Message 00472 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT00406 Message: 10/23 L4 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: Unfähigkeit zur Selbstentfaltung



Hi,

Steffen Schwigon schrieb:
(1) Entfaltung muss nützlich sein. Doch was ist "nützlich"? Im gegebenen
Rahmen von Nutzen zu sprechen, bedeutet immer verwertungskompatibel zu
sein. Das finde ich ganz und gar nicht "nützlich", sondern nur noch
schädlich.

Ich bin da selber eigentlich ziemlich offen, was alles nützlich sein
kann und bin auch kein Verfechter des zwanghaften Verwertens von
irgenwas. Aber die *Be*wertung von Dingen, die die Menschen tun, macht
auch irgendwie ihre Kultur aus. Wir bräuchten ja dann praktisch eine
Kultur, die wertfrei ist, damit man dann auch nichts *ver*werten
kann/will.

Genau - doch *wertfrei* nur im ökonomischen Sinne! Wir gäben nichts auf,
gewännen aber sehr viel...
 
(Ich hoffe, ich habe die verschiedenen Werte-Begriffe nicht vollkommen
falsch gemischt, wo sie vielleicht gar nix miteinander zu tun
haben. Da kann/sollte man mich gerne korrigieren.)

Alltagssprachlich und auch -praktisch geht das ziemlich durcheinander,
denn die Übergänge sind unter unseren Bedingungen fliessend. Was ich
schädlich finde, ist die ökonomische *Ver*wertung, was ich gerne hätte,
wäre: etwas *wertvoll* finden zu können ohne gleich Geld zu assoziieren,
eine Haltung (etwa Solidarität) als *Wert* begreifen zu können ohne
gleich Kapital draus zu schlagen etc. Weil es so genau nicht ist, weil
die Verwertung letztlich alles bestimmt, ist auch der mediale
Wertediskurs so unerträglich weil heuchlerisch: Erst alles die
Vermarktwirtschaftlichung totalitär vorantreiben, dann Krokodilstränen
darüber vergiessen, dass "es keine Werte mehr gibt" (Familie,
Mitmenschlichkeit usw.).

Die Japaner sollen sowas angeblich aktiv betreiben: Unterordnung
der Persönlichkeit zugunsten der Gemeinschaft. Ich will jetzt aber
nicht dieses typische platte Buddhismus-Gequatsche anfangen. Keine
Ahnung, ob das bei denen wirklich so ist, und welche Ursachen das hat.

Ein überkommener kultureller Quasi-Zwang, der für viele den Tod
bedeutet: Karaoshi - Tod durch Überarbeitung.

Schöne Ostertage,
Stefan

-- 
  Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen
  HA II, Abteilung Datenverarbeitung
  Kanzlerstr. 8, 40472 Duesseldorf
--
  stefan.meretz hbv.org
  maintaining: http://www.hbv.org
  private stuff: http://www.meretz.de
--

---------------------
http://www.oekonux.de/



[English translation]
Thread: oxdeT00406 Message: 10/23 L4 [In index]
Message 00472 [Homepage] [Navigation]