Message 00216 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT00216 Message: 1/2 L0 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[ox] Interview mit Bob Young (CEO Red Hat)



Hi Leute!

In c't 22/99 gab es ein Interview mit Bob Young von Red Hat. Im Web zu
finden unter

	http://www.heise.de/ct/99/22/046/

Dort gibt es am Ende übrigens auch einen "Kommentieren"-Button. Aber
wie's aussieht ist der noch nicht zum Schreiben benutzt worden.

Anbei jedenfalls der für Mail formatierte Text.

Vor allem den Vergleich mit dem Interview mit Bill Gates, das die c't
vor ein paar Monaten brachte, finde ich bemerkenswert...


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan

--- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< ---
c't 22/99, S. 46: Red Hat

Rainald Menge

Mit rotem Hut

Interview mit Red-Hat-Chef Bob Young

Nach dem erfolgreichen Börsengang ist der amerikanische
Linux-Distributor Red Hat auf Expansionskurs. CEO Robert F. Young
stellte sich anlässlich der offiziellen Eröffnung der deutschen
Red-Hat-Niederlassung unseren Fragen.

c't: Wie sind Sie zu Linux gekommen?

Young: Ich bin seit 1976 in der Computer-Branche - überwiegend im
Bereich Hardware und Finanzierung. 1990 beschäftigte ich mich mit
Unix-Workstations und hatte meinen ersten Kontakt zu den
Unix-Usergroups in New York und Washington. Die Usergroups litten
Anfang der neunziger Jahre unter abnehmenden Teilnehmerzahlen, da Unix
damals den Reiz des Neuen verloren hatte.

Um ein wenig die Werbetrommel für die Treffen der Unix-Usergroups zu
rühren, startete ich einen Newsletter. Auf der Suche nach spannenden
Inhalten fragte ich die Entwickler und Administratoren, welche Themen
sie nicht in den großen Computer-Magazinen finden. Die Antwort war:
`Schreiben Sie über freie Software; schreiben Sie, wann neue Versionen
der GNU-Tools und Open-Source-Programme wie ftp, dns und bind
herauskommen.'

1992 beherrschte vor allem ein Thema die Diskussionsgruppen zu freier
Software: Richard Stallmans GNU-Projekt fehlte der Kernel. Die
Anwender hatten Compiler, C-Bibliotheken, ein X Window System, aber
keinen funktionsfähigen Kernel. Als Linus Torvalds 1992 seinen
Linux-Kernel für den 386-Prozessor veröffentlichte, wurde der
natürlich mit offenen Armen angenommen. Die Leute sagten: `Wow, wäre
es nicht cool, ein richtiges Betriebssystem als Open Source auf einem
PC zu haben?' Also schrieb ich Artikel über Linux und war damit wohl
einer der ersten Journalisten in den USA, denn die großen Magazine
interessierten sich damals noch nicht dafür.

Die Leute in den Usergroups erklärten mir auch, welchen unschätzbaren
Vorteil ihnen freie Software und Open Source bringt: Sie selbst haben
die Kontrolle über das System. Das können ihnen Hersteller wie SCO
oder Microsoft nicht bieten, die ihr Betriebssystem ohne Quelltexte
vertreiben.

c't: Wie überzeugt man Investoren und Aktionäre davon, in ein Geschäft
zu investieren, das das Wort `frei' im Namen trägt?

Young: Das überzeugende Argument ist: Alle Firmen, die für ihre
Hardware oder Produkte bekannt sind, erzielen den Großteil des
Umsatzes mit Support und Service. Und was unser Produkt betrifft: Wir
investieren viel weniger Geld in die Entwicklung und machen
gleichzeitig ein besseres und umfassender getestetes Produkt - durch
die breite Unterstützung der Entwicklergemeinschaft.

c't: Wie reagiert die Open Source Community mit den frühen Linux-Fans
auf den kommerziellen Erfolg von Linux?

Young: Die Open Source Community ist eine Gemeinschaft von Leuten, die
genau ein gemeinsames Interesse haben: Open-Source-Software. Nur das
verbindet die Leute in der Community, deren Spektrum von Kids über
Hacker bis hin zu Managern reicht. Es gibt da Leute, die den
Marktführer hassen, einfach weil er Marktführer ist - also hassen sie
Microsoft und mögen Linux, weil es nicht von Microsoft ist. Wenn Red
Hat zum Marktführer unter den Betriebssystemen aufstiege, würden diese
Leute natürlich Red Hat hassen.

Wenn sich jemand beklagt, schauen wir, wer sich beschwert und was er
sagt. Wenn ein anonymer Feigling in einer Newsgroup `Red Hat is evil'
schreibt, kümmert uns das nicht. Wenn Linus Torvalds sagt, dass etwas
nicht in Ordnung ist, werden wir ihn anrufen, um festzustellen, ob wir
Mist gebaut haben oder er vielleicht etwas falsch verstanden hat. Das
sind die beiden Extreme. Es gibt viele Leute, die etwas zu sagen haben
und denen wir gut zuhören. Wir nehmen gerne Anregungen an oder
erläutern unsere Strategie, wenn Kritik durch Missverständnisse
entsteht.

c't: Wie sehen Sie sich selbst? Ist Bob Young eher ein Investor, ein
Programmierer oder die Brücke zwischen beiden?

Young: Letzteres. Ich komme von der Investorenseite: Ich bin
Unternehmer und habe angefangen, indem ich eine Firma aufgebaut habe.
Mich hat freie Software fasziniert. Ich habe an der Universität von
Toronto Geschichte studiert; mich interessieren tiefgreifende
Entwicklungen wie der Erfolg des Open-Source-Modells. Parallelen gibt
es in allen möglichen Bereichen der Gesellschaft: Unser Rechtssystem
oder das Verlagswesen basieren auf offenen Quellen. Wenn Sie ein Buch
schreiben, veröffentlichen Sie den Quelltext, den jeder als Basis für
eigene Ideen verwenden kann. Bei Software war das bislang nicht so,
weil Sie sich nicht die Konzepte ansehen durften, die hinter den
Programmen stecken.

c't: Wie sieht Ihre Geschäftsidee zur Vermarktung von Linux aus?
Hatten Sie schon immer das Service-Geschäft im Hinterkopf oder ging es
Ihnen zunächst nur um den Verkauf der Distribution auf CD?

Young: Von Anfang an haben wir langfristige Chancen im Bereich Service
gesehen, weil große Firmen von Linux profitieren können. Marc Ewing
und ich mussten zu Beginn erst einmal ohne all zu großen Aufwand
Gewinne erzielen. Genau genommen ist ja unsere Linux-CD selbst eine
Dienstleistung, da das Betriebssystem an sich kostenlos ist. Wir haben
fünf Jahre gebraucht, um diesen ursprünglichen Service, den Einsatz
von Linux einfacher zu gestalten, zu professionellen Angeboten für die
Unternehmenskunden auszubauen.

Uns war klar, dass die einzigen potenziellen Kunden zunächst die
`Early Adopters' waren, die technikverliebt genug sind, sich nicht von
ein paar Unannehmlichkeiten vom Einsatz des neuesten Systems abhalten
zu lassen. Uns war auch klar, dass wir danach die Leute gewinnen
mussten, die sich nicht für bessere Technologie, sondern für bessere
Lösungen interessieren. Also mussten wir von einem Produktlieferanten
zu einem Lösungslieferanten werden. Das war der Auslöser für die
Partnerschaften mit Intel und Netscape im letzten Herbst und mit IBM,
Compaq und Dell im Frühjahr dieses Jahres.

c't: Wo sehen Sie Red Hat in zwei Jahren?

Young: Wir erwarten, dass das Open-Source-Modell die Art, wie Software
entwickelt und vertrieben wird, grundlegend verändert. Wenn wir als
Red Hat das richtige Management-Team aufbauen und die Kundenwünsche
besser erfüllen als alle anderen - dazu gehören IBM und all die
anderen Firmen, die bald im Open-Source-Markt mitmischen werden -,
dann können wir sehr erfolgreich sein. Sicherlich werden wir stärker
zu einem globalen Unternehmen werden, wie Sie schon an unserer
jetzigen Strategie mit den Büros in Europa und Japan sehen.

c't: Wie ist ihr Verhältnis zu dem deutschen Linux-Distributor SuSE?

Young: Am besten passt der Begriff `Coopetition' (Anm. d. Red.:
cooperation, Zusammenarbeit, und competition, Wettbewerb). Was gut für
Red Hat ist, ist gut für SuSE und umgekehrt. Wir bauen gemeinsam den
Marktanteil von Linux aus. SuSE hat enorm viele Linux-Anwender in
Deutschland gewonnen, denen wir unsere Dienstleistungen verkaufen
können. Es wäre viel schwieriger in einem Land wie England, weil es
keinen Linux-Distributor gibt, der sich auf den englischen Markt
konzentriert hat.

c't: Wohin kann sich Linux ausbreiten? Die `Early Adopters' sind schon
lange an Bord, auf den Servern ist Linux seit einem guten Jahr
etabliert, aber hat Linux eine Chance auf dem Desktop?

Young: Ja. Entscheidend sind die Anwendungen. Wenn mehr Leute Linux
verwenden, werden neue Anwendungen entwickelt, die wiederum neue
Benutzer anziehen. Mehr Benutzer und Anwendungen machen bessere
Hardware-Unterstützung attraktiv, wodurch wieder Benutzer und
Anwendungen angezogen werden - einmal in Gang gesetzt, ist diese
Bewegung nicht zu stoppen.

Die Killer-Applikationen, die uns dahin gebracht haben, wo wir heute
stehen, sind die Internet- und Intranet-Anwendungen wie der Web-Server
Apache, sendmail, ftp, dns und bind. In diesem Jahr gab es viele
Ankündigungen, aber erst seit einigen Wochen kommen die Produkte
tatsächlich auf den Markt. Ende September hat Oracle Support für
Oracle8i unter Linux angekündigt. Die Entwickler konnten das Produkt
zwar schon seit einiger Zeit kostenlos herunterladen, aber das reicht
nicht für den Einsatz in kritischen Bereichen. Die Linux-Lösungen -
also Produkte mit Support - von Firmen wie IBM, Oracle, Informix oder
Computer Associates machen Linux-Server in neuen Einsatzbereichen
attraktiv.

Der Desktop folgt der gleichen Logik und befindet sich nur in einem
früheren Stadium. Zwar gibt es bereits Produkte wie StarOffice oder
das angekündigte Corel Office, aber Linux auf dem Desktop steckt noch
in den Kinderschuhen.

c't: Was macht Sie so sicher, dass es Linux besser ergeht als OS/2?
Auch dort gab es die Server-Software, die Banken hatten es im Einsatz,
und auch für den Desktop existierten erste Anwendungen. Trotzdem ist
OS/2 heute zumindest vom Desktop fast völlig verschwunden.

Young: Es gibt einen ganz gewaltigen Unterschied: OS/2 war nur ein
weiteres proprietäres Betriebssystem. Zwar war es Windows
technologisch überlegen, es bot aber keine echte Alternative zu
anderen proprietären Systemen.

Was aber noch schlimmer war für OS/2: Es kam von IBM, dem größten
Hardware-Hersteller der Welt. Dell, Compaq, HP und die anderen
Hardware-Firmen mögen Bill Gates vielleicht nicht, aber er ist
wenigstens nicht in der Hardware-Branche tätig. Niemals hätten diese
Firmen Lou Gerstner den Besitz des marktführenden Betriebssystems
überlassen. Auf diese Weise fehlte IBM trotz guter Technologie die
Unterstützung im Markt, um OS/2 den nötigen Schwung zu verschaffen.

Wir dagegen sind eine echte Betriebssystemfirma. Wir verkaufen weder
Hardware noch Anwendungen. Auf die Weise sind wir keine Konkurrenten
für Compaq, Dell und so weiter. Diese Unternehmen müssen bei unserem
Linux im Unterschied zu IBMs OS/2 nicht befürchten, dass sich ein
Mitbewerber durch das Betriebssystem einen Vorteil verschafft.

c't: Sie gehen Partnerschaften mit Firmen wie IBM ein, die weiterhin
proprietäre Software vertreiben.

Young: Wir sind keine Ideologen, sondern Geschäftsleute. Wenn Sie
wollen, schlagen wir die Brücke zwischen den Entwicklern in der Open
Source Community und den Anwendern in den Unternehmen. Der Großteil
der Open-Source-Software wird von professionellen Entwicklern
geschrieben, die in den großen Firmen arbeiten und die Werkzeuge
selbst brauchen. Sie programmieren Lösungen für ihre Probleme, haben
aber kein Interesse daran, den Quelltext zu verstecken. Also
veröffentlichen sie ihre Programme als Open Source und erhalten
dadurch Hilfe von vielen anderen Entwicklern.

Zurück zur eigentlich Frage: Sie müssen Open Source nicht mögen, um
die Vorteile zu genießen. Open Source ist einfach der beste Weg, um
Standardlösungen, die immer wieder in leicht abgewandelter Form
eingesetzt werden, zu realisieren.

c't: Welche drei Firmen sehen Sie zurzeit als Ihre größten
Konkurrenten?

Young: Sun, Microsoft und auf Coopetition-Basis IBM. IBM ist ein
starker Verbündeter, der jedoch nach den Erfahrungen mit MSDOS sehr
misstrauisch gegenüber Betriebssystemherstellern geworden ist. Damit
ist IBM für uns in gewisser Weise unberechenbar. Es wird kein `Dell
Linux' geben. IBM könnte dagegen sehr wohl auf die Idee kommen, eine
eigene Distribution herauszubringen. (Rainald Menge/odi)

Copyright © 1999 Verlag Heinz Heise      22.10.99


--------------------------------------------
http://www.homepages.de/home/smerten/Oekonux/



[English translation]
Thread: oxdeT00216 Message: 1/2 L0 [In index]
Message 00216 [Homepage] [Navigation]