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Message 01153 [Homepage] [Navigation]
Thread: choxT01143 Message: 6/7 L5 [In date index] [In thread index]
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Re: [chox] Re: [chox] Re: [chox] Wertschöpfung



chat oekonux.de on Donnerstag, 4. November 2004 at 13:58 Uhr [PHONE NUMBER REMOVED] wrote:
wie geht die hierarchie denn weiter oder is es vielleicht gar keine 
hierachie
die du hier andeutest? aber was deutest du dann an?

Lieber Alfred, liebe alle,

wie schon in der telephonischen Diskussion mit Guenter Auly erläutert:

der Wert war nicht da bevor das Geld da war!

habe heute einen recht wissenschaftlichen Aufsatz von Michael Heinrich in
die Hand bekommen, der genau diese Paradoxie reflektiert. Hier sehe ich
eine Brücke zwischen den, ich möchte mal sagen kritischen Geld- und
Schuldentheoretikern und den reflektierten Marxisten.

Die einzig wissenschaftliche Antwort auf das Wertproblem heißt
Wertformanalyse. Dieser "esoterische" Ansatz im Marxismus wird gerade
wiederentdeckt. Ein weiterer weichtiger vertreter ist Mike Roth in
Konstanz (www.wertformanalyse.de)

ich zitiere die relevante passage:


Michael Heinrich


Werttheorie, Profitratenfall und Traditionsmarxismus


in: trend onlinezeitung 09/04


 
In den Ausgaben von 06/04 und 07/04 von trend wurden meine Auffassungen
zur Werttheorie und zum Profitratenfall, die ich in der ?Wissenschaft
vom Wert? (3. Aufl., Münster 2003) vertreten habe, von verschiedenen
Autoren kritisiert (vgl. Daniel Dockerill in 06/04, Karl Müller im
Editorial von 07/04, Robert Schlosser in einem Exkurs seiner
Postonekritik in 06/04, und in einem Text zum Profitratenfall in 07/04).
Gemeinsam ist den genannten Beiträgen ein Verständnis der Marxschen
Theorie, das von mir und von anderen als ?traditioneller Marxismus?
kritisiert wurde. Die Auseinandersetzung mit meinen Kritikern ist daher
auch eine mit dem Traditionsmarxismus. 

Substanzialistische oder monetäre Werttheorie

In der traditionellen Lesart der Marxschen Werttheorie wird eine
weitgehend ?substanzialistische? Auffassung vertreten: Wert gilt dort
als eine der einzelnen Ware eingeschriebene Eigenschaft, die sie allein
im Rahmen des Produktionsprozesses erhält. Austausch und Geld spielen
gegenüber der Produktion nur eine untergeordnete Rolle, indem der in der
Produktion bestimmte Wert realisiert wird, oder eben manchmal auch
nicht.

Zwar finden sich einige Äußerungen von Marx, die sich in diesem Sinne
interpretieren lassen, außer einer ganzen Reihe von gegenteiligen
Äußerungen spricht aber vor allem der Gang seiner Argumentation eine
ganz andere Sprache. Die substanzialistische Auffassung bezieht sich im
wesentlichen auf die ersten fünf Seiten des ?Kapital? (MEW 23, S.49-54),
mit der Definition ?gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit? ist für
sie schon alles Wichtige gesagt. Wertformanalyse, Fetischismus und noch
ein eigenes Kapitel zum Austauschprozess - also genau die Abschnitte,
die Marx mehrfach umformulierte, mit denen er sich offensichtlich schwer
tat, passen in diese Sichtweise nicht so richtig hinein. In den
traditionellen Darstellungen werden sie dann auch gar nicht oder nur
ganz kurz behandelt.

(Wo Marx sich abmüht die "Fata Morgana"-Seite des Werts darzustellen, FN)

Die substanzialistische Auffassung der Werttheorie kritisierte ich in
der ?Wissenschaft vom Wert?. Im Anschluss an bereits in den 70er Jahren
geführte Diskussionen versuchte ich die Marxsche Werttheorie als
?monetäre Werttheorie? zu rekonstruieren: als Werttheorie, bei der sich
der Wert gerade nicht an der einzelnen Ware festmacht, sondern erst der
Austausch die Produkte wirklich in Waren (und damit in Wertgegenstände)
verwandelt, wobei ein nicht nur vereinzelter sondern verallgemeinerter
Austausch nur möglich ist durch Geld. Dabei schafft der Austausch
keineswegs Wert aus dem Nichts, vielmehr vermittelt er die Arbeiten der
einzelnen Warenproduzenten: die privat verausgabte, individuelle,
konkrete Arbeit wird im Austausch zu gesellschaftlicher und das heißt in
der bürgerlichen Gesellschaft: wertbildender, abstrakter Arbeit (eine
ausführliche Auseinandersetzungen mit dem Thema findet man in Kapitel 6
der ?Wissenschaft vom Wert?, eine kurz gefasste Darstellung habe ich in
?Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung?, Schmetterling Verlag
2004, Kapitel 3 gegeben). Dabei zeigt sich, dass die typische Frage, die
von Vertretern der substanzialistischen Auffassung so gerne gestellt
wird, ?wo entsteht der Wert, in der Produktion oder in der
Zirkulation??, falsch gestellt ist. Es ist das spezifisch bürgerliche
Verhältnis von Produktion und Zirkulation (private Produktion und
nachträgliche Gesellschaftlichkeit im Austausch), die das
gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zum Wert verdinglicht. 


Robert Schlosser versucht nun in dem oben erwähnten Exkurs, die
substanzialistische Auffassung mit einem einigermaßen merkwürdigen
Argument aufrecht zu erhalten: die Ware sei Träger von Wert, weil ihre
Erzeugung Geld gekostet habe. Mir wirft er vor, dass, wenn ich die Ware
außerhalb des Tausches nur als Gebrauchswert betrachte, ich dann wohl
von einer Ware ausgehe, deren Produktion kein Geld gekostet habe. Und
überhaupt müsse man an der einzelnen Ware als Träger von Wert
festhalten, nur dann könne man von Verwertung bzw. von Wertvernichtung
und Entwertung im Falle eines Scheiterns des Verkaufs sprechen.


Das Problem, um das es hier geht, hat jedoch überhaupt nichts damit zu
tun, ob bei der Herstellung eines Produkts Geld verausgabt wurde oder
nicht. Es geht um die Frage, ob die Arbeitsprodukte außerhalb des
Tauschs nur Gebrauchswerte sind und sie - wie es Marx stets betont, wenn
er explizit auf den Austauschprozess zu sprechen kommt - erst im
Austauschprozess ?einander tatsächlich gleichgesetzt und daher
tatsächlich in Waren verwandelt werden? (MEW 23, S. 101f) oder ob sie
Waren (und damit Werte) auch außerhalb des Austauschs, nämlich im
Produktionsprozess sind. Diese Frage kann man für eine Handvoll Beeren,
die ohne Geld zu verausgaben im Wald gepflückt und auf dem Markt
angeboten werden, genauso stellen, wie für das kostspielige Produkt
eines industriellen Fertigungsprozesses. 


Die Antwort auf diese Frage lässt sich geben, wenn man untersucht, was
Wertgegenständlichkeit bedeutet. Den entscheidenden Schritt zu dieser
Untersuchung machte Marx im Rahmen der Wertformanalyse.
Wertgegenständlichkeit als ein gesellschaftliches Verhältnis der
Produzenten lässt sich am einzelnen Ding überhaupt nicht fest machen,
sie kann nur im Verhältnis zu einem anderen Ding erscheinen, indem das
andere Ding, d.h. die zweite Ware, die mit der ersten ausgetauscht wird,
als deren Wertgestalt gilt. Dieser Überlegung stimmt Schlosser zu,
schreibt dann allerdings: ?Der Umkehrschluß, dass sie [gemeint ist die
einzelne Ware, M.H.] deshalb, weil sie als solche keine
Wertgegenständlichkeit besitzt, kein Träger von Wert ist, ist jedoch
falsch.? Wie es aber angehen soll, dass ein Gebrauchswert zwar keine
Wertgegenständlichkeit besitzt, aber trotzdem ?Träger von Wert?, also
doch Wertgegenstand ist, bleibt das Geheimnis von Robert Schlosser. Doch
ist dies nicht die einzige Merkwürdigkeit. Einige Sätze weiter schreibt
Schlosser: ?Dass eine einzelne Ware Verkörperung vorausgegangener
abstrakter Arbeit und damit Träger von Wert ist, einer bestimmten
Wertgröße, merkt der Produzent resp. Eigentümer dieser Ware spätestens,
wenn er diese Ware nicht verkaufen kann.? Tatsächlich ist es aber genau
umgekehrt: wenn der Eigentümer eine Sache nicht verkaufen kann, dann
verwandelt sie sich nicht in Ware, ist nicht Wertgegenstand, sondern
lediglich Gebrauchswert. Was der Eigentümer dieses nicht in Ware
verwandelten Gebrauchswerts bemerkt, ist vielmehr, dass er die bei der
Produktion angefallenen Kosten, eben nicht - wie er es gehofft hatte -
durch Verwandlung dieses Gebrauchswertes in eine Ware wieder
hereinbekommt (und er erst recht keinen Gewinn einstreichen kann).
Gerade weil der Gebrauchswert, der sich nicht in Ware verwandelt daher
auch kein Wertgegenstand ist, kommt der Eigentümer zur Einsicht, dass
die ursprüngliche Wertsumme, die er in selbständiger Gestalt als Geld
besessen und dann für die Produktion des Gebrauchswertes aufgewandt
hatte, ?vernichtet? ist (vernichtet ist sie nur für ihn, für die
früheren Verkäufer von Produktionsmittel und Arbeitskraft, die dieses
Geld von ihm erhalten hatten, ist diese Wertsumme, unmittelbar nach dem
Tausch jedenfalls, nicht vernichtet). Nur wenn der Eigentümer das
Arbeitsprodukt verkaufen kann, verwandelt es sich in Ware und der
Eigentümer merkt, dass es ?Träger von Wert? ist. Diesen Wert kann der
Eigentümer mit seinen anfänglichen Kosten vergleichen und feststellen,
ob er einen Gewinn gemacht oder nicht.

Beim substanzialistischen oder nicht-substanzialistischen Verständnis
des Werts geht es nicht um irgendeine belanglose theoretische
Spitzfindigkeit, sondern um den Charakter kapitalistischer
Vergesellschaftung. Im Rahmen kapitalistischer Warenproduktion wird
Arbeit privat verausgabt, ob und inwieweit sie als Bestandteil der
gesellschaftlichen Gesamtarbeit gilt, stellt sich erst im Nachhinein
heraus, beim Austausch. Eine derartige Form von Gesellschaftlichkeit
unterscheidet die bürgerlichen (auf Warenproduktion beruhenden)
Verhältnisse von allen nicht-bürgerlichen Verhältnissen. Diese
spezifische Gesellschaftlichkeit versucht Marx zu analysieren und
verwendet dazu Begriffe wie abstrakte Arbeit oder Fetischismus, für die
es in der bürgerlichen Ökonomie kein Pendant gibt. Wird davon
ausgegangen, dass die Arbeitsprodukte bereits während des
Produktionsprozesses, also der ?privaten? Verausgabung von Arbeit, Waren
und Wertgegenstände sind, dann wird die Differenz der verschiedenen
Formen von Gesellschaftlichkeit eingeebnet bzw. die für die bürgerliche
Gesellschaft spezifische Vermittlung der Gesellschaftlichkeit über den
Tausch wird zu einem untergeordneten nachträglichen Akt. Der
Traditionsmarxismus hat daher die Tendenz, die Differenz zwischen der
Marxschen Kritik der politischen Ökonomie und der klassischen
politischen Ökonomie faktisch einzuebnen (was von den Vertretern des
Tradtionsmarxismus keineswegs beabsichtigt ist).

Der monetäre, nicht-substanzialistische Charakter des Werts ist nicht
nur für die Analyse des Kapitalismus von entscheidender Bedeutung, was
sich insbesondere in der Auffassung von Geld und Kredit zeigt (die in
den meisten traditionsmarxistischen Beiträgen völlig unterbelichtet
bleibe, vgl. meinen Aufsatz ?Geld und Kredit in der Kritik der
politischen Ökonomie? in: Das Argument Nr. 251, 2003), dieser Charakter
hat auch - in negativer Weise - für die Konzeption einer
sozialistisch/kommunistischen Gesellschaft Bedeutung. Werden in einer
solchen Gesellschaft Austausch und Markt als ökonomische
Vermittlungsinstanzen zugunsten einer gesellschaftlichen Planung
aufgegeben, dann muss man sich darüber im Klaren sein, welche
Koordinationsleistungen vorher im Rahmen von Märkten erbracht wurden,
und nun in anderen gesellschaftlichen Formen erbracht werden müssen. In
der ?Wissenschaft vom Wert? hatte ich auf diesen Zusammenhang verwiesen
- nicht um die Möglichkeit gesellschaftlicher Planung zu diskreditieren,
sondern um allzu naive Sozialismusvorstellungen zu kritisieren, wie sie
bei vielen Vertretern des traditionellen Marxismus vorherrschen, eben
weil sie glauben, die entscheidende Vergesellschaftung habe schon
innerhalb der Produktion stattgefunden.

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