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Hardware User Groups (Re: [ox] Letzter Teil Paper GPL-Gesellschaft)



Hi Thomas und Liste!

Gerade im Sinne einer Theoriebildung ein hochinteressanter
Gedankengang. Ich versuche dir mal eng zu folgen.

8 days ago Thomas Uwe Gruettmueller wrote:
Was mir im Zusammenhang mit den Zukunftsaussichten auffällt, ist, daß
du zwar beschreibst, wie die GPL- Gesellschaft aussehen könnte,
jedoch klingt das Ganze so noch viel zu sehr nach einer Vision,

Na ja, als solche war das Paper zumindest ja auch konzipiert.

Und als Vision/Utopie hat das Paper eben auch das Recht, hier und da
vielleicht ein bißchen zu spinnen. Eine positive Utopie ist ja gerade
dazu da, ein erwünschtes Bild zu projizieren - nicht eine Prognose zu
liefern. Die Erreichbarkeit der Utopie oder zielführende
Handlungskonzepte sind eine andere Frage - die natürlich auch wichtig
sind.

zudem
nach einer wohlbekannten ;o).

Da sprichst du was wichtiges an. Mich stört auch irgendwie, daß vieles
an der Utopie mir sehr vertraut vorkommt. Ich bin da im Zweifel, ob
das daran liegt, daß eine Gesellschaft jenseits des Tauschprinzips
halt (von heute aus) nur so gedacht werden kann wie es da steht, oder
ob wir einfach noch zu vernagelt sind, um uns im Lichte des neu
Entdeckten was adäquateres einfallen zu lassen. Meine Nase meint eher,
daß da noch viel zu tun ist...

Daß aber die GPL- Gesellschaft, die du
beschreibst, unter bestimmten Umständen unweigerlich auf uns zukommt,
kann anhand einer Argumentationskette leicht gezeigt werden, so daß
jene GPL- Gesellschaft zur handfesten These wird.

Wow, da ist jemensch noch optimistischer als ich ;-) .

Vorbemerkung:
---------------
Zum Verständnis der folgenden Argumentation ist zu beachten, daß ich
das ungreifbare, imaginäre Linux nicht als Produkt ansehe, sondern
viel eher a) die Installations- CD, egal ob selbstgebrannt oder
fabrikmässig in Serie gepreßt und b) der lauffähige Linux- PC
(zumeist vom User durch geschicktes Verbinden von Installations- CD
und Roh- PC selbst hergestellt).

Mir ist nicht klar, warum du Gnu/Linux als nicht-materielles, aber
dennoch Produkt nicht stehen lassen magst.

Ok, nicht-materielle Informationsprodukte sind eben in unseren Zeiten
leicht zu kopieren, dennoch sind es Produkte, für die Menschen tätig
geworden sind. Vielleicht müßten wir hier klarer kriegen, wo genau der
Punkt ist.

Was sich durch GNU/Linux nun
geändert hat, ist demnach nicht wesentlich die Art der Herstellung des
Produkts, sondern die Planung seiner Funktionsweise, bzw. Verwendung.
Im weitesten Sinne wird dabei auch der Bauplan des Produkts
mitgestaltet (nämlich die Ausrichtung der Magnetfelder auf der
Festplatte ;o) Dieser Punkt müßte zukünftig noch weiter ausgestaltet
werden). Die Unterteilung eines Produktes in Funktionsweise, bzw.
Bauplan zum einen und stofflicher Umsetzung zum anderen kann auch bei
anderen Produkten (Auto, TV- Gerät) vorgenommen werden. Dabei ist es
wichtig, nicht die jeweils unwichtigere Seite wegzulassen, da so kein
Vergleich möglich wäre. Die besondere Arbeitsweise der GNU/Linux-
Entwickler wird, meine ich, auch weiterhin auf den planerischen Teil
beschränkt bleiben, was jedoch egal ist, da die stoffliche Umsetzung
in allen Bereichen, in die die GNU/Linux- Arbeitsweise vordringt,
zwangsläufig ähnlich nebensächlich wird, wie sie bei Software von
Natur aus ist.

Geht das in die Richtung, was ich als "Informationsgesellschaft auf
den Begriff gebracht" im Paper habe? Da wäre dann der Unterschied
zwischen nicht-materiellen Informationsprodukten und deren
Materialisationen in der Tat wichtig. Bin ich noch bei dir?

Forderungen:
--------------
Im Folgenden werden Besonderheiten von (freier) Software gezeigt,
sowie die Forderungen, die mit einer Übertragung jener Besonderheiten
auf die Planung des funktionalen Teils anderer Produkte, wie etwa
Fernseher oder Autos einhergehen. Nr. 1 und 3 beziehen sich dabei vor
allem auf die Fertigung des einzelnen, stofflichen Produkts, Nr. 2
setzt am funktionalen Hintergrund des Produkts an.

1. Software hat die Eigenschaft, daß sie geändert werden kann, ohne
daß die Herstellung des Produktes (Installations-CD oder lauffähiges
Computersystem) dadurch einen zusätzlichen Aufwand an Arbeitskraft
erfordert. Die erforderlichen Produktionsmittel (CD-Brenner oder der
Rechner selbst) bleiben die gleichen, lediglich die Art ihrer
Anwendung ändert sich.

Hier kommt dir m.E. die Unterscheidung zwischen materiellen und
nicht-materiellen Produkten in die Quere. Es ist ja in keiner Weise
entscheidend, ob die Gnu/Linux-Distribution auf CD vorliegt oder
direkt vom FTP-Server kommt. Entscheidender finde ich, daß es einfach
in eine Form zu kopieren ist, die benutzt werden kann.

Die Forderungen daraus wären zum einen
Stückzahl 1 und zum anderen, wo dies nicht möglich ist, eine
Möglichkeit der unkomplizierten Umstellung bei Serienfertigung.

BTW: Ein Prozeß, bei dem uns gerade die Autoindustrie vormacht, was
mit modernen Produktionsmitteln schon alles möglich ist. Es gibt bei
der Variantenvielfalt wohl kaum zwei Autos, die genau gleich vom Band
laufen. Die haben schon Stückzahl 1.

2. Linux ist "open source". Demhingegen sind andere Produkte (TV,
Auto) gewöhnlich Blackbox-Systeme.

Oh, das war mal anders. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß du
früher bei dem Papier zu einem HiFi-Gerät einfach mal der Schaltplan
dabei war - und eine Explosionszeichnung. Da konnte ich schnell eben
selbst mal Endtransistoren wechseln...

Daraus leitet sich die Forderung
ab, daß auch andere Produkte "open source" sein sollten. Dies könnte
dadurch erreicht werden, daß zunächst Umbauten (z.B. an Autos und TV-
Geräten) in Newsgroups, Mailinglisten und User Groups besprochen
werden.

Wenn "User Group" keine realweltliche Gemeinschaft ist, dann würde ich
die Stadtteilgruppe noch hinzufügen wollen. Muß ja nicht alles
virtuell sein ;-) .

Realweltliche Gruppen hätten sicher ein weites Feld der Betätigung in
ihrer unmittelbaren Lebensumgebung.

Was mir in dem Zusammenhang aber einfällt: Das Internet mit seinen
irren Vernetzungsmöglichkeiten hat es sicher auch erst ermöglicht, daß
sich genügend Gleichgesinnte treffen, um eine kritische Masse für z.B.
die Entwicklung von Gnu/Linux zu bilden. Wichtiger Punkt.

Umbau wäre dann z.B. das, was heute Tuning-Werkstätten an Serienautos
machen - richtig?

Später könnte auch die Planung völlig freier Geräte erfolgen.

3. Der Aufwand an Arbeitskraft, der den Rohstoff CD- oder PC- Rohling
zu einer brauchbaren Installations- CD, bzw zu einem laufenden
Computersystem veredelt, ist relativ gering, da die nötigen
Arbeitsschritte (des Über- oder Einspielens von Software)
vollautomatisiert ablaufen. Daraus ergibt sich die Forderung nach
Minimierung des Aufwands an Arbeitskraft und wenn möglich nach
Vollautomatisierung der Produktion.

Vollautomatisierung ist BTW ja immer erstmal relativ. Das was vorher
Arbeitskraft brauchte, läuft nun automatisch. Eine absolute
Vollautomatisierung vom Rohstoffabbau bis zu den nicht mehr
vorhandenen Supermarktkassen ist sicher noch weit entfernt.

Die Folgen:
-------------
Spätestens, wenn die geforderten Car User Groups sich nicht mehr
damit zufrieden geben, ihre proprietären Autos zu erweitern, sondern
Prototypen entwickeln wollen, entsteht beim Nutzer der Bedarf nach
Produktionsmitteln oder nach Dienstleistungen, die die geforderten
Einzelstücke in brauchbarer Qualität fertigen.

Genau. Du würdest eine Mail nach Wolfsburg zu den
"*Volks*wagen"-Werken schicken, in denen du sagst, was du haben willst
bzw. wie sie es zu konstruieren haben. Fachmenschen da würden dir ggf.
helfen.

Der Kapitalismus
reagiert natürlich auf diesen Bedarf und versucht ihn zu decken,
indem er derartige Produktionsmittel als Massenware auf den Markt
schmeißt (man denke dabei z.B. nur mal an CD- Brenner) oder aber
derartige Serviceleistungen anbietet ("Book on Demand" -- hmm... na
ja, hätte fast ein Beispiel dafür sein können). Forderung 1 wird also
erfüllt.

Da bin ich mir nicht so sicher. Bedingung wäre ja nicht nur eine
vereinzelte Nachfrage, sondern eine kaufkräftige Massennachfrage nach
solchen Produktionsmitteln / Services. Ob die da ist? Das wäre dann
ggf. ein Bruch in deiner Argumentationskette - oder?

Damit die Arbeitsweise der Computerfreaks auch auf die der Auto- und
Fernsehfreaks überschwappt, müssen sich diese ähnlich wie jene über
das Internet einerseits und in örtlichen Gruppen andererseits
organisieren (Forderung 2). Dadurch steigt die Chance, daß die
Benutzer ihre Kreativität (insbesondere, wenn sie, wie oben gezeigt,
dann über geeignete Produktionsmittel verfügen) an jenen Geräten
auslassen, und dies kann, wenn das Erfolgskonzept von Linux auch hier
aufgeht, so weit führen, daß die Produkte im Wesentlichen von den
Benutzern, und nicht länger von der jeweiligen Herstellerfirma
konstruiert werden

Das wäre dann quasi High-Tech-Subsistenz - oder?

Die Folge
davon wäre, daß alle Herstellerfirmen nahezu das gleiche produzieren.

Und zwar die universalen Werkzeugmaschinen a la CD-Brenner. Richtig?

Die Folge davon wiederum lautet: hohe Konkurrenz. Die enorm erhöhte
Konkurrenz führt dann einerseits zur Minimierung des Aufwandes an
Arbeitskraft bis hin zur Vollautomatisierung (Forderung 3) und
andererseits zu einem ständigen Sinken des Preises.

Das wäre zu erwarten.

Folge davon: Die Supermarktkassen können entfernt werden.

Leider nicht. Daß die Preise ständig sinken, führt ja leider nicht
dazu, daß sie Null auch tatsächlich erreichen.

Einschränkungen:
------------------
Die noch zu schaffenden Hardware User Groups spielen in obigen
Überlegungen eine wichtige Rolle, da sie zum einen die Produktion
auf ihren Bedarf spezialisierter Produktionsmittel ankurbeln, um dann
diese, sowie deren Produkte kreativ gleichsam eines Programmierers
(wobei dort der Computer, wenn er nicht gerade durch ein völlig
unbrauchbares Betriebssystem in seinen Möglichkeiten völlig
verstümmelt wurde, zugleich Produktionsmittel und Produkt ist). Die
ganze Konstruktion steht und fällt also mit dem Auftauchen der
Hardware User Groups.

Ich fürchte es gibt noch mehr Einschränkungen. S.o.

Eine andere Sache wäre, inwieweit sich die GPL überhaupt auf Baupläne
übertragen läßt, oder ob das überhaupt nötig ist,

Nötig ist es um Reprivatisierung zu vermeiden und übertragbar wäre die
GPL wohl auch.

und welchen Ärger
es mit dem Patentrecht geben könnte, und wie man um dieses
herumarbeiten kann...

Das wäre ein größerer Punkt.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


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http://www.oekonux.de/



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