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Message 02137 [Homepage] [Navigation]
Thread: choxT02137 Message: 1/1 L0 [In date index] [In thread index]
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[chox] Von Kofi Annan




 Wer jetzt noch Zweifel sät . . .


   . . . der hat in Wahrheit keine Argumente mehr: Die Welt muss gegen
   den Klimawandel kämpfen, solange es noch möglich ist


     Von Kofi Annan



       Falls noch irgendwelche Zweifel über den dringenden
       Handlungsbedarf im Kampf gegen den Klimawandel bestanden, so
       sollten zwei vor wenigen Tagen veröffentlichte Berichte die Welt
       aufgerüttelt haben. Gemäß den neuesten, den Vereinten Nationen
       vorliegenden Daten steigen die Treibhausgas-Emissionen in den
       wichtigsten Industrieländern weiterhin an. Darüber hinaus stellt
       der Klimawandel nach einer Studie des ehemaligen Chefökonomen
       der Weltbank, des Briten Sir Nicholas Stern, "das bisher größte
       und weitreichendste Marktversagen" dar. Dieses Marktversagen
       könnte zu einem Schrumpfen der Weltwirtschaft um 20 Prozent
       führen. Die wirtschaftlichen und sozialen Zerrüttungen als Folge
       daraus sind mit den Auswirkungen der beiden Weltkriege und der
       großen Depression durchaus vergleichbar.



       Der mittlerweile unbestreitbare wissenschaftliche Konsens neigt
       sich zunehmend einer alarmierenden Einschätzung der Situation
       zu. Zahlreiche Wissenschaftler, die lange Zeit für ihre
       vorsichtige Einschätzung der Lage bekannt waren, weisen heute
       darauf hin, dass die globale Erwärmung bereits erschreckende
       Ausmaße angenommen hat und wir gefährlich nahe auf einen Punkt
       zusteuern, an dem es kein Zurück mehr gibt. Ein ähnlicher Wandel
       ist auch unter Wirtschaftsexperten zu beobachten. So sind einige
       früher als zurückhaltend geltende Analytiker heute der Meinung,
       dass eine Senkung der Emissionen letztlich weit weniger kosten
       würde, als wenn man sich später an die Folgen anpassen müsste.
       In der Zwischenzeit steigen jedes Jahr die
       Schadenersatz-Zahlungen der Versicherungen für Schäden, die
       durch extreme Wetterbedingungen verursacht wurden. Eine
       wachsende Zahl führender Persönlichkeiten aus Wirtschaft und
       Industrie sieht im Klimawandel bereits ein Unternehmensrisiko.
       Einige wenige verbleibende Skeptiker werden auch weiterhin
       Zweifel säen. Sie sollten als das gesehen werden, was sie sind:
       argumentationslos und einfach nicht zeitgemäß.



       Am vergangenen Montag hat in Nairobi eine wichtige
       Klimakonferenz der Vereinten Nationen begonnen. Der Einsatz ist
       hoch, es geht um viel. Der Klimawandel hat tiefgreifende
       Auswirkung auf nahezu alle Aspekte des menschlichen Lebens und
       Wohlergehens, von Arbeitsplätzen und Gesundheit über
       Ernährungssicherheit und Frieden innerhalb von Ländern und
       zwischen den Staaten. Dennoch wird der Klimawandel noch allzu
       oft als reines Umweltthema betrachtet, obwohl er Teil einer
       breiter angelegten Entwicklungs- und Wirtschaftsagenda sein
       sollte. Solange wir die allumfassende Wesensart dieser Bedrohung
       nicht anerkennen, werden unsere Reaktionen unzureichend sein.



       Umweltminister bemühen sich seit längerem intensiv darum, ein
       international abgestimmtes Vorgehen zu mobilisieren. Jedoch
       fehlen in den Gesprächen und Diskussionsrunden oft noch zu viele
       ihrer Amtskollegen aus den Energie-, Finanz-, Verkehrs- und
       Industrieministerien und auch den Verteidigungs- und
       Außenministerien. Der Klimawandel geht auch sie etwas an. Die
       Barrieren, die sie voneinander trennen, müssen abgebaut werden,
       damit sie sich in einer integrierten Vorgehensweise gemeinsam
       überlegen können, wie in den kommenden dreißig Jahren die
       Investitionen umweltgerechter und "grüner" getätigt werden
       können, die angesichts der wachsenden globalen Nachfrage nach
       Energie erforderlich sein werden.



       Weltuntergangs-Szenarien, die die Menschen mit Schockmethoden
       zum Handeln bewegen wollen, haben letztlich oft den
       gegenteiligen Effekt. So war es zeitweise auch mit dem
       Klimawandel. Wir dürfen uns nicht nur auf die Gefahren
       konzentrieren, sondern müssen unser Augenmerk auch auf die
       Möglichkeiten richten, die mit dem Klimawandel einhergehen. Die
       Kohlenstoffmärkte haben dieses Jahr ein Volumen von 30
       Milliarden US-Dollar erreicht, doch ist ihr Potential damit noch
       lange nicht ausgeschöpft. Das Kyoto-Protokoll kann nun in vollem
       Maß umgesetzt werden - einschließlich seines Mechanismus zur
       umweltverträglichen Entwicklung, der den Entwicklungsländern 100
       Milliarden US-Dollar einbringen könnte. Dem Bericht von Sir
       Nicholas Stern zufolge werden die Märkte für Energieprodukte mit
       niedrigem Kohlenstoffgehalt bis zum Jahr 2050 wahrscheinlich
       mindestens 500 Milliarden US-Dollar jährlich wert sein. So
       erscheint es unverständlich, dass energiesparende Technologien
       und entsprechendes Knowhow nicht häufiger eingesetzt werden,
       obwohl sie heutzutage bereits verfügbar sind - eigentlich ein
       Ansatz, der für beide Seiten ein Gewinn ist, der eine geringere
       Umweltbelastung und globale Erwärmung sowie eine höhere
       Stromerzeugung und einen größeren Ertrag ermöglicht. Niedrige
       Emissionswerte bedeuten keineswegs geringes Wachstum oder ein
       Ersticken der Entwicklungsbestrebungen eines Landes. Außerdem
       können wir dank der Einsparungen Zeit gewinnen, um Sonnen- und
       Windenergie sowie andere alternative Energiequellen zu
       entwickeln und ihre Kosteneffizienz zu verbessern.



       Die Bemühungen um eine Senkung sowie um die Vermeidung künftiger
       Emissionen dürfen zugleich nicht die Notwendigkeit verschleiern,
       sich dem Klimawandel anpassen zu müssen - was angesichts der
       heute bereits bestehenden enormen Kohlenstoffkonzentrationen ein
       gewaltiges Unterfangen ist. Die ärmsten Länder der Welt, von
       denen sich viele in Afrika befinden, sind am wenigsten in der
       Lage, diese Belastungen zu bewältigen - eine Bürde, zu der sie
       selbst nur sehr wenig beigetragen haben. Sie werden
       internationale Hilfe benötigen, wenn ihre Bemühungen um die
       Erfüllung ihrer Entwicklungsziele nicht weiter vereitelt werden
       sollen.



       Noch ist Zeit für einen Kurswechsel in all unseren
       Gesellschaften. Wir dürfen nicht die Angst unserer Wähler
       schüren oder ihre Bereitschaft zu großangelegten Investitionen
       und langfristigen Veränderungen unterschätzen. Die Menschen
       sehnen sich danach, endlich die erforderlichen Maßnahmen zu
       ergreifen, um diesen Bedrohungen zu begegnen und zu einem
       gefahrloseren und vernünftigeren Entwicklungsmodell überzugehen.
       Die Konferenz in Nairobi kann und muss Teil dieser Entstehung
       von kritischer Masse sein. Von ihr muss ein klares und
       glaubwürdiges Signal ausgehen, dass die politische Riege den
       Klimawandel ernst nimmt. Die Frage lautet nicht, ob sich der
       Klimawandel vollzieht, sondern, ob wir in der Lage sind, unsere
       Denk- und Verhaltensweise rasch genug dieser drohenden Krise
       anzupassen.


         Kofi Annan, Generalsekretär der Vereinten Nationen. Foto: Reuters


Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.261, Montag, den 13. November 2006 , Seite 2 _______________________
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