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[chox] Rezension: Reinhard Blomert * Die Habgierigen



Hi!

Folgende Rezension von Rainer Fischbach habe ich der ix 3/2004
entnommen.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Reinhard Blomert

Die Habgierigen

Firmenpiraten, Börsenmanipulation: Kapitalismus außer Kontrolle

München 2003
Kunstmann
180 Seiten
17.90 EUR
ISBN 3-88897-328-7

Nichts ist schwieriger als den Zauber einer Sache nach ihrer
Entzauberung zu erklären. Das ist mit der New Economy und dem sie
damals begleitenden Boom an den Finanzmärkten nicht anders. Dass ein
paar Leute halt übertrieben, um nicht zu sagen: in betrügerischer
Absicht gelogen hätten, "die Märkte" ihnen gefolgt seien und das Ganze
deshalb einer "Korrektur" bedurft hätte, taugt höchstens als
Gutenachtgeschichte für Börsenbarometer-TV-Sendungen. Für ein
abendfüllendes Format ist das zu dünn.

Inzwischen bietet der deutsche Buchmarkt einiges an Erklärungen. Zu
den spannenderen gehört das Buch von Blomert, der trotz des etwas
reißerischen Titels sein Thema sachlich und fundiert darstellt. Eine
seiner Stärken besteht darin, dass es nicht erst in den 90er-Jahren
mit Aktienboom und Internet einsetzt, sondern bis zurück in die
80er-Jahre reicht. Damals seien die entscheidenden Weichenstellungen
vorgenommen worden: 1. die bis heute unrevidierte Stoßrichtung zur
Aufhebung der Regulationen, denen besonders die Finanz-, Energie-,
Telekommunikations- und Verkehrsmärkte bis dahin unterlagen, 2. die
Bestimmung des Marktes zum zentralen gesellschaftlichen Regulations- und
Vermittlungsmechanismus und 3. die Ausrufung des individuellen
Gewinnstrebens, der grenzenlosen Gier, zur entscheidenden
Antriebsfeder menschlichen Handelns.

Blomert arbeitet heraus, dass in der Welle feindlicher Übernahmen,
Fusionen und Zerschlagungen von Unternehmen während der 80er-Jahre
unter anderem die Kontrolle über Unternehmen zu einem handelbaren Gut
wurde - und wie der "Shareholder value" die Rolle der zentralen
Rechtfertigungsideologie dieser Entwicklung übernahm. Er zeigt
außerdem die weitreichenden Nebenwirkungen dieses neuen
kapitalistischen Paradigmas: zunächst den Druck auf und, via
Aktienzuteilung, zusätzlich die Verlockung für das Management, im
Quartalsrhythmus immer bessere Zahlen auszuweisen und Investitionen in
die langfristige Zukunft zurückzustellen oder gar, wenn das nicht mehr
hilft, zur kreativen Buchführung überzugehen.

Schließlich beleuchtet er den Aufstieg der Intermediäre des
Finanzmarktes - der Investment-Banken, Wertpapierhändler, Analysten,
Rating-Agenturen, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater - zu
ungeahnter Macht mit ebenso ungeahnten Missbrauchsmöglichkeiten, die
sich vor allem daraus ergeben, dass diese in der Lage sind,
entscheidende Informationen zu monopolisieren, gezielt und dosiert
weiterzugeben oder sogar zu verfälschen. Der "Markt" für
Unternehmenskontrolle hat ein inhärentes Transparenzdefizit, und
Spezerlnwirtschaft gibt es nicht nur in exotischeren Gegenden wie
Kuala Lumpur und München, sondern auch an der Wall Street und in der
Londoner City.

Auf diesem Hintergrund ist Blomert in der Lage, spektakuläre Fälle der
letzten Jahre nicht als Böse-Buben-Stücke einzelner Anlagebetrüger und
Bilanztrickser abzuhandeln, sondern als Konsequenzen eines Systems, an
dessen Herausbildung Finanzwelt und Politik seit Jahrzehnten arbeiten.
Den erst zwei Jahre zurückliegenden Fall Enron - nach WorldCom die
zweitgrößte Pleite der US-Geschichte - kann er als Lehrstück auf seine
Thesen vorführen. Etwas zu optimistisch erscheintdagegen seine
Hoffnung, dass der "rheinische Kapitalismus", in dem bisher gewisse
Traditionen und Regularien eine Entwicklung nach amerikanischem
Vorbild behindert haben, sich dauerhaft als Alternative behaupten
könnte - zumal auch der über Kritik nicht erhaben ist.



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