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Re: [ox] Tausch & Utopie



Hallo Stefan und Liste

Hat ein wenig lange gedauert, bis ich Zeit fand, um zu antworten. Vielen
Dank an Dich, Stefan für den ausführlichen Kommentar/ die ausführliche
Kritik. Ich glaube, jetzt Deine Positionen besser zu verstehen, doch
Differenzen, die hier in ganzer Breite zu diskutieren uns wahrscheinlich zu
weit off topic treiben würde, bleiben doch. Ich versuchs trotzdem mit ein
paar Ansatzpunkten.


Über die politische Funktion der ESR-Beiträge sind wir uns
völlig einig. Trotzdem finde ich, kann man auch von Leuten,
die eine astreine bürgerliche Theorie vertreten (?Apologeten
des Kapitalismus? nannte man das mal), eine ganze Menge
lernen. ESR ist es m.E. gelungen eine Reihe von Erfahrungen
der freien Softwarebewegung zu versprachlichen, die eine
Diskussion darüber in neuer Qualität ermöglicht hat. Seine
v.a. gesellschaftspolitischen Verallgemeinerungen teile in
keiner Weise, aber auch solche ideologisierenden Beiträge
wie der Noosphere-Aufsatz haben ihre Wirkung, die man
zur Kenntnis nehmen muß (M$ bezieht sich z.B. konstruktiv
darauf - was Wunder). Eine kritische Reinterpretation gerade
dieses Aufsatzes steht noch aus (wie wär?s, Rainer?).

Nooshäre ist übrigens ein schrecklicher Misnomer. Teihard der Chardin hat
diesen Begriff eingeführt, um den vom bewußten (menschlichen) Geist
gestalteten Teil der physischen Welt zu bezeichnen. Die Welt der Ideen ist
also _nicht_ die Noosphäre.  Ansonsten ist in dem Aufsatz das Ansinnen
spürbar, ESRs Überzeugung, daß Eigentum eine als quasi ontologische
Kategorie sei, auf jenem Feld darzutun. Ich glaube, daß die Phänomene, die
er anführt, schlüssiger durch andere Konzepte zu erklären sind. Es geht
beim Verhältnis der Koentwickler und Anwender zum Projektbetreuer doch um
Vertrauen, und Vertrauen ist kein Eigentum sondern etwas Geliehenes. (Bitte
jetzt bloß nicht auch noch eine »Ökonomie des Vertrauens«!) Die
Herausbildung relativ stabiler Formen vertikaler Integration anstatt eines
jede(r)-hackt-kreuz-und-quer-was-ihr/ihm-gefällt ist das im Rahmen der
Transaktionskosten-Ökonomie zu erwartende Resultat. Dazu braucht man kein
Eigentum an Programmideen zu postulieren. Zumal ja jedefrau/jedermann
tatsächlich frei ist, mit irgendwelchem freien Quellcode zu machen, was
ihr/ihm gefällt. ESR unterscheidet nicht zwischen dem Code und seiner
Verbreitung als Träger eines Produkts bzw. Namens.

Was ich mache, ist, einerseits (auch ESRs) Erkenntnisse in
meinem Licht neu zu bewerten, und zweitens benutze ich
?Basar? als Metapher. Ich will damit keinesfalls _ESRs_ Basar
utopisch aufladen, sondern meine Vorstellung davon. Ich
entwende sozusagen seinen Begriff und muß dann natürlich
damit rechnen, (z.B. von Dir) dafür kritisiert zu werden.
Vielleicht läuft mir ja eine bessere Metapher über den Weg
(Vorschläge?).

Ich halte die beiden Metaphern von ESR für völlig untauglich, weil keine
der beiden das transportiert, was er meint. Auch auf die Gefahr hin, jetzt
ein wenig alteuropäisch-bildungsaristokratisch zu wirken: Kathedralen sind
beinahe nie so entstanden, wie ESR meint. Wenn man ein paar bauhistorische
Kenntnisse hat, dann weiß man, daß es nur sehr grobe Pläne gab, die im
Laufe der meistens sehr langen und oft unterbrochenen Bauzeit abgewandelt
wurden und deren Interpretation auf der Baustelle eher ad hoc und
experimentell erfolgte; wobei - die analytische Mechanik war damals noch
nicht entwickelt - auch öfters mal was einstürzte. ESRs Wissen über
Kathedralen scheint sich allein auf das Zitat auf Seite 41 der 2. Auflage
von »The Mythical Man Month«, das eine seltene Ausnahme beschreibt, zu
stützen.  Brooks, der wohl ein wenig mehr über Kathdralen weiß, klärt das
auch schon auf der folgenden Seite auf . . .

Mit dem Bazar steht es nicht besser. Für ahnungslose westliche Augen ist
ein Bazar ein Ort, der überquillt vorn vielen bunten Sachen und wo
scheinbar alle irgendwie mit allen handeln. Geschenke macht man sich dort
jedoch nur in beschränktem Umfang und wohlkalkuliert. Auch die
Geschäftsbeziehungen sind keinesfals beliebig sondern folgen strikten
Normen und Gruppenverbindlichkeiten. Verwandtschaft, Herkommen, alte
Freundschaften, Zünfte und Bruderschaften spielen dabei eine große Rolle.
Bazare sind keine Orte des lockeren, horizontalen Austauschs sondern sehr
stark vertikal integriert.

Griffige Metaphern sind etwas Schönes. Aber vielleicht brauchen wir jetzt
einfach mehr Erfahrungswissen und Analyse.

Auch nicht von Beweisen für seine großspurige Behauptung,
Brooks Law falsifiziert zu haben (wo bitte sind die
softwaremetrischen Daten?).

Was ist überhaupt ?Brooks Law? anderes als eine Verdichtung
von Erfahrungen? Diese Erfahrung (mehr personelle Ressourcen
in bestimmten Projekten steigert den Projektoutput nicht im
gleichen Maße) kann ich sehr gut nachvollziehen. Genauso
auch die umgekehrte: nicht-befehlsadministrativ sondern eher
lose zusammengebundene selbstorganisierte und
selbstverantwortliche Teams arbeiten effektiver. Das ist
doch nix Neues - auch ohne softwaremetrische Daten. Die
angemessene Verallgemeinerung dieser ?irgendwie?
nachvollziehbaren Erfahrung fehlt allerdings noch (von mir
aus mit softwaremetrischer Unterfütterung).

Brooks Law verdichtet nicht nur Erfahrungen, sondern basiert auf einem
plausiblen Modell der Softwareentwicklung, in dem Parameter wie
Parallelisierbarkeit von Teilaufgaben und der Kommunikationsaufwand
zwischen deren Bearbeitern eine entscheidende Rolle spielen. Die Frage, ob
das ganze bedehlsadministrativ vonstatten geht oder eher selbstorganisiert
spielt darin keine Rolle. Wenn, was ich durchaus auch vermute, letztere
Form sich positiv auf die Produktivität auswirkt, dann dürfte das sich in
einer Skalierung der Brooks'schen Kurven entlang der Zeitachse auswirken,
doch nicht darin, daß sie ihre grundsätzliche Verlaufsform - Brooks Law hat
eher qualitativen Charakter und bezieht sich auf diese Form und nicht auf
die Skalenfaktorn - verlieren.  Die Produktivitätseffekte selbstbestimmter
Arbeit und die von Brooks diagnostizierten Zusammenhänge sind orthogonal;
woraus allerdings auch folgt, daß sebstbestimmte Arbeit Brooks Law nicht
aufheben kann.

Ich glaube, daß man den relativ schnellen Erfolg der Entwicklung des
Linux-Kernels (und ähnlicher Projekte) auch anders erklären kann als durch
die sehr unplausible These der Aufhebung von Brooks Law: Erstens handelt es
sich um recht uninnovative, in ihrer Struktur, ihren internen und externen
Schnittstellen seit langem wohlbekannte, durch zugängliche Vorbilder
demonstrierte und in der Fachliteratur seit langem abgehandelte
Softwarearchitekturen. Zweitens gibt es eine große und weiter wachsende
Anzahl von Fachleuten und solchen, die es werden wollen, die diese
Architekturen kennen und auch die eingesetzten Methoden beherrschen. Die
schwierigsten  Entwurfs- und Abstimmungsfragen waren also schon gelöst und
das Zusammentreffen der weltweiten Expansion der Informatikausbildung mit
der Verbreitung des Internet brachte die kritische Masse an qualifizierter
und eingearbeiteter Arbeitskraft zusammen. Kurz: Die Linux-Erfahrung ist
nur begrenzt verallgemeinerbar.


Wenn man auf das Entscheidende: die horizontale Integration
schaut, dann ist auch der Toyotismus fordistisch. Er ist sogar dessen
konsequente Weiterentwicklung,

Das ist doch kein Wunder, der kommt doch daher. Aber der
Toyotismus (als Begriff bei Dir wohl auch nur in phänographischer
Funktion) steht vor einer qualitativer Herausforderung: die
Nutzung der letzten Ressource, des Menschen in seiner Ganzheit.
Und das pakt er nicht, ist meine These. Toyotismus steht für mich
(vielleicht ist das ein Unterschied zu anderen) _nicht_ für eine
fertige Epoche, sondern für einen Qualitätssprung, der ansteht,
aber kapitalismusimmanent nicht zu bewältigen ist (früher nannte
man diese Stelle ?antagonistischen Widerspruch?).

Ich hatte mich an dieser Stelle explizit auf die engere
industrieorganisatorische Bedeutung der Begriffe einglassen. Wie sehr ich
mit Dir darin übereinstimme, daß jenseits der Kapitalverwertung auch eine
andere Qualität der Arbeit, die sich durchaus auch in höherer Produktivität
nierderzuschlagen vermöchte, beginnen könnte, so sehr möchte ich auch vor
einem schlichten Produktivismus warnen: Im Zentrum der heutigen Krise
liegen Koordinations- und Allokationsprobleme: die Fragen des was, wieviel,
wofür und für wen der Produktion. Innerhalb der Produktionssphäre sind sie
nicht zu lösen. Ich glaube auch nicht, daß es mit der Kommunikation der
»Fraktale« (noch so ein mißbrauchter Begriff aus der Mathematik) mit den
Verbrauchern übers Internet getan wäre. Die heutige Industriestruktur, die
dazu komplementäre Infrastruktur und das heutige Produktspektrum
reflektieren doch die Interessen der Kapitalverwertung und nicht die einer
 humanen Gesellschaft oder gar der Erhaltung von deren
Naturvoraussetzungen. Die Formel »laßt Produzenten und Konsumenten erst
über das Internet kommunizieren und schon bricht der Sozialismus aus« finde
ich etwas zu einfach. Ich meine, das müßten wir noch genauer diskutieren .
. .


Mit oder ohne Gruppenarbeit und Entfesselung der Subjektivität
wird unter Toyotismus die vom großen Kapital zu Lasten der Arbeit
und des kleinen Kapitals gewonnene Flexibiliät auf der Ebene der
Arbeitsbeziehungen und der industriellen Beziehungen, doch auch
gegenüber dem Staat (durch Outsourcing, »flexible«
Arbeitsregelungen, »flexible« Vernetzung, »flexible« Lieferverträge
inklusive Just-in-time-Lieferung, präkäre Arbeitsverhältnisse,
Deregulation, Steuersenkungen, etc.) zu verstehen sein.

Als politisch-ideologischen Begriff für die von Dir beschriebene
Tendenz finde ich ?Neoliberalismus? durchaus geeignet.

Ich möchte schon unterscheiden zwischen dem Neoliberalismus als Ideologie,
die in einer bestimmten Phase die Ablösung des fordistischen
Regulationsmodells auf der politischen Ebene beförderte, und dem Toyotismus
als einem neuen Ensemble von industriellen Organisationsformen,
industriellen Beziehungen und politischer Regulationen, das - vor allem in
seinem Heimatland - viele Elemente (z. B. die Dominanz hierarchischer statt
marktförmiger Beziehungen zwischen den Unternehmen, bedingte Kooperationn
sstatt unbedingter Konkurrenz,  weitgehender Ausschluß des Marktes als
Regulator der Arbeitsbeziehungen zugunsten normativer Regulierung,
industriepolitische Eingriffe des Staates, organisierte Kooperation von
Staat und Industrie, etc.) einschließt, die mit dem neoliberalen Weltbild
in Konflikt stehen. Die Ehe zwischen Toyotismus und Neoliberalismus ist
eher historisch und geographisch kontingent als systematisch-notwendig.


Btw: die Produktivitätskurve in Stefan Meretz GNU/Linux-Aufsatz
liegt weit neben der Realität:  Dort wird sie nicht immer steiler
sondern flacht seit Jahrzehnten ab (trotz aller großartigen
Computerei, die doch angeblich so produktivitätstreibend sei).

OK, die Problematik sehe ich. Aber drei Hinweise: Erstens,
sind die Daten da sehr umstritten (auf welche beziehst Du Dich?),
da z.B. weniger entwickelte Ländern wg. der niedrigeren Löhne
auch mit niedriger Produktivität bestehen können (aber das
Tiger-Dasein von Südkorea bis zu den Philipinen ist mit der
Asienkrise nun auch gelaufen) andererseits dort die Steigerungs-
Raten besonders hoch sind; Zweitens Toyotismus ist nicht Realität,
sondern angesagter Entwicklungsschritt. Und mit der entfalteten
Subjektivität sind auch quantitativ bedeutende Produktivitäts-
Steigerungen möglich. Drittens und am wichtigsten ist das
keine reine ?Produktivitätskurve?, mir ging es auch um die
qualitativen Aspekte der Arbeit, die ich veranschaulichen wollte.
Insofern ist das keine Kurve, sondern eine Illustration. Ich bekam
schon den Vorschlag, kleine Grafiken einzubauen, die die Art
der Arbeit symbolisieren sollen (Plackerei etc.).
Für die Mitlesenden: der Aufsatz erscheint in FIFF-Kommunikation
3/99 und ist im Web verfügbar unter:
http://www.kritische-informatik.de/linuxswl.htm

Ich beziehe mich auf die üblichen Maße für Produktivität wie Wertschöpfung
pro Arbeitsstunde bzw. Wertschöpfung pro Einheit des eingesetzten Kapitals
und die Zahlen, die z. B. das Conference Board veröffentlicht. Die
Probleme, mit denen länderübergreifende und historische Vergleiche auf der
Basis dieser Maße behaftet sind, sind durchaus ernst zu nehmen. Sie hier zu
diskutieren wäre allerdings doch etwas off topic . . .

Trotzdem: Die Wachstumsraten der Bruttowertschöpfung pro Arbeitsstunde
liegen seit den 70ern weit unter den Werten der 50er und 60er, ja sogar ds
gesamten Jahrhunderts davor (ja nach Land bei weniger als der Hälfte, einem
Drittel oder sogar einem Viertel der früheren). Auf der Basis der
Nettowertschöpfung sieht das sogar noch schlechter aus, weil die
Kapitalproduktivität seit den 60ern gefallen ist. Eine wichtige Ursache
dafür dürfte in der marketinggetriebenen Pseudoinnovativität vieler
Wirtschaftszweige (die Compi-Szene spielt da ganz vorne mit) liegen, die
vor allem Abschreibungsbedarf produziert . . .


Richtig! Für mich ist das Kochrezept ein Algorithmus.

Du tust so, als ob alles klar ist, als ob Algorithmus klar definiert ist.
Dem ist nicht so. Die theoretische Informatik sagt nichts über eine
Theorie der Informatik aus. Und zu einer Theorie der Informatik
würde eine begriffliche Grundlegung gehören, und über die verfügt
die Informatik in keiner Weise. Es gibt Einzeldefinition hier und dort,
aber was die Informatik eigentlich ist, weiß immer noch keiner (oder
jeder anders, was das gleiche ist). Was also in die Informatik rein
gehört und was nicht, ob die Informatik eine Abteilung der
Mathematik ist oder ein Computerbastelverein, ist völlig umstritten.
Wenn Du jetzt eine Definition von _mathematischem_ Algorithmus
vorlegst, kannst Du das tun. Du steckst ein Gärtchen ab und sagst, was
drinnen ist und was draußen. Ich lege Dir einen anderen,
umfassenderen und m.E. nützlicheren Algorithmusbegriff vor,
zugegeben ein ziemlich weiter (und wohl nur per ergänzender
Defintion auch mathematisierbarer). Er lautet: "Ein Algorithmus ist die
ideelle Vorwegnahme eines Prozesses. So allgemein gefaßt erstrecken
sich Algorithmen auf jegliche menschliche Lebenstätigkeit. Jede
antizipatorisch denkende Vorwegnahme einer Tätigkeit kann man
folglich als gedankliche Erzeugung eines Algorithmus' auffassen."
(aus: http://www.kritische-informatik.de/algorevl.htm). Dieser
Begriff ist ein in die Welt entlassener Algorithmusbegriff.

Nun sind Worter nur Schall und Rauch. Wofür man sie gebraucht ist letztlich
willkürlich. Doch sofern man sich nicht auf seinen Idiolekt einschränken
möchte, empfielt es sich, 1.) die Geschichte und die aktuelle
Verwendungsweise von Begriffen nicht völlig zu ignorieren und 2.) bei
Begriffserweiterungen weder in der Sache begründete Unterscheidungen zu
verwischen, noch künstliche Differenzen einzuführen, wo es in der Sache
keine gibt.

Erstens ist unbestritten, daß der Begriff Algorithmus seit dem Mittelalter
für Rechenverfahren steht; wobei sich sein Umfang im Laufe der Zeit vom
symbolischen Rechnen mit dezimal notierten Zahlen auf das formale Operieren
mit Zeichen im Allgemeinen ausdehnte. Eine andere Verwendungsweis des
Begriffs ist, trotz der Bemühungen einer Subkultur von Techniksoziologen,
bis heute nicht etabliert (siehe Duden, Brockhaus, Rogers, etc.).

Zweitens gehören weder die Formen, die bestimmte Formulierungsweisen von
Algorithmen mit Prozeßbeschreibungen gemeinsam haben, notwendig zum Begriff
des Algorithmus. (man kann Algorithmen, z. B. in der ältesten
algorithmischen Sprache, Schönfinkels Kombinatorenkalkül, auch ohne
»prozessomorphe« Formen wie Fallunterscheidung und Schleife formulieren),
noch können sich sinnvolle Prozeßbeschreibungen in solchen Formen, die
oberflächiche Ähnlichkeit mit bestimmten bestimmten Formulierungsweisen von
Algorithmen haben, erschöpfen. Beschreibungen technischer Prozesse
enthalten sehr viele nicht einmal oberflächlich algorithmische Elemente. In
der Technik geht es nicht nur um die Vorwegnahme eines Prozesses sondern
auch des Produkts, der Werkzeuge, Anlagen und Vorprodukte; bzw. ohne
letztere ist auch die Vorwegnahme des Prozesses nicht möglich.

Für die diese Formen der Vorwegnahme gibt es in den technischen Disziplinen
bzw. dem Ingenieurwesen die seit der italienischen Renaissance
wohletablierten Begriffe Plan bzw. Ausführungsplan (progetto, progetto
esecutivo), Modell (modello), Entwurf/Zeichnung/Design (disegno), die auch
die prozessualen Ausführungsaspekte umfassen. Weshalb hier einen
inadäquaten Begriff völlig anderer Herkunft wie Algorithmus einführen?


Die Turingmaschine ist ein mathematisches Konstrukt, richtig, aber
der programmierte Computer ist eine Inkarnation einer
Turingmaschine, nicht mehr mathematisch, sondern sinnlich-stofflich.
Das sind unterschiedliche Abstraktionsebenen, meine ist weiter und:
eng <> präzise.

Sofern er sinnlich-stofflich ist, ist er keine Turingmaschine sondern nur
ein Automat mit endlich vielen signifikanten Zuständen, die (für wissende
Beobachter!) eine endliche Teilmenge der unendlichen Zustands- bzw.
Übergangsmenge der universellen Turingmaschine repräsentieren. Als
sinnlich-stoffliche Maschine ist er vor allem nicht universell sondern
höchst speziell!

Die Ausführung eines Programms (eines Repräsentanten eines
Algorithmus) auf einem Rechner ist dagegen ein stofflich-
energetischer Prozeß, über dessen genaue Beschaffenheit der
Algorithmus nichts aussagt. Unter einer entsprechenden
Interpretation kann man natürlich jeden stofflich-energetischen
Prozeß als Ausführung eines Programms (sogar von beliebig
vielen) ansehen und überhaupt jedes Ding und jede Maschine als
Computer. Deshalb ist es auch nicht falsch, industrielle Maschinen
»festverdrahtete analoge Spezialcomputer« zu nennen (unter einer
anderen Interpretation kann man sie auch als Digitalcomputer
auffassen), aber das ist völlig beliebig und sagt überhaupt nichts
über ihre stofflich-energetische Funktion, um deren willen sie da
sind.

Es gibt je nach Abstraktionsnineau unterschiedliche Semantiken.
In Deinem Begriff gibt?s nur eine innermathematische Semantik.
In meinem (übergeordneten, weiten) Algorithmusbegriff gibt es
je konkret zu benennende Semantiken. Der Maschinenalgorithmus
ist die vergegenständlichte Vorstellung des Menschen darüber, wie
der Prozeß abzulaufen habe. Die Inkarmation kann die Logik
der Maschine selbst sein (?analoger Spezialcomputer?) oder auch
ein Programm (bei C-gesteuerten Maschinen).

Das ist keine Semantik von Algorithmen. Was Du meinst, ist die höchst
private ad-hoc-Interpretation kontingenter Textgestalten von Algorithmen
bzw. der nicht minder kontinenten Zustände, die mit deren Ausführung auf
bestimmten Maschine verbunden sind. Wenn man das als Semantik von
Algorithmen bezeichnet, verliert der Begriff seinen Sinn, da ihm dann die
Verbindlichkeit verlorengeht.

Du sagst, laß uns den Algorithmus in diesem kleinem Gärtchen
halten und alle davon überzeugen, daß er auch da reingehört. Ich
sage: Laß ihn raus, in der Welt gibt es viel damit zu erkennen,
und ob die Patentierung von Softwarealgorithmen kommt, hängt
davon nicht ab (das ist eine Macht- und Kräfteverhältnisfrage).
Es sind zwei Ebenen: Politik und Theorie.

Du unterstellst hier, daß »der Algorithmus« ein Ding wäre, das man an
seiner Entfaltung hinderte, indem man es »einsperrte«. Aber das ist doch
nur ein Wort, das man mehr oder weniger sinnvoll und sachlich-funktional,
in Übereinstimmung mit  seiner Geschichte und dem, was der Rest der Welt
darunter versteht, gebrauchen kann. Sicher hängt die Entscheidung in der
Patentfrage vom Verhältnis der politischen Kräfte ab. Doch eine analytisch
sinnvolle Unterscheidung in einer politischen Ausinandersetzung zu
unterlassen, nur weil am Ende das Kräfteverhältnis entscheidet, ist eine
Art von Voluntarismus, der der Linken noch nie gutgetan hat.

(Postscript macht mir zu schaffen, gibt's da
Konverter in PDF z.B.?).

Adobe verkauft dafür Werkzeuge (Destiller heißt das, glaube ich). Außerdem
gibt es auch noch Ghostscript/Ghostview, um ps auf den meisten
Druckern/Graphiksystemen darzustellen.

Einem herzlichen Gruß

Rainer


 \_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_

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