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Re: [ox] GPL-Gesellschaft - Linux - Ware - Produktionsmittel



Hallo Beni,

Benedikt Huber schrieb:


Meiner Meinung nach sind Begriffe dazu da, die Wirklichkeit zu
_begreifen_.

Meiner Meinung nach ist ein "Begreifen" der Wirklichkeit nicht
möglich.

Wenn es nicht möglich ist, welchen Sinn hat es dann für Dich, Begriffe 
zu bilden?

Selbstverständlich gibt es eine Wirklichkeit.

Da sind wir uns einig.

Ich kann auch bestimmte Aspekte der Wirklichkeit mit Begriffen > bezeichnen und Sachverhalte in der Wirklichkeit mit Aussagen üüber > Begriffe wiedergeben.
Um _bestimmte Aspekte der Wirklichkeit_ zu bezeichnen, dazu bedarf es
noch keiner Begriffe.
Erst wenn ich eine bestimmte Anzahl unterschiedlicher _bestimmter
Aspekte der Wirklichkeit_ mit Bezeichner in eine Sinnbeziehung gebracht
habe, kann ich das, was diese verschiedenen Aspekte _gemeinsam_ haben,
wiederum mit einem Bezeichner bezeichnen. Dieser Bezeichner
unterschiedlicher Bezeichner, also ein Bezeichner der zweiten Stufe, hat
selbst keinen äusseren Sinn, sondern bezieht sich auf Bezeichner, welche
ihrer Realität nach Repräsentationen von _bestimmte(n) Aspekte(n) der
Wirklichkeit_ in unserem Denken sind. Diese Bezeichner der zweiten Stufe
(Begriffe) kann ich logisch verknüpfen, was ich mit den Bezeichnern der
ersten Stufe, wegen ihrer unmittelbaren äußeren Sinnhaftigkeit nicht
kann.

Der Begriff _ist_ aber natürlich nicht der Sachverhalt 

darüber sind wir uns einig.

und kann ihn auch nie komplett wiedergeben, durch die Abstraktion  > und Verallgemeinerung klafft immer eine mehr oder weniger grosse > Lücke.

Der Begriff bezieht sich doch nicht auf den äusseren Sachverhalt,
sondern auf die vermittelst unserer Sinneswahrnehmung erstellten
Repräsentationen der Objekte ausserhalb von uns. Hier stellt sich die
Frage, wie gut ist unser Sinnessystem an unseren Lebensraum angepasst.
Aber unsere Begriffsbildung hat gar nicht das Ziel, unseren Lebensraum
komplett wiederzugeben. 
Du hast geschrieben:"Begriffe sind dazu da, sinch der Wirklichkeit
anzunähern und nicht eine neue Abgehobene Wirklichkeit zu bauen und der
sie der Realität überzustülpen!"(4.4.2000, 12:12)
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass du die Wirklichkeit als
etwas dir Gegenüberstehendes, getrenntes betrachtest, auf das du
zugehst, aber nie erreichst. Ich meine hingegen, dass wir Teil der
Wirklichkeit sind und unsere Begriffe so konstruieren, dass wir uns in
unserem Lebensraum, der eben auch nur ein Teil der Wirklichkeit ist,
optimal zurechtfinden.
In dieser Sichtweise hat das sprechen von Komplettheit keinen Sinn.

Deshalb ist es naiv, wenn ich glaube, dass eine Schluss, den ich
durch sprachlich-logisches Operieren mit Begriffen ziehe, auch
in der Wirklichkeit zutreffen muss, wenn diese Operation korrekt
ist.

Dem kann ich voll zustimmen, dass das bei bestimmten Begriffsbildungen 
so ist. Ich denke da zum Beispiel an die meisten mathematischen Modelle
in der Physik. 

Denn während der logischen Operation wachsen sozusagen die
Rundungsfehler der Abstraktion an und ihre Quantität schlägt
irgendwann in Qualität um.

Was das zu bedeuten hat, entzieht sich meinem Verständnis. Selbst aus
der Mathematik sind mir Rundungsfehler nur aus der Numerik bekannt. Die
Probleme, die in der Analysis auftauchen, haben eher etwas mit der Logik
als mit Rundungsfehlern zu tun. (Siehe die unterschiedliche Auffassungen
über das "unendliche".)

Wenn ich also einen Schluss gezogen habe, muss ich ihn nochmals
an der Wirklichkeit überprüfen und gegebenfalls meine Begriffe
überprüfen, wenn sich herausstellt, dass die Abstraktion die in
ihnen steckt, für genau den logischen Schluss, den ich gezogen habe
nicht mehr hinreicht.

Also ich vermute hier einmal, dass du das Ergebnis des Schlusses an der
Wirklichkeit überprüfen möchtest. Das ist allemal anzuraten, während ich
bei der Frage, ob der Schluss stimmt, eher meine Logik überprüfen würde,
ob sie adäquat ist.Die Begriffsbildung selbst muss ich allerdings immer
an den Sachverhalten überprüfen.

Übrigens zeigt gerade die moderne Wissenschaft, dass das Gehirn
ein selbstorganisierter, evolutionärer Prozess ist. Deshalb können
auch die Begriffe, die es hervorbringt nur Näherungen, die sich
in Entwicklung befinden sein.
 
Ich würde sagen, dass das Gehirn das Hervorgebrachte eines evolutionären
Prozesses ist. Bei der Entstehung des Primatengehirns haben nicht nur
"selbstorganisierende" Momente mitgewirkt, sondern auch Zufallsprozesse.
Aber auch dein Schluss, dass etwas, das aus einem
"selbstorganisierte(r)n, evolutionäre(r)n Prozess" entstandenes nur das
leisten kann, was vorher schon da war, widerspricht jedem evolutionären
Verständnis. Ein Kombinat aus Teilen kann Eigenschaften haben, welche
bei den Teilen noch nicht vorhanden sind. Die Lebewesen sind ein
Kombinat aus chemischen Bestandteilen, jedoch ist die Eigenschaft der
Lebendigkeit auf chemischer Ebene noch nicht vorhanden.

Leider sehen gerade Marxisten ihre eigene "Wissenschaft" nicht
unter dieser (dialektischen) Prämisse sondern sprechen von
"objektiver" Erkenntnis, "ehernem Wertgesetz" und ähnlichem Unsinn
und haben sich daher zu Recht einen Ruf als hohle akademische
Phrasendrescher erworben.

Mir ist nicht klar, was dieser Abschnitt mit der zuvor geführten Debatte
zu tun hat. Ich habe gesagt, dass ich niemand kenne, der die Problematik
der Differenz von Tauschwert und Gebrauchswert so umfassend und
detailliert dargestellt hat. Damit habe ich noch nicht gesagt, dass
diese Analyse vollständig korrekt ist. Zum Beispiel hat Werner Loh
darauf hingewiesen, dass bei Marx ein Konkretionsreduktionismus von
Produktion auf Arbeit vorliegt. Das hat natürlich weitreichende
Konsequenzen.

Dass es in marxistischer Tradition auch lebendige Wissenschaft
geben kann zeigt für mich der Operaismus, der Wert und Lohn auch
als jeweils aktuelles Ergebnis der Klassenkämpfe (Neuzusammensetzung
der Arbeiterklasse) sieht. Und damit als Funktion eines  > evolutionären, dynamischen gesellschaftlicgen Prozesses und gerade  > nicht als einfache Funktion der momentanen Arbeitsproduktivität.

Den Operaismus sehe ich überhaupt nicht als eine Wissenschaft, sondern
als Interessenpolitik, zwar politischer als Gewerkschaftspolitik, aber
eben als Interessenvertretung.
Falls sich der letzte Satz auf Marx beziehen sollte, dann liegst du hier
völlig daneben. Marx war kein Funktionalist. Auch wenn Marx den Begriff
nicht gekannt hat, er war Kybernetiker.
 
Puh!

Ich atme, also bin ich.

Was heisst es denn für Dich zu "sein" ? Wenn Du damit z.B.  > Bewusstsein verbindest, dann stimmt das eben nicht mehr, denn auch  > ein Hirntoter atmet. Die Begriffe "Atmen" und "Sein" müssen dann > eben näher bestimmt werden, damit der Satz noch stimmt.

Ich würde mal sagen, dasselbe wie für dich. Ich kann dies äussern, weil
mir das bewusst ist. Ich denke mal, dass dies bei dir auch so ist. Das
ist natürlich eine Unterstellung. Aber auf dieser Unterstellung beruht
Gesellschaftlichkeit schlechthin. Bedeutungen muss immer das Individuum
schaffen, im sozialen Prozess wird der soziale Zusammenhang über einen
gemeinsammen Sinnzusammenhang und über Zeiger (Bezeichner) auf den
äusseren Gegenstand hergestellt. So muss jedes Individuum in seiner
Ontogenese sich die Kultur der Gesellschaft aneignen. (Dux)
Bist du dir sicher, dass ein Hirntoter atmet? Ich denke eher, dass er
beatmet wird. Aber da bin ich mir nicht sicher, ob es Hirntote gibt, die
noch selber atmen können. Aber was mich vom Hirntoten unterscheidet, ist
das, dass ich das weiß, dass ich atme, der Hirntote weiß es nicht,
selbst wenn er selbständig atmet.
Dein Problem ist eben, dass du von dem Satz "Ich atme, daher bin ich",
mich als lebendigen Menschen, der sich dessen bewusst ist, abgetrennt
hast. Dies ist das Vorgehen des empirischen Positivismus, wie er von
Popper vertreten wird. Das habe ich in der letzten mail schon vermutet,
leider bist du darauf nicht eingegangen.
 
Nicht jedes beliebige Wissen ist automatisch von Wert oder
als Produktionmittel zu betrachten. _Standards_ sind ein
Produktionsmittel weil sie den Austausch und die Zusammenarbeit
ermöglichen. Dazu müssen sie allerdings (mehr oder weniger)allgemein
anerkannt sein. Da es nicht beliebig viele Standards geben kann,
sind auch diese ein begrenztes, allerdings auch ein vermehrbares Gut.

Selbstverständlich können diese ohne weiteres privatisiert werden.

Die sind doch privat.

Nein - viele Standards wie TCP/IP, HTTP, SMTP, DNS etc. pp. gehören
niemandem.
 
Da hast du recht. Habe ich nicht reflektiert.

Das es so ist wie Du sagst verdanken wir nur der Blödheit von
Microsoft, die jede Mengen Entwicklungen verschlafen haben.

Sicher gibt es Managementfehler, aber es wäre an der Systematik
vorbeigeredet, wenn  alles krisenhafte des Kapitals auf Managementfehler
zurückgeführt würde. Die Problematik liegt doch darin, dass das Kapital
darauf beruht, dass Wert selbst Wert hervorbringt. Das ist ein
interessierte Illusion.
Maschinen können Kraft verstärken und dadurch nützlich sein. Aber das
Hebelgesetz gilt eben für jede noch so komplexe Maschine - was an Kraft
gewonnen wird, geht an Weg verloren. Und damit ist auch klar, dass
Maschinen eben nur Energie _umwandeln_ können, aber nicht vermehren. Sie
können nichts neues hervorbringen. Etwas anders sieht es bei der Natur
aus. Natur kann neues hervorbringen. Aber im Unterschied zum Menschen
kann die vormenschliche Natur nicht Ihre eigene Umgebung, d. h.
Lebenswelt hervorbringen. Die Tiere leben davon, was sie in der Natur
vorfinden. Erst der Mensch schafft sich seine Lebensumgebung selbst. Das
hat Marx erkannt und in seiner "Kritik der politischen Ökonomie"
dargelegt. (oder auch: Das Kapital).

Dass es auf dem Gebite der Betriebssysteme Konkurrenz gibt,
verdanken wir doch nicht dem "Interesse" des Kapitals, das
ein Monopol nicht zugelassen hätte, sondern den Glück und
Zufall.

Ich habe nicht vom Interesse des Kapitals gesprochen. Ich denke, die
Konkurrenz ist eine immanente Antriebskraft des Kapitals. Und die Bürger
geben sich in den politischen Institutionen die Mittel, um diese
Konkurrenz durchzusetzen.

Du kannst Eigentümer deines Hauses, Autos, Computers etc. werden, aber
nicht Eigentümer des Betriebssystems, mit dem du deinen Computer
betreibts.

Also was jetz da an kleingedrucktemn  auf der Schachtel steht finde
ich nicht entscheidend. Es würde auch nichts nutzen wenn ich
Eigentümer meines Word wäre, denn beim nächsten Update bin ich
wieder dran mit kaufen.


Dass du berappen musst, weiss ich so gut wie du. Das ist nicht der
springende Punkt. 
Stell dir vor, du kaufst ein Auto und im kelingedruckten steht, dass du
das Auto nur so benutzen darfst, wie es gekauft ist. Du darfst es nicht
aufmotzen lassen (ich unterstelle dir jetzt nicht, dass du
Autofetischist bist), du darfst es nicht in seine Einzelteile zerlegen
etc. Würdest du dir als _Eigentümer_ deines Autos dies gefallen lassen?
Im bürgerlichen Rechtssinne ist das unvorstellbar. Wenn du jedoch nicht
Eigentümer, sondern nur Besitzer bist, kann dir der Eigentümer alles
mögliche vorschreiben. Denk nur an manche Mietverträge bei Wohnungen.
Falls dir diese Vorschriften nicht passen, musst du ja die Wohnung nicht
mieten. Und wenn dir die Lizenzbedingungen nicht passen, musst du ja
Winword nicht mieten. Kaufen kannst du es ja nicht, weil M$ die Software
ja nicht verkauft.
Deshalb stimmt auch nicht, dass du wieder dran bist beim Kaufen. Du bist
dran, für die Renovierung zu bezahlen, wenn dir die alte Hütte nicht
mehr passt. 
Sowas wurde schon versucht und wird auch wieder versucht werden.
Wer weiss ob nicht AOL irgendwann das ganze Internet kauft.

Von wem soll den AOL das _ganze_ Internet kaufen. Da müsste es  > > doch einen Eigentümer geben, der der sein Eigentum an jemanden > > anderes veräussert. Hier müsstest du Ross und Reiter nennen.
 
Na sie müssten eben die wichtigsten Backbone-betreiber kaufen.
Bzw die wichtgsten Backbone-Betreiber müssten fusionieren. Dann
könnte man die paar verbleibenden Kleinen aussperren.

Und du glaubst, dass da die anderen einfach zuschauen würden?
 

Spannend ist es, diesen weiteren Dialog zu untersuchen. Habe aber > > gerade keine Zeit dazu.

 
Schade, denn ich finde es gerade dann spannend wenns um open
Software geht.

Tschau, Beni
 
Da stimme ich dir zu. Aber es ist ja nicht aller Tage Abend.

Gruss Ingo.

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http://www.oekonux.de/



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