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Am Donnerstag, 21. September 2006 09:06 schrieb Rudolf Sponsel:
Helmuth Supik schrieb:Ein bedingungsloses, garantiertes Grundeinkommen ... Das Netzwerk Grundeinkommen wurde im Juli 2004 von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Studierenden, Mitgliedern der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen, kirchlicher Verbände und verschiedener Parteien sowie weiteren Bürgerinnen und Bürgern gegründet. Es befürwortet ein bedingungsloses, garantiertes Grundeinkommen als grundlegende Alternative zur gegenwärtigen Politik einer forcierten Druckausübung auf Arbeitslose trotz des Mangels an Arbeitsplätzen, für welche die sogenannten Hartz-IV-Gesetze zum Inbegriff geworden sind. Es versteht sich als überparteilicher Anwalt der Grundeinkommensidee in Deutschland und hat sich zum Ziel gesetzt, die Debatte über den Grundeinkommensvorschlag in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu fördern. Auf dem Gründungstreffen wurden vier Bedingungen formuliert, die das bedingungslose, garantierte Grundeinkommen erfüllen soll. Es soll * existenzsichernd sein im Sinne der Sicherung einer basalen gesellschaftlichen Teilhabe, * einen individuellen Rechtsanspruch darstellen, * ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt werden und * keinen Zwang zur Arbeit bedeuten.Und was steht auf der andern Seite an Verpflichtung und Gegenleistung? Ich nehme an, nichts, das wäre also dann sehr einseitig: die Gesellschaft gibt, der Einzelne nimmt. Klingt irgendwie nach nicht so recht realistisch, ethisch fragwürdig, also wenig durchdacht.
Du wirst Dich wundern, aber sowas gibt es schon in einigen Staaten, z.B. in
Alaska.
besorgt Dir dieses Büchlein für 6,50 und Du findest Antworten auf Fragen, die
Du Dir z.Zt. vielleicht noch nicht stellst (so ging es mir jedenfalls)
Helmuth
Basistext "Grundeinkommen: bedingungslos"
Ohne Wenn und Aber
Teile von Attac präsentieren das bedingungslose Grundeinkommen
als "Richtungsforderung"
Mit guten Einführungen ist das so eine Sache: Kurz und leicht verständlich
sollen sie sein, prägnant, aber nicht verkürzend. Oft eine durchaus
titanische Aufgabe, erst recht wenn das Thema so schillernd ist, wie der
Begriff des bedingungslosen Grundeinkommens. Die jüngste
Attac-Veröffentlichung zu dieser Forderung ist eine gute Einführung – mit der
Betonung auf Einführung.
Die Nr. 17 der AttacBasisTexte, "Grundeinkommen bedingungslos" in der
AutorInnenschaft von Werner Rätz, Dagmar Paternoga und Werner Steinbach, kann
dem Grundproblem aller Einführungstexte, der notwendigen Verkürzung, nicht
entkommen. Bei schmalen 94 Din-A5-Seiten wird das auch gar nicht suggeriert.
Vor dem Hintergrund dieser Restriktion ist es wichtiger, worauf sich die
AutorInnen denn konzentriert haben, welche Essentials sie
gewissermaßen im Namen der Attac-Kampagne "Genug für alle", in der alle drei
maßgeblich aktiv sind, transportieren.
Wer in dem kleinen Büchlein ein Attac-Modell zu Grundeinkommen sucht, der wird
nicht fündig werden. Bereits im Vorwort machen die AutorInnen klar, dass es
ihnen "nicht um ein konkretes Modell, sondern um die Entfaltung einer Idee"
geht. Und um es gleich zu sagen: Das ist keine Schwäche, sondern eine Stärke
des Textes. Denn gerade in Zeiten von Hartz IV und prekären Lebens- und
Arbeitswelten kommt die linke Grundeinkommensdiskussion leicht in Gefahr, in
einer realpolitisch motivierten technizistischen Debatte um eine
Neugestaltung der sozialen Sicherung zu versacken.
Eine der wichtigsten Ideen, die mit dem bedingungslosen Grundeinkommen
transportiert werden, wenn nicht der zentrale Gedanke überhaupt, ist die
soziale und materielle menschenwürdige Existenzsicherung als unteilbares
Menschenrecht: "Jeder Mensch hat, nur weil es ihn gibt, das Recht auf
Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum und am gesellschaftlichen Leben".
Dieser radikale menschenrechtsorientierte Ansatz steht in scharfem
Gegensatz zum "Fördern und Fordern" des aktivierenden Sozialstaats und zur
Pflichtenethik des autoritären Neoliberalismus, wonach man sich
sozialstaatliche Transferleistungen erst einmal verdienen muss: "Keine
Leistung ohne Gegenleistung".
Aber die Idee von einem unteilbaren Recht auf ein gutes Leben für alle, ohne
jegliche Vorbedingen, kollidiert auch mit der Vorstellungswelt der
traditionellen ArbeiterInnenbewegung und ihren sozialdemokratischen,
sozialistischen und leninistischen Strömungen. "Wer nicht arbeitet, soll auch
nicht essen", dieses Verdikt aus der Frühzeit der Sowjetunion, ist nur der
krasseste Ausdruck einer Positionierung, die in Diskussionen mit
Gewerkschaften und linken Parteien bis heute immer wieder auftaucht. Wenn man
so will, ist das der Standpunkt der produktiven Arbeit, nach der
nurdiejenigen einen Anspruch auf den gesellschaftlichen Reichtum haben, die
ihn erarbeitet haben. Nicht nur von Seiten der Aktivierungsapologeten,
sondern auch von links wird von daher oft eine Anthropologie der Arbeit in
Anschlag gebracht, ein angebliches menschliches Grundbedürfnis nach "Arbeit",
die Behauptung einer Selbstverwirklichung in und durch "die Arbeit". Die
konkrete kapitalistische Formbestimmung der Arbeit wird dabei geflissentlich
übergangen.
Ein gutes Leben für alle: ein Menschenrecht
Die zweite Idee, die die Attac-AutorInnen von daher richtigerweise betonen,
ist die radikale Entkoppelung von Arbeit und Einkommen und zwar explizit auch
als "Befeiung von der Arbeit". Das bedingungslose Grundeinkommen ist deshalb
auch kein "gesellschaftlicher Lohn", wie in manch postoperaistischer
Sichtweise. Diesem Einkommen steht keinerlei
Arbeitsleistung gegenüber. Die Befreiung von der Pflicht, erst einmal und
vorrangig seine Arbeitskraft - in welcher Form auch immer - verwerten zu
müssen, ist neben der Bedarfsgerechtigkeit das zweite zentrale Moment des
bedingungslosen Grundeinkommens. Damit weist diese Idee aber weit über eine
Neugestaltung sozialer Sicherung und gesellschaftlicher Teilhabe hinaus. Sie
wird gleichzeitig zu einer Idee über neue Formen
gesellschaftlicher Produktion. Rätz, Paternoga und Steinbach stoßen zumindest
eine Diskussion an, die vielen anderen Texten zum Thema fehlt: Was soll als
gesellschaftlich notwendige Arbeit gelten? Von welcher Arbeit wollen wir uns
lieber befreien? Welche Produkte sollen wie und von wem hergestellt werden?
Und wer entscheidet darüber? (vgl. auch ak 502 )
Allerdings schwächelt der Text bei der Diskussion von Durchsetzungsstrategien.
Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ist heute in der Linken sehr
viel verbreiteter als etwa vor 20, 25 Jahren, als der undogmatische Flügel
der Erwerbslosenbewegung die Parole vom
Existenzgeld gegen gewerkschaftliche und parteilinke
Vollbeschäftigungsforderungen ("Recht auf Arbeit") aufs Schild gehoben hatte.
Doch andererseits geht es dieser Forderung heute wie anderen Forderungen
auch: Es gibt in Deutschland keine sozialen Bewegungen, die
sie wirklich vertreten. Die Montagsdemos und Anti-Hartz-Proteste haben "Weg
mit Hartz IV" skandiert, nicht aber "Für ein bedingungsloses Grundeinkommen".
Befreiung von (schlechter) Arbeit
Die Forderung nach bedingungslosem Grundeinkommen wird nur dann
wirkungsmächtig, wenn sie Ausdruck einer widerständigen sozialen
Alltagspraxis ist. Sie kann nur entstehen im konkreten Kampf gegen Hartz IV
und prekäre Arbeitsbedingungen, gegen Bedürftigkeitsprüfungen und Zuweisungen
in die Pflichtarbeit bzw. im Kampf für die Teilhabe aller an den
gesellschaftlichen Ressourcen. Die AutorInnen weisen zu Recht auf den
Zusammenhang mit der Idee einer kostenlosen sozialen öffentlichen
Infrastruktur hin - von Kindergärten über öffentliche Bücherhallen bis hin zu
Schwimmbädern, Kultur und öffentlichem Nahverkehr. Doch auch das ist
letztlich eine Frage der konkreten Alltagskämpfe: Demos gegen
Privatisierungen und Schließungen, Streiks, Besetzungen, Aneignungspraxen.
Dirk Hauer
Werner Rätz, Dagmar Paternoga, Werner Steinbach: "Grundeinkommen
bedingungslos", AttacBasisTexte Nr. 17, Hamburg (VSA) 2005, 94 Seiten, 6,50
Euro
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