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Re: [ox] GPL-Gesellschaft - Linux - Ware - Produktionsmittel



On Mon, Apr 03, 2000 at 09:57:18PM [PHONE NUMBER REMOVED], Philbert Desanex wrote:
Im Gegensatz zu den Selbstversorger-Bauern des Mittelalters koennen heutige
ProgrammiererInnen das Produkt ihrer Arbeit auf dem Boden von "Software und
Standards" nicht unmittelbar selbst essen, sondern muessen es, wenn sie denn
davon leben wollen, auf dem Markt an andere verkaufen. Eine passendere Analogie
waere also der kapitalistische Bauer, der fuer den Markt produziert und
logischerweise nicht einsieht, warum irgendein adliger Grundbesitzer, der keine
Arbeit investiert hat (eigene oder eingekaufte), etwas vom Ertrag abhaben
will. Das ist fast idealtypisch der Standpunkt der Bourgeoisie gegen den
Feudalismus, der sich auch vor Marx in der Entwicklung der oekonomischen
Theorie widerspiegelte: Waehrend die Physiokraten noch davon ausgegangen
waren, dass allein der Boden produktiv sei, sahen die buergerlichen
politischen Oekonomen um Smith und Ricardo allein die Arbeit als wertschaffend.

Da unterschaetzt Du die "kleinen Programmierer" ein wenig. Sie
nehmen nicht wirklich den Standpunkt der Arbeit ein, sondern den
Standpunkt des Netzes, oder weniger hipp, der Kommunikation. 

Der Witz ist doch gerade, dass bei Microsoft mindestens genausoviel,
wenn nicht sogar mehr gearbeitet wird, wie bei den "kleinen
Programmierern". Ich meine, da sind tausende von Leuten angestellt,
irgendwas muessen die ja tun, oder? 

Die kleinen Programmierer sind der Meinung, dass neben der Arbeit
auch die Kommunikation produktiv ist und Gebrauchswert schafft. Dies
kann nur funktionieren, wenn es keine Geheimnisse zwischen den
Teilnehmern des Marktes gibt, das ist der ganze Witz.

Genausowenig wie der buergerliche Standpunkt gegen den Feudalismus theoretisch
oder praktisch "falsch" war, ist es heute "falsch", wenn ProgrammiererInnen die
Monopol-Praktiken von Microsoft kritisieren und dabei den Standpunkt der
produktiven Arbeit vertreten. Ich halte allerdings die Trennung zwischen
Programmierarbeiten, fuer die man privat Geld kassieren kann, und welchen, die
nicht privatisiert werden duerfen (Standards und Schnittstellen) fuer ziemlich
schwer durchzuhalten: die meisten heutigen Standards haben als ganz normale
Programmierauftraege angefangen und sind irgendwann de-facto-Standards
geworden. Das ist fuer kleine ProgrammiererInnen, die nicht die Wahl haben,
sondern sich an die Standards halten muessen, natuerlich bitter, aber trotzdem
isses so. 

Niemand hat was gegen de-facto-standards die sich entwickeln,
solange sie offen spezifiziert sind. Du wirst keinen
Open-Source-Entwickler finden, der was gegen PDF hat, obwohl es ein
kommerzieller De-Facto-Standard ist. Das IP-Protokoll selbst, also
das was das Internet technisch "ist", ist ein de-facto-standard, der
sich ueber Jahre hinweg gegen gesetzte Standards der ISO durchsetzen
musste.

Mein Problem ist aber ein anderes: Ich sehe nicht, was dieser Konflikt zwischen
Konzernen und kleinen Programmierern _unmittelbar_ mit einer Ueberwindung des  
Kapitalismus (oder mit dem Aussterben der Arbeit - aber dazu ein andermal mehr)
zu tun hat.

Bei ersterem stimme ich Dir zu, wobei das ja nicht heissen muss, das
man mittelbar nix davon hat. Was das Aussterben der Arbeit angeht,
geht es vor allem darum, dass das klassische Oekonomsche Konzept,
dass nur Arbeit Wert schafft, aufgeweicht wird. Das reiht sich ein
in Schlagworte wie Aufmerksamkeitsoekonomie und Boersenhype.
Klassische Marxisten koennen damit genausowenig umgehen wie liberale
Oekonomen.

Ich glaube - wie jemand (sorry, ich weiss nicht mehr, wer und wo)
auf dieser Liste gerade schrieb -, die Lebensweise von GNU-ProgrammiererInnnen
laesst sich nicht ohne weiteres zur befreiten Gesellschaft verallgemeinern.
Sicher gehoeren auch die Entwicklungen im Computerbereich zur Entwicklung
unserer technischen und sozialen Faehigkeiten als Grundlage der Emanzipation
der Menschheit; aber die heutige Computerei ist m.E. mindestens ebensosehr Teil
des Problems wie Teil der Loesung ...

Natuerlich. Immerhin laeuft ja auch noch auf 90% aller Rechner
Software von Microsoft ;-) Nein, im Ernst: Wichtig ist doch, ob man
der Meinung ist, ob es eine "Loesung" geben wird ohne Computer ohne
nicht. Und ich denke halt, es macht genausowenig Sinn in
Maschienenstuermerei zu verfallen, wie in Technikutopismus.

In Wirklichkeit sind die (auch von mir oben) idealisierten kleinen
ProgrammiererInnen im uebrigen gar nicht so allein, sondern sie haben einen
Teil des grossen Kapitals auf ihrer Seite, der selbst stark an offenen, d.h.
nicht privatisierten Standards interessiert ist (genau wie an oeffentlichen
Strassen, Schulen, Militaer usw.): Viele Banken weigern sich z.B. aus Prinzip,
Software einzusetzen, deren Sourcecode sie nicht kennen - und das hat bei denen
nix mit Kapitalismuskritik zu tun.

Korrekt. Allerdings sind sie meist nicht der Meinung, dass jemand
anders ausser ihnen den Sourcecode auch kennen koennen sollte.

btw: koenntest Du mal Deine Zeilenbreite ein klein wenig reduzieren?
Danke.

Gruesse, Benni
-- 
Subject: :-) (was: :-()

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