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Bündnisaufruf zur Demo am 03/10/03 in Berlin 03 /10/03 HACKESCHER MARKT // 16.00 UHR // Deutschland verraten! Kapitalismus abschaffen! Wenn die nationale Borniertheit überall widerlich ist, so wird sie namentlich in Deutschland ekelhaft, weil sie hier mit der Illusion, über die Nationalität und über alle wirklichen Interessen erhaben zu sein, denjenigen Nationalitäten entgegengehalten wird, die ihre nationale Borniertheit und ihr Beruhen auf wirklichen Interessen offen eingestehen. (Marx/Engels, Die deutsche Ideologie) Der 03.10.1990 markiert den Beginn einer neuen Epoche. Während sich der Kapitalismus mit dem Ende der Sowjetunion als alternativlos aufführt, hat Deutschland seine volle nationale Souveränität wiedererlangt und unterliegt fortan keinen alliierten Restriktionen mehr. Die Deutschen dürfen endlich machen was sie wollen, die Arbeitsteilung funktioniert prima: Der völkische Mob tobt sich in mörderischen Pogromen aus und erreicht in Zusammenarbeit mit der politischen Elite die Abschaffung des Rechtes auf Asyl, während die Bürger mit Kerzen die Hauptverkehrsstraßen säumen. Endlich dürfen deutsche Flugzeuge wieder Bomben über Belgrad abwerfen, endlich darf Israel „konstruktiv und radikal“ kritisiert werden, endlich bestimmt Deutschland selbst, wer wann wem Unrecht getan hat, wer Opfer und wer Täter ist und endlich werden die Weichen dafür gestellt, dass über das deutsche Wesen im Sudetenland nicht mehr nur im "Vertriebenen"-Vereinsheim schwadroniert wird – Deutschland ist wieder! Von der Teilhabe am nationalen Wohlstand zum Verzicht Das neue deutsche Selbstbewusstsein speist sich heute nicht wie in der unmittelbaren Nachkriegszeit aus einem Wirtschaftswunder, das man eigenem Fleiß und gemeinsamem Anpacken zuschrieb, dessen wirkliche Basis jedoch das wirtschaftliche Erbe des Nationalsozialismus und der Marshallplan bildeten. Es ist nicht mehr Ausdruck einer Ideologie der Teilhabe am nationalen Wohlstand. Die fordistische Arbeitsgesellschaft, gekennzeichnet durch nahezu Vollbeschäftigung, bot der ArbeiterInnenbewegung noch die Möglichkeit, Staat und Kapital soziale Zugeständnisse abzuringen. Während jedoch die Krise des Fordismus zunehmend den Rahmen dessen verengte, was innerhalb der kapitalistischen Logik aushandelbar ist, schwächte das spätere Ende der Sowjetunion zusätzlich die Verhandlungsposition der Gewerkschaften. In der Systemkonkurrenz galt die Existenz sozialer Mindeststandards immerhin noch als ein Kriterium für die Überlegenheit des jeweiligen Gesellschaftsmodells. Wenn die Gewerkschaften heute mit Regierung und Arbeitgeberverband um den Titel des besten Bewahrers des nationalen Wohls buhlen, dann nicht mehr im Namen „unbegrenzten Konsums“. Was sich hier – verstärkt noch durch die „Wieder“-Vereinigung – im nationalen Taumel zu „Kanzlerrunden“ zusammenfindet, tut dies unter dem Banner der „Standortlogik“. Individueller Verzicht zugunsten des im Staat verkörperten Allgemeininteresses der „Gemeinschaft“ lautet die neue Losung. Dabei ist der Aufruf von oben, die „Freiheit vom Staat“ als neue Eigenverantwortung positiv zu begreifen, der Aufruf an die Lohnabhängigen, als Schmiede ihres eigenen Glücks die jeweils Anderen auszubooten. Bei fast widerstandsloser Hinnahme der Abschaffung sozialstaatlicher Leistungen findet dieser Verteilungskampf seinen Ausdruck unter anderem in Hass. Hass nicht ausschließlich auf jene, die – vom Verwertungsprozess ausgeschlossen – nichts „leisten“ können oder wollen, wie Erwerbs- und Obdachlose, sondern vor allem auf solche, die von Anfang an und für alle Zeiten völlig unabhängig von ihrem Tun oder Nichttun kategorisch kein Teil der „Gemeinschaft“ sein können: etwa MigrantInnen und andere als „Nichtdeutsche“ klassifizierte Menschen. Diese sind „zwischen“ den Pogromen einer alltäglichen rassistischen Gewalt ausgesetzt, wie sie der herrschenden nationalstaatlichen Ordnung – historisch und lokal modifiziert – entspringt. Der bürgerliche Staat ist die Instanz, die jene Bedingungen herstellt, die für die kapitalistische Produktionsweise unerlässlich sind, wie Eigentum, Währung, Gewaltmonopol, Infrastruktur, Bildung und nationaler Konsens. Die Nation ist die Instanz, die Interessengegensätze von Individuen und Klassen über Identitätsstiftung zumindest ideell aufhebt und damit entsprechende Ausschlüsse produziert. German Things Deutschland heißt, dass der Zweck der Nation, die Herstellung von Identität zwischen Staat und Bevölkerung, völkisch vollzogen wird. Hierbei dreht sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts alles um eine politische Zusammenfassung, die als präpolitische und organische Einheit verstanden wird: das Volk. Dieses Volk, das über „Blut und Boden“ definiert ist, konnte sich nur in Abgrenzung zu inneren und äußeren Feinden konstituieren. Zunächst waren es die Ideale der französischen Revolution, denen in romantischer Reaktion deutsche „Tiefe“, „Innerlichkeit“ und „Kultur“ entgegengesetzt wurden. In Folge der Reichsgründung 1871 setzte sich die Idee der „Juden als Gegenprinzip“ durch: „Die Juden sind unser Unglück“ (Treitschke), weil sie vermeintlich die Moderne, das heißt die bürgerliche Gesellschaft wie auch ihre kommunistische Negation, verkörpern. Sie werden als Verschwörung halluziniert, die die „organische Gemeinschaft“ von innen heraus bedroht. Dieser Wahn bestimmte zwischen 1933 und 45 die Volksgemeinschaft. Im Bündnis von Mob und Elite wurde die halbe Welt mit Krieg überzogen und die Shoa organisiert. Indem der Antisemitismus zur dominierenden Logik einer ganzen Gesellschaft wurde, verschwanden zuletzt die Kriegsziele hinter der Vernichtungsabsicht: Deutschland konzentrierte seine Ressourcen auf die systematisch geplante und industriell betriebene Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden. Nur durch den militärischen Sieg der Alliierten konnte diese Mordmaschinerie gestoppt werden. Die anschließenden Reeducation-Versuche bewirkten angesichts des tiefverwurzelten Antisemitismus und der großen Unterstützung der Nazi-Politik seitens der deutschen Bevölkerung lediglich oberflächliche Erfolge. Zwar waren in beiden deutschen Staaten – seit dem Ende der stalinistischen Kampagne gegen „zionistisch-kosmopolitische Verschwörer“ – explizit-antisemitische Äußerungen in der politischen Öffentlichkeit geächtet. Das bedeutete jedoch keineswegs ein Verschwinden des Antisemitismus, sondern zum einen seinen Rückzug in den Bereich der familiären Überlieferung, zum anderen seine Modifizierung zum sekundären Antisemitismus. Die Deutschen können den Überlebenden Auschwitz nicht verzeihen. Durch ihre bloße Existenz gemahnen diese an deutsche Schuld, verhindern eine positive Identifizierung mit der Nation und werden deshalb Gegenstand von Aggression. In beiden deutschen Staaten wurden verschiedenste Strategien zur Schuldabwehr entwickelt: sei es das Phantom eines Kollektivschuldvorwurfs, gegen den sich die alte BRD zur Wehr setzte, sei es die Mär von 16 Mio AntifaschistInnen in der DDR. Das Ziel war und ist stets das Gleiche: die Verdrängung der eigenen Vernichtungstaten und die Selbststilisierung als Opfer – ob von „den Nazis“, von alliiertem „Bombenterror“ und Stalingrad oder vom „Vertreibung“ genannten Transfer der fünften Kolonne Hitlers „heim ins Reich“. Die Konsequenz ist dabei immer Verharmlosung und Relativierung der Shoa. Deutschland denken 2003: Auf zu neuen Kriegen „Wieder“-Vereinigung, Abzug der Alliierten und der rot-grüne Regierungswechsel bewirkten eine grundsätzliche Neugestaltung der deutschen Außenpolitik. Galt unter Kohl noch, dass deutsche Soldaten wenigsten dort nichts zu suchen haben, wo einst die Wehrmacht wütete, so unter Rot-Grün, dass gerade Auschwitz die Deutschen mit einer Erfahrung ausstattet, die sie auf „humanistische“ Interventionen überall auf der Welt verpflichtet – ginge es nach Schröder sogar in Israel. Zwar legte bereits Genschers Anerkennung von Kroatien und Slowenien in Tradition deutscher Volksgruppenpolitik den Grundstein für die Zerschlagung Jugoslawiens zugunsten völkisch homogenisierter Gebilde. Ihre Vollendung jedoch erledigten Scharping und Fischer, indem sich Deutschland an der Bombardierung Belgrads beteiligte. In deren Folge wurde der Kosovo nicht zuletzt unter Aufsicht deutscher Kfor-Einheiten von Serbinnen und Serben, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Türkinnen und Türken, sprich: „Nicht-AlbanerInnen“, gesäubert. Im Zuge der Militarisierung und Europäisierung verfolgt deutsche Außenpolitik zunehmend auch das Ziel, jene Konsequenzen rückgängig zu machen, die von den Siegermächten und ihren Verbündeten aus dem deutschen Vernichtungsfeldzug gezogen wurden. Man denke nur an die Initiative, Tschechiens EU-Beitritt von der Rücknahme der Beneš-Dekrete abhängig zu machen. „Wieder“-Vereinigung, Abzug der Alliierten und der rot-grüne Regierungswechsel stehen zudem für eine innenpolitisch relevante, forciert betriebene „Normalisierung“ des Verhältnisses der Deutschen zu ihrer Geschichte. Der Erfolg dieses Anliegens ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass seine heutigen Protagonisten in den 80ern noch zu seinen Gegnern gehörten, wie Grass, Walser, Habermas. Die im linksliberalen Salon betriebene „Entkrampfung“ der Deutschen wird dabei vom zunehmenden manifesten Antisemitismus der Straße flankiert. Davon zeugen nicht nur die wöchentlichen Schändungen jüdischer Friedhöfe, sondern auch die breite Solidarität, die Möllemanns antisemitischen Attacken gegen Israel, Scharon und Friedman über den Stammtisch hinaus zu Teil wurde. Der Mob also steht bereit. Doch offenbart der Fall Möllemann auch, dass die politische Klasse Deutschlands derzeit kein Interesse an offen antisemitischer Mobilisierung hat. Ihre Ablehnung gehorcht – wie der staatlich verordnete „Aufstand der Anständigen“ – der Standortlogik und internationalen wie auch militärischen Kräfteverhältnissen. An deren Veränderung wird jedoch gearbeitet, nicht im Alleingang, sondern auf die europäische Tour, wie bei der Bildung einer den USA konkurrenzfähigen Interventionsstreitmacht. Der Salon ist dem bereits gedanklich weit voraus und bringt die atomare Bewaffnung Deutschlands in die Diskussion (Scholl-Latour). Mit Europa gegen die USA Die Opposition des „alten Europa“ gegen den Irak-Krieg konstituierte sich als Gegenmacht von unten in den Friedensdemonstrationen. Das Bestreben, die EU als eigenständigen Machtblock zu etablieren, stellt die Hegemonie der USA in Frage. Dies verbindet sich mit ökonomischen Interessen in der arabischen Region. Der Bezug auf europäische Identität bildet dabei die moralische Legitimation. In Deutschland geht das so: das Interesse der Amerikaner „am Krieg“ sei kapitalistisch-nationaler Eigennutz, d.h. partikular, borniert. Das Interesse Deutschlands und seiner Verbündeten „am Frieden“ sei weder kapitalistisch noch national zu begründen, sondern diene der höheren allgemeinen Sehnsucht der Menschheit nach „Frieden“. Zivil-friedliebende Deutsch-Europäer gegen barbarisch-gewalttätige Amerikaner. Zur Übersetzung dieser alten deutsch-romantischen Vorstellung in die heutige Zeit sowie zur intellektuellen Veredelung dieses blanken antiamerikanischen Ressentiments fühlt sich der deutsche Philosoph Habermas berufen: Dieser sieht eine europäische Identität, geschmiedet aus den Erfahrungen des Faschismus und der Kolonialgeschichte. Die Unterschiede in den „Erfahrungen“ mit dem Faschismus, die in den einzelnen Ländern gemacht wurden, gehen dabei – in einer für die Deutschen günstigen Weise – unter im Einheitsbrei der Erinnerung. Angesichts soviel verarbeiteter Verbrechen sei Europa geradezu verpflichtet, den „geschichtslosen“ und somit die Welt in die Katastrophe steuernden Amerikanern das Ruder aus der Hand zu nehmen. Für eine radikale Linke kann es nur eine Antwort geben: Krieg den deutschen Zuständen! Krieg den deutschen Zuständen – das heißt hier und jetzt, eine Gesellschaft anzugreifen, die von der Schuld des nationalsozialistischen Erbes nicht nur nichts wissen will, sondern auf den baldigen natürlichen Tod jener ehemaligen ZwangsarbeiterInnen setzt, die das deutsche Morden überlebten. Krieg den deutschen Zuständen – das heißt hier und jetzt, eine Gesellschaft anzugreifen, die versucht, die überlebenden Opfer zum Schweigen zu bringen, indem sie ihr Sprechen als „Thematisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken“ (Walser) abwehrt. Krieg den deutschen Zuständen – das heißt hier und jetzt, eine Gesellschaft anzugreifen, für deren Neukonstitution die brennenden Häuser von Hoyerswerda, Mölln, Solingen und Rostock ebenso stehen, wie die politische und militärische Zerschlagung Jugoslawiens. Nicht zuletzt heißt „Krieg den deutschen Zuständen“ auch, ihre allgemeinen herrschaftlichen Voraussetzungen – Kapital und Nation – in Perspektive auf herrschaftsfreie Vergesellschaftung ins Visier zu nehmen. Gegen Antisemitismus und Rassismus ! Deutschland verraten! Kapitalismus abschaffen! der Aufruf wird unterstützt von: antideutsche frauen - berlin [adf], antifajugend aktion kreuzberg [ajak]antifaschistische gruppe oranienburg [a.g.o.], antifa u7, bündnis gegen antisemitismus und antizionismus [bgaa], desperados, jusos berlin, kritik&praxis [kp berlin], naturfreundejugend berlin, postpessimistinnen, autonome antifa moers, bad-weather [antifaschistische gruppe hamburg], Antifa-Saar/Projekt-AK -- +++ GMX - die erste Adresse für Mail, Message, More! +++ Getestet von Stiftung Warentest: GMX FreeMail (GUT), GMX ProMail (GUT) (Heft 9/03 - 23 e-mail-Tarife: 6 gut, 12 befriedigend, 5 ausreichend) Jetzt selbst kostenlos testen: http://www.gmx.net _______________________ http://www.oekonux.de/
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