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[ox] "Exemplar" (was: Def Produkt)




Liebe Oekonuxis!

Mein sprachliches Problem mit "Produkt", "Gut" und "Ware" ist gelöst.
Das was ich sagen will, drückt das Wort "Exemplar" am schönsten aus.
Dieses kann sowohl auf Linux- Distributionen, Linux- Systeme, Bücher,
Musikaufnahmen und Industriegüter angewandt werden. Durch diesen
gemeinsamen Begriff können die Gemeinsamkeiten aller dieser
verschiedenartigen Produkte* herausgekehrt werden. 

Ein Exemplar hat immer eine konkrete materielle Form. Die Anzahl der
Exemplare desselben Produktes zu einem bestimmten Zeitpunkt ist eine
natürliche Zahl. Exemplare desselben Produkts weisen starke
Gemeinsamkeiten in der Art ihrer Verarbeitung, ihrer Funktionsweise
und ihrem Aufbau auf. Diese Eigenschaften werden im Folgenden
"Informationen" genannt. 

Informationen oder Informationsprodukte lassen sich leicht
vervielfältigen und bearbeiten, viel leichter als etwa materielle
Produkte. Doch sie sind ihnen nicht gleichzustellen! Auf
Exemplarebene zeigt sich, daß das Exemplar eines
Informationsproduktes stets ein materielles Trägermedium beinhaltet.
Der Wert des Exemplars ist lächerlich, da Prduktionsmittel, die neue
Exemplare des Informationsproduktes erstellen (nicht das Medium! --
das ist nur der Rohstoff für das Exemplar), bis zum Abwinken
vorhanden sind. Diese Produktionsmittel sind vielfältig einsetzbar
-- derselbe CD- Rohling kann Exemplar einer Musikaufnahme oder
eines Betriebssystems werden, obwohl beide Informationsprodukte so
verschieden sind. Der Informationsgehalt ist bei Exemplaren von
Informationsprodukten sehr hoch. Alles dies ist bei materiellen
Produkten anders. Ihre Exemplare beinhalten nicht viel Information,
müssen mit spezialisierten Werkzeugen hergestellt werden, welche
zudem (im Moment noch) knapp sind. Der Wert eines Exemplares ist sehr
hoch.

Richtig ist die Aussage, daß die leichte Vervielfältigung von
Information nicht auf die Vervielfältigung der Exemplare materieller
Produkte übertragen werden kann. Ich halte es aber für Schwachsinn,
überhaupt in diese Richtung zu denken -- die Exemplare von
Informationsprodukten werden schließlich auch nicht kopiert, sondern
nur die darauf enthaltenen Informationen! Sinnvolle Schlußfolgerungen
für die Übertragung auf materielle Produkte sind, ohne gleich
Exemplare in grosser Stückzahl produzieren zu wollen, freie Produkte
zu entwerfen, also Spezifikation und Implementation (Imp. auf Inf.-
Ebene) jedem verfügbar zu machen, jedem die Möglichkeit einer
Mitgestaltung zu geben und mittels spezieller Lizensierungsschemata
eine Reprivatisierung zu verhindern. Die Herstellung der Exemplare
aber ist bei dieser Überlegung zunächst ausgeklammert. Es stehen der
Allgemeinheit noch nicht die nötigen Produktionsmittel zur
Verfügung. Das macht aber nichts. Wenn es keine Brenner geben würde,
könnten sich 1000 Linux- User zusammentun und ein Preßwerk
beauftragen -- eine schwierige organisatorische Aufgabe, aber
machbar. Da es kaum Unterschiede zwischen den Preßwerken gibt, könnte
man jedes nehmen -- daher hohe Konkurrenz -- daher niedriger
Stückpreis. Vermutlich läge das Exemplar einer 6- CDs- Distribution
dann bei etwa 2,-- DEM. Bei proprietären Betriebssystemen oder
anderen Softwareprodukten organisiert die das Produkt entwerfende
Firma auch die Herstellung der Exemplare und behält sich als einzige
das Recht vor, dies zu tun. Daher gibt es bei der Herstellung der
Exemplare keine Konkurrenz. Die gleiche Situation findet man auch bei
materiellen Produkten (z.B. Auto, Fernseher...). 

So sollte es stattdessen ablaufen: Die User der Autos und Fernseher
konstruieren die Geräte selbst oder geben ihre Vorstellungen an
Fachleute weiter, die sie dann für Geld in Konstruktionspläne fassen.
(Die Konstruktionsbüros sollen aber nicht an die Fabriken gebunden
sein, die später die Exemplare produzieren. Wenn es aber nicht anders
geht, sollte zumindest kein Zwang dasein, das Ergebnis in derselben
Fabrik herstellen zu lassen.) Nun sind freie Konstruktionspläne
vorhanden, von denen sich jeder die neuste Version aus dem Netz
ziehen kann. Abermals tun sich nun die zukünftigen Nutzer dieser
freien Geräte zusammen und lassen sich diese bei einem Autowerk ihrer
Wahl bauen (vermutlich beim günstigsten). Die Fabriken werden zu
Dienstleistungsunternehmen -- sie produzieren nicht mehr irgendwelche
selbstausgedachten Waren, um sie dann irendwem anzudrehen, sondern
stellen einen Service zur Herstellung der Exemplare eines frei
verfügbaren Produkts zur Verfügung. (Natürlich können sie auch die
Exemplare in Eigeninitiative herstellen und als Ware anbieten -- so
wie die Linux- Distributoren heute -- auf lange Sicht sind sie aber
damit nicht konkurrenzfähig.)

- - -   

*) Vielen Dank an Eike K., der Christian S. letzten Dienstag "zwei
paarweise disjunkte Buchexemplare" geschenkt und damit, ohne es zu
ahnen, mein Wortschatzproblem gelöst hat. Ab jetzt kann ich das Wort
"Produkt" wieder auf herkömmliche Weise verwenden -- sprich als einen
allgemeinen Begriff für "das Ergebnis von Arbeit".

Tschüß,
Thomas

}:o{#

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