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Message 00208 [Homepage] [Navigation]
Thread: choxT00208 Message: 1/1 L0 [In date index] [In thread index]
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[chox] Der "Aldi unter den Weltverbesserern" mal wieder (Schwarzfahren statt Attac)



Save the Rails

Die Frankfurter U-Bahn soll an einen US-amerikanischen Investor vermietet
werden. Eine merkwürdige Koalition hat sich zusammenfunden, um das zu
verhindern. 

von Stefan Neurad

Eine Frau läuft als Plakat-Sandwich über die Frankfurter Zeil. Es handelt
sich nicht um Werbung für eine Sekte. »Rettet unsere U-Bahn«, ist auf den
Plakaten zu lesen. Die Frankfurter sollen ein Bürgerbegehren unterschreiben,
welches das geplante Cross-Border-Leasing (CBL) mit dem U-Bahn-Netz der Stadt
verhindern soll. Die Initiatoren der Aktion für eine »CBL-freie Zone Frankfurt«
sind Attac Frankfurt und einige Bündnispartner. Insgesamt werden 40 000
Unterschriften benötigt, um eine Abstimmung zu erzwingen. 

Cross-Border-Leasing heißt, dass ein US-amerikanischer Investor eine
ausländische Infrastruktureinrichtung auf lange Zeit mietet – häufig sind es
99 Jahre – und sie dem Betreiber für einen kürzeren Zeitraum
zurückvermietet (Jungle World, 1/2/03). Erst nach Ablauf der Rückvermietung kann
gekündigt werden; im Fall der Frankfurter U-Bahn nach 28 Jahren. 

Sinn bekommt das absurde Treiben dadurch, dass solche langfristig geleasten
Objekte nach dem Steuerrecht der USA als Eigentum des Investors gelten und
abgeschrieben werden können. Der Investor zahlt einen Teil seiner
Steuerersparnis direkt nach Abschluss der Verträge an den Geschäftspartner aus. Einen so
genannten Barwertvorteil von 100 Millionen Dollar erhofft sich die Stadt
Frankfurt von der U-Bahn-Transaktion. 

Es gibt vielfältige Kritik am Cross-Border-Leasing. Ein Argument lautet,
dass es sich dabei letztlich um Steuertricks ohne jegliche ökonomische Substanz
handelt. Darüber hinaus betonen Stimmen aus allen politischen Lagern die
finanziellen Risiken, die sich aus den Unwägbarkeiten während der langen
Vertragsdauer ergeben. Was geschieht beim Konkurs eines Investors, bei Änderungen in
der deutschen oder amerikanischen Gesetzgebung, der irreparablen Beschädigung
der Anlage oder wenn die Betreiber schlecht wirtschaften? »Wenn es schief
geht, zahlt Frankfurt bis zu 500 Millionen«, heißt es in einer Pressemitteilung
von Attac, in der auch die Verpfändung städtischer Liegenschaften für
mögliche Haftungsfälle kritisiert wird. 

Weitere Einwände sind die Intransparenz des Verfahrens und die Aufgabe
politischer Gestaltungsspielräume durch die Bindung an Verträge mit privaten
Investoren. Die Kommunalparlamente entscheiden auf der Grundlage von
Transaktionsbeschreibungen und kennen die Originalverträge in der Regel nicht. Der
Öffentlichkeit soll beides vorenthalten bleiben, was in diesem Fall nicht gelang, da
Attac die »Geheimverträge enthüllte« (www.rettetdieubahn.de). 

Die eigentlichen Investoren bleiben tatsächlich oft im Verborgenen. Die
US-Treuhandgesellschaften, die eigens zur Abwicklung eines Cross-Border-Leasings
gegründet werden, ziehen Kritik auf sich, weil sie häufig in
»Steuerparadiesen« angesiedelt seien und die Möglichkeit zur Geldwäsche böten. Dies betont
zumindest eine Initiative von Intellektuellen, die das Frankfurter
Bürgerbegehren unterstützt. Mit dabei sind Friedhelm Hengsbach, Elisabeth Abendroth und
Iring Fetscher. 

Oft prägen aber auch antiamerikanische Ressentiments die Debatte. »Wie
können ›seriöse‹ Kommunalpolitiker auf die Idee kommen, ausgerechnet
einem amerikanischen Investor unsere U-Bahn zu vermieten? Da kann man nur
hoffen, dass wir nicht ›Schurkenstaat‹ werden«, echauffiert sich eine
Leserbriefschreiberin in der Frankfurter Rundschau. Manchmal geben Ausdrücke
wie »Old Europe«, »Deal« und ähnliche Formulierungen der Berichterstattung
eine seltsame Note. 
Fragwürdiges findet sich auch auf der globalisierungskritischen Seite
www.privatisierungswahn.de. Einer Autorin gilt Cross-Border-Leasing als Instrument
des »US-Imperialismus«. Denn es diene »im Sinne des amerikanischen
Weltmachtstrebens« dazu, den Aufkauf ausländischer Infrastruktur durch US-Firmen zu
fördern. 

Tatsächlich ist es die Absicht des amerikanischen Gesetzgebers,
Direktinvestitionen im Ausland durch Steuervorteile schmackhaft zu machen. Doch solche
Praktiken sind keine Besonderheit der US-Wirtschaft. In einem anderen Text auf
der gleichen Seite wird festgestellt, dass die Banken, die das
Cross-Border-Leasing auf deutscher Seite abwickeln, »deshalb so scharf auf die Übernahme
dieser Zahlungsströme (sind), weil sie sie als in Deutschland steuerbegünstigte
Auslandsinvestition deklarieren«. 

Einleuchtender ist das Argument der Kritiker solcher Praktiken, dass der
amerikanische Staat Steuern an heimische Privatfirmen, aber auch an die
öffentlichen Haushalte deutscher Kommunen verschenkt. Daher gab es in den USA bereits
einige rechtliche Veränderungen, um rein virtuelle Investitionen zu
unterbinden. Der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) hat sich übrigens
kürzlich gegen Steuerschlupflöcher ausgesprochen, die durch innerdeutsche
Sale-and-lease-back-Verfahren entstehen. Zum Cross-Border-Leasing meinte er
dagegen: »Das müssen die Amerikaner entscheiden, ob sie die Deutschen dauerhaft an
Steuervorteilen teilhaben lassen wollen.« 

Im Frankfurter Bündnis »Rettet die U-Bahn« ist neben Attac, der Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW), Pax Christi, Mieter helfen Mietern und der
PDS auch das Bürgerbündnis für Frankfurt (BFF) vertreten. Das BFF, das 1997
nach einem rassistischen Wahlkampf in den Römer einzog, hat schon einmal
versucht, einen Volksentscheid anzuzetteln, damals gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft. In der aktuellen Diskussion argumentiert der BFF-Stadtverordnete
Wolfgang Hübner, »dass er sich (…) der Zukunft seiner Heimatstadt ungleich
mehr verpflichtet fühlt als den Interessen anonymer Trusts und faktischer
Steuerhinterzieher«. Die Jusos, die das Bündnis ursprünglich mit initiierten,
wollen mit solchen Leuten nicht kooperieren und sammeln jetzt auf eigene Faust
Unterschriften. Medico International forderte als Mitgliedsorganisation von
Attac jüngst den »längst überfälligen Bruch mit dem BFF«. 

Die radikale Linke hat sich bisher in die beachtliche öffentliche Diskussion
nicht eingeschaltet. Dabei böte das Cross-Border-Leasing Anlass zu einer
grundlegenden Kapitalismuskritik, welche ressentimentbeladene Positionen ebenso
klar zurückweist wie technokratische Haushaltsfragen. Eine Schwarzfahr- und
Nulltarif-Kampagne wäre die passende Antwort auf die Debatte um »unsere
U-Bahn«. So könnte der Widerstand gegen Sozialabbau und Privatisierungspolitik mit
radikalen Perspektiven verbunden werden. 

Die Diskussion in Frankfurt wird andauern. Bis in den Herbst hinein können
die fehlenden 7 000 Unterschriften gesammelt werden. 

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