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Re: Ehrenamt und Tauschwert (was: Re: [ox] Zu allem etwas (-D))



Hi Stefan und Leute,

Also, die Tatsache, daß Linux kein Quentchen Tauschwert hat

Hier würde ich schon mal einhaken. Tauschwert hat Gnu/Linux sehr wohl - -
er spielt lediglich keine Rolle; weder bei der Distribution noch bei der
Produktion.

Zur Begründung würde ich mal behaupten, daß Tauschwert eine
gesellschaftliche Setzung ist. Und in unseren Gesellschaften ist das
gesetzt für jedwede Arbeit die geleistet wird durch den Wert, der zur
(gesellschaftlichen) Erhaltung der produzierenden Arbeitskraft nötig ist.

Nee, nee, Tauschwert ist eine objektive Kategorie. Du darfst nicht Preis und 
Tauschwert verwechseln. Es gibt eine Debatte unter den Marx-Exegeten, wo 
denn der TW entsteht: in der Produktion oder erst in der Distribution. Wie bei 
meinem Produktivkraftdings denke ich, daß der TW am sinnigsten als 
Vermittlungskategorie zu fassen ist: er vermittelt zwischen der 
gesellschaftlichen Produktion und Distribution. Sozusagen: nur was 
produziert wird, hat Arbeitszeit in sich, hat also Wert, aber nur was 
vertrieben wird, kann diesen *potentiellen* Wert am Markt auch *realiter* 
umsetzen. Was weggeschmissen wird, hat keinen Wert. Und viele wertlose 
Dinger haben einen Preis.

Rainer hat zu Preis und Wert in seiner Mail noch Nützliches und Richtiges 
(IMHO) geschrieben.

Linux selbst hat keinen TW, obwohl Arbeit drinsteckt. Es wird aber 
verschenkt, ist nicht knapp. Es ist *nur* nützlich. Was anderes ist das mit 
den Distributionen, die entsprechenden Firmen stecken Arbeit rein und 
verscherbeln ihre CDs. Die haben Wert und Preis. Und die Firmen gehen an 
die Börse, ganz normal.

Eher zufällig vollzieht sich in
einer Nische eine Herstellungsweise,

Hoppala! Das ist aber ganz und gar keine Nische. Im Gegenteil ist
Gnu/Linux ein Produkt an der Spitze der kapitalistischen Entwicklung.

Neue Sachen entstehen oft in Nischen, so würde ich das eher sehen. Spitze 
ist die Art der Entwicklung insofern, als basarmäßig selbstorganisiert eine 
Qualität und Produktivität geschaffen wurde, die sich das Kapital wünscht, 
aber doch nicht hinkriegt (nicht hinkriegen kann, wie ich vorher versucht habe 
darzustellen). Also die Spitze guckt schon ein klein wenig drüber hinaus...

Du sagst
"Bewußtwerdungsprozeß" ---- das ist einfach keine Frage des "man muß es
ihnen nur oft genug erklären". Oder? Hach, ich weiß es ja auch nicht.

Nein, um's erklären *darf* es m.E. gar nicht gehen. Der Witz ist doch, daß
die Menschen *spüren*, daß sie eine geile Sache in die Welt gesetzt haben
- das macht m.E. eine Menge der momentanen Euphorie aus. Und aus diesem
Spüren des Besseren und dem Erleben der Machbarkeit müßte sich dann halt -
ohne große Erklärung von uns - der Wunsch wachsen, daß auch andere Teile
des Lebens so organisiert werden.

Jou, das hast Du gut auf den Punkt formuliert!

Nun, wenn wir uns mal anschauen, wie eine Überwindung des Kapitalismus
nach theoretischen Überlegungen aussehen müßte, dann erfüllt Gnu/Linux
einfach viele dieser welcher. Z.B. indem es den Gebrauchswert des Gutes
an oberste Stelle setzt - nicht den Tauschwert der Ware.

Unbestritten. Das ist auf alle Fälle ein Unterschied. Aber diesen
Unterschied gibt es auch bei anderen Herstellungsweisen, wie zum
Beispiel, wenn ich mit Freunden ein Haus renoviere, also nochmal:
Freundschaftsdienste, unbezahlte Arbeit generell, erfüllt dieses
Kriterium auch...

In der Tat. Hmm...

Meine Antwort wäre, daß Gnu/Linux dieses alles auf einer Stufenleiter tut
- immerhin in globalen Zusammenhängen - auf der ich das Gefühl habe, daß
hier eine neue Qualität entsteht. Ah, mir fällt auch ein Grund ein: Weil
sich die Arbeitenden eigentlich nicht kennen ... na ja, per eMail werden
sich schon viele kennen. :-?

Ich habe Dir, Sabine, versucht zu beschreiben, warum Freundschaftdienst 
nix mit Linux-herstellen gemein hat. Das war das Ding mit der Produktivkraft 
der Arbeit. War das total unverständlich? Oder ging es irgendwie an Dir 
vorbei? Na ja, vielleicht kommen wir nochmal darauf zurück. Mit eurem 
(Sabine und Stefan Mn.) Versuch, unbezahlte Arbeit *als solche* mit der 
unbezahlten Arbeit *Linux-machen* erstmal gleichzusetzen, um dann 
irgendwelche Unterscheidungsmerkmale zu finden, kommt ihr nicht weit, 
glaube ich.
 
Yup! Noch ein Unterschied. Stimmt. Die Eigentumsverhältnisse!!! Das ist
der grundlegende Unterschied. Sach ich mal. 

Ja genau. Und da würde ich auch Rainer widersprechen. Klar sind die
Eigentumsverhältnisse durch die GPL geregelt - aber m.E. eigentlich
nur um sie nicht wahrzunehmen. Vielleicht so eine Art uneigentliches
Eigentum.

Nein, weil die Eigentumsverhältnisse nicht den grundlegenden Unterschied 
bilden. Ich bin kein Jurist, ich würde mal sagen, die GPL regeln vor allem die 
Verfügungsrechte. Auch M$ hat Lizenzen, die tun das gleiche, nur eben 
eingeschränkter (gelinde gesagt...). Was sagt Rainer? Ist Verfügung ein 
juristischer oder ein politischer Begriff? (oder beides?)

Sonst Unterschiedsfrage: s.o.

Bye,
Stefan


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  Stefan Meretz, Duesseldorf
  Web: http://www.kritische-informatik.de
  stefan.meretz kritische-informatik.de
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