach gemacht werden. Wenn
du dir Kinder manchmal anguckst, dann "müssen" die auch geschwächt
werden, um in dieser Welt überhaupt überleben zu können :-( ...
fuehlen sich in Machtgebilden
relativ sicher.
Aber höchstens in manchen - wer fühlt sich in einer Diktatur oder
Mafia-Struktur schon sicher?
Du meinst vielleicht, weil Macht Strukturen stabilisiert, schafft sie
Sicherheit, die Menschen zugestandenerweise brauchen. Da könnte es
dann aber auch andere stabilisierende Faktoren geben als Macht - oder?
Ich sehe auch keinen Faktor, der die Organisation in
Machtgebilde irgendwie aendern koennte.
Na, die Antwort ist einfach: Machtmittel begrenzen, verhindern,
abschaffen. Ein Mensch ohne Machtmittel ist in der Tat eine relativ
armselige Figur und i.d.R. nicht sonderlich furchterregend.
Dann müßten natürlich auch die strukturellen Machtmittel dran glauben
- allen voran das Geld.
Die Frage ist nicht ob sondern wie.
Ausser ein paar naheliegenden und dennoch sehr schwierigen Schritten wie der
Verhinderung von Softwarepatenten sehe ich nicht viele Moeglichkeiten.
Das ist genau eine Möglichkeit der Verhinderung von neuer Macht. Finde
ich sehr wichtig und ich bin froh, daß es Leute gibt, die da viel
Energie reinstecken.
Utopien, die auf Veraenderung der Menschheit und Abschaffung von Prinzipien
wie Machtanballung, Herrschaft, Kleingruppen, Konkurrenz etc zielen, finde ich
zwar spannend. Aber unter den gegebenen Bedingungen begibt man sich damit
moeglicherweise lediglich auf Abwege, die von der Bewaeltigung der
kapitalistischen Fehlentwicklungen noch weiter weg fuehren.
Ich sag' mal: Das eine tun, das andere nicht lassen.
Mit li(e)bertären Grüßen
Stefan
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