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[ox] Re: "Flügel"



Produktivkraftentwicklung oder was ?
Dazu ein Text aus dem Netz, zu finden unter:
http://www.stud.uni-hannover.de/user/69332/themen/thkritik2.html
(Gleichzeitig ein Vorschlag: emanzipierte Gesellschaft)

Arbeit ist Scheiße 
Von Boris Ekowski 

Sur l'eau, die Nummer 100 in Adornos Minima 
Moralia, behandelt die Frage, was man über das 
Ziel der emanzipierten, der von den 
kapitalistischen Produktionsbedingungen befreiten 
Gesellschaft sagen kann. Die "Erfüllung der 
menschlichen Möglichkeiten oder [der] Reichtum des 
Lebens" (177 f.) sind häufige Antworten aus den 
Bereichen Sozialdemokratie und Staatssozialismus 
gewesen. Damit ist das Projekt gemeint, durch 
Steigerung der Produktivität und Entwicklung neuer 
Technologien die Möglichkeiten der Menschheit zu 
erweitern, die bisher an der Beschaffenheit der 
Natur gescheitert sind.

Dahinter steckt allerdings nicht viel mehr als das 
Arbeitsethos der bürgerlichen Gesellschaft, in der 
die Produktion Selbstzweck ist. Nicht die 
konkreten Dinge und die einzelnen Bedürfnisse, die 
sie befriedigen, sind für die Frage, was 
hergestellt werden soll, letztlich entscheidend, 
sondern die Kapitalvermehrung. Darum geht's in der 
emanzipierten Gesellschaft nicht mehr; wenn aber 
die Erweiterung der menschlichen Möglichkeiten 
pauschal das höchste Ziel abgäben, spielten die 
einzelnen Bedürfnisse auch bloß eine 
untergeordnete Rolle.

Es gäbe durchaus Gründe, eine 
Produktivitätssteigerung anzustreben, für die man 
zunächst mehr arbeiten würde: um mehr Sachen zu 
herzustellen bzw. dieselbe Menge in geringerer 
Zeit. Beides Effekte, die unter kapitalistischen 
Bedingungen nicht den Menschen, sondern dem Gewinn 
zugute kommen. Man könnte genausogut die 
Produktivität so lassen wie sie ist, wenn die 
Arbeit die Bedürfnisse deckte.

Die Freiheit in einer befreiten Gesellschaft ist 
weitestgehend nur negativ bestimmbar. Gut,
niemand soll hungern oder friern, medizinische 
Versorgung soll für alle gleichermaßen 
gewährleistet sein; dafür sind Arbeitsteilung und 
ein gewisses Maß an Produktivität erforderlich. 
Sonst positive Zwecke wären solche, die den 
Menschen aufgezwungen werden müßten, wenn sie sich 
nicht darauf verständigt hätten, wenn sie ihre 
wirtschaftlichen Ziele nicht gemeinsam geplant 
hätten. Wie so eine Planung dann aussähe kann und 
muß man nicht sagen.

Das Kapital überwindet Schranken, die seiner 
Vermehrung entgegenstehen. Z.T. funktioniert das 
Kapital also mithilfe eines Mechanismus der 
Schranken überwindet, die für die Menschen früher 
Naturgewalt und unausweichliche Not bedeutet 
haben. Das Kapital bedient sich Methoden, die zur 
Überwindung der menschlichen Not dienen können 
(z.B. Kunstdünger).

Entgegen der Meinung einiger Ökologiebewegten ist 
eine höhere Produktivität, die sich ja meist einer 
neuen Technologie oder neuen irgendwie in die 
Natur einzubringenden Stoffen verdankt, weder gut 
noch schlecht. Nur wenn die gesteigerte 
Produktivität Selbstzweck ist, das höchste Ziel, 
dann ist klar, daß sie nicht als Mittel für die 
Bedürfnisse der Menschen da ist. 

Wenn die Not beseitigt wäre, könnte man z.B., wie 
Adorno vorschlägt, einfach "auf dem Wasser liegen 
und friedlich in den Himmel schauen, "sein, sonst 
nichts, ohne alle weitere Bestimmung und 
Erfüllung'" (179).


 


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http://www.oekonux.de/



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