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[chox] Judenhass



URL:
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/feuilleton/?cnt=265553


Schlichter Judenhass

Die linken Gewaltfantasien von Ted Honderich

Von Natan Sznaider



Man soll es sich nicht nehmen lassen, dem Suhrkamp Verlag herzlich zum 40.
Geburtstag seiner edition suhrkamp zu gratulieren. Denn Suhrkamp beweist mal
wieder Mut zum Querdenken. Was es bisher nur auf radikalen Webseiten zu
lesen gibt, spricht ein Buch des Suhrkamp Verlags jetzt aus: Juden in Israel
umzubringen ist ein moralischer Akt, ein moralisches Recht. Die Tötungen
sind unvermeidlich. Im Befreiungskampf der unterdrückten Völker darf man zu
solchen Mitteln greifen und Café- und Restaurantbesucher einfach in die Luft
jagen und in Stücke reißen.

Der Philosoph Ted Honderich gibt in seinem Buch Nach dem Terror - Ein
Traktat, das von Suhrkamp in seine Editionsreihe aufgenommen wurde, die
philosophische Rechtfertigung des Terrors. "Diejenigen, die sich selbst für
die Sache ihres Volkes getötet haben, haben sich in der Tat selbst
gerechtfertigt", so heißt es auf Seite 236. Honderich scheint ein erotisches
Flattern beim Schreiben dieser Sätze zu verspüren und weiß, dass er eine
"schreckliche Wahrheit" ausspricht. "Der angesehene kanadische Philosoph Ted
Honderich", heißt es im Klappentext, "zeigt mit diesem ethisch-politischen
Traktat, was man als angewandte philosophische Ethik bezeichnen könnte."
Aufrufe, Israelis in die Luft zu jagen, werden so als angewandte
philosophische Ethik bezeichnet.

All das kann man als das Gewäsch eines Durchgedrehten betrachten. Aber es
scheint mehr auf dem Spiel zu stehen. Wie in der gestrigen Ausgabe dieser
Zeitung zu lesen war, wurde das Buch von keinem Geringeren als Jürgen
Habermas empfohlen, dem es nun Leid tut, auf Gefühle keine Rücksicht
genommen zu haben. Da macht es sich der angesehene deutsche Philosoph zu
einfach. Deprimiert sei er durch seinen Amerika-Aufenthalt gewesen. Und es
scheint, dass diese Depression ihn dazu veranlasst hat, ein Buch für die
Jubiläumsausgabe der edition suhrkamp zu empfehlen, das offen für den Mord
an Israelis plädiert und sich auch trotz der Habermasischen Drehungen den
Vorwurf des Antisemitismus nicht ersparen kann.

Ein bisschen habe er aufgeatmet, als das Manuskript des Kollegen eine andere
Sicht zur Geltung brachte. Alle Achtung. Bei Habermas ist die Rechtfertigung
des Terrors gegen Juden nicht mehr als das "Gerechtigkeitspathos eines alten
Sozialdemokraten". Lieber Herr Habermas, das hat nichts mehr mit gewachsenen
Empfindlichkeiten zu tun. Ihre zwar distanzierte, aber vorhandene
Solidarität mit dem Kollegen macht Sie in den Augen nicht nur vieler
jüdischer Menschen suspekt.

Denn ein kurzer Blick auf die Homepage des "angesehenen" Philosophen
(http://www.ucl.ac.uk/~uctytho) zeigt sehr schnell, welch Geistes Kind er
ist. Dort wird dem Begriff der Selbstinszenierung eine ganz neue Bedeutung
gegeben. Größenwahn ist wahrscheinlich einer der bescheidensten Begriffe,
mit denen man diese Website bewundern müsste.

Gewiss, dafür gibt es das Internet, alles darf gesagt werden. Dort findet
man auch das Papier "Terrorism for Humanity", eine Art philosophischer
Leitfaden, warum Palästinenser weitermachen müssen, sich und ihre Feinde in
die Luft zu jagen. Vielleicht sollte man Honderich davon unterrichten, dass
sogar die Palästinenser nicht mehr daran glauben wollen. Auch haben die
großen Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights
Watch Terrorangriffe auf Zivilisten als "Verbrechen gegen die Menschheit"
bezeichnet.

Dem Philosophen kann das egal sein. Er findet, dass Pizza essende Mütter und
ihre Kinder moralisch gerechtfertigte Opfer im anti-imperialistischen
Befreiungskampf sind. Natürlich darf man solchen Unsinn verbreiten. Im
Internet geht ja bekanntlich alles. Dort tummelt sich Seriöses neben den
tiefen Gedanken eines jeden Wahnsinnigen. Deshalb begrüßen wir das Netz als
demokratischen Tummelplatz jeder Idee. Dem Nutzer muss man dann zutrauen,
sich Gedanken zu machen. Sollte einer der renommiertesten Verlage nun zum
Tummelplatz aller Judenmordfantasien werden? Nur zu. Zensieren will man ja
nicht. Terror für die Menschlichkeit ist da nur die neueste Variante des
philosophischen Hasses auf Juden und natürlich auch auf Amerika.

Und natürlich hängen die Dinge zusammen. Terror für die Menschlichkeit, nur
zu! Denn auch die Opfer des 11. Septembers sind selbst Schuld an ihrem
Unglück. Ihre Schuld liegt in den Augen des neuen Suhrkamp-Philosophen nur
in der Tatsache, dass sie ein besseres Leben lebten und dass sie dieses
Leben nicht verdienten und es auch noch dazu auf Kosten der Unterdrückten
lebten.

Das Morden des 11. Septembers war moralisch gerechtfertigt, weil die
Kindersterblichkeit in Malawi zu hoch ist. Angewandte philosophische Ethik
nennt man das. Dass dieser Philosoph dann auch noch lügt (wie in der
Behauptung, dass zwischen 1989 bis 1991 250 000 bis 400 000 sowjetische
Juden auf arabischem Gebiet angesiedelt wurden), ist wohl keinem Lektor
aufgefallen. Oder man glaubt, dass Israel eben ohne wahre Legitimation auf
arabischen Boden existiert. Auch das wird salonfähig. Kein Wunder, dass man
hier der Menschlichkeit wegen terrorisieren muss.


Sogar die englische Zweigstelle der Hilfsorganisation Oxfam International
(Oxforder Komitee zur Linderung von Hungersnot) wollte mit Honderich nichts
zu tun haben. Er wollte ihnen 5000 Pfund aus den Einnahmen seines Buches
überweisen, aber Oxfam wollte mit diesem Blutgeld nichts zu tun haben. Ein
moralisch getragener Ruf zum Terrorismus und Mord war auch dieser
Organisation zu viel. Natürlich sah Honderich diese Ablehnung durch
"zionistische Drohungen" verursacht. Die Interviews mit ihm, die auf seiner
Website zu finden sind, haben den Geschmack eines paranoiden Fanatikers, der
überall Zionisten und Juden am Werk sieht, die ihn zum Stolpern bringen
wollen. Norman Finkelstein, der Autor des umstrittenen Buches über die
"Holocaust-Industrie", lässt grüßen. Und wie bei Finkelstein kann man sich
schon auf die Lesereisen Honderichs freuen, und dass da endlich mal jemand
sagt, was man auch schon denkt und dass es doch klar ist, wer Schuld an
wessen Unglück ist.
Und wie Finkelstein wird sich auch Honderich darauf einstellen müssen, dass
er zum Liebling der antisemitischen Szene werden wird. Und das heißt heute,
viele Bücher zu verkaufen. Aber Vorsicht: Oxfam nimmt keine Spenden aus
dieser Ecke an. Mit der deutschen Veröffentlichung wird dieser fanatische
Anti-Israelismus und Anti-Amerikanismus nun in den Mainstream
hineingebracht.

Selbstmordattentate in Autobussen, in der Universitätsmensa, in vollen Cafés
und Restaurants, Hunderte von Toten und Tausende von Verletzten, und das
alles im Namen einer angewandten philosophischen Ethik. Sogar die Hamas
würde da laut lachen. Denn sie wissen genau, was sie dazu antreibt. Nicht
die schlechte Lebensqualität, wie Honderich so philosophisch traktiert, kein
marxistischer Determinismus, der Menschen zu Verzweiflungsaktionen antreibt
(so die ersten Kapitel des Honderich-Traktats), sondern schlichter
Judenhass. Und das ist es auch, was hinter diesem Buch steht. Das
Wahnwitzigste hinter dem Honderich-Argument ist, dass der palästinensische
Terror durch Erfolg gerechtfertigt wird.

Welchen Erfolg er meint, ist völlig unklar. Für ihn war der 11. September
kein Erfolg. Er "versteht" die Attacken, will sie aber dann doch nicht mehr
moralisch rechtfertigen. Aber Terror im Nahen Osten ist etwas anderes.
Darüber freut er sich. Für Honderich sind die Terroropfer nichts anderes als
Dünger für seine krankhafte Gewaltfantasie. Es ist schon ein merkwürdiger
Ausdruck linker Kultur, dass alles erlaubt ist, wenn nur die Absichten gut
gemeint sind. Und wenn es sich um tote Juden handelt, können viele ihre
klammheimliche Freude wohl schlecht unterdrücken. Aber es sind wirkliche
Menschen, die hier in die Luft gesprengt werden. In den Gewaltfantasien vom
Schlage Honderich verwandeln sich Bandenführer bei Kerzenlicht zu an Che
Guevara erinnernde Kultfiguren. Für das bildungsbürgerliche Lesepublikum von
Suhrkamp ist das alles vielleicht hoch spannend. Was spielt überhaupt noch
eine Rolle, wenn die globale Schickeria sich im Sessel zurücklehnt und sich
durch den Nahostkonflikt unterhalten lässt? Opfer müssen her und Täter, und
bitte das Ganze ohne störende Zwischentöne, im globalen Kampf um die Tränen
der Zuschauer.

Aber dort, im Nahen Osten, leben richtige Menschen. Menschen, die von einer
der stärksten Militärmächte sehr schlecht behandelt und unterdrückt werden,
und Menschen, die sich nicht mehr auf die Straße trauen und deren Kinder in
den Schulen lernen, sich gegen die drohenden Terroranschläge zu schützen.
Und Menschen auf beiden Seiten, die alles menschenmögliche tun, um eine
friedliche Lösung zu finden. Das Letzte, was diese Menschen brauchen, sind
solche philosophischen Traktate. Dass Suhrkamp dieses Buch veröffentlichte,
dass es von Jürgen Habermas für die Jubiläumsreihe empfohlen wurde, bleibt
ein Schandfleck des Verlages. Ein Rückruf des Buches, wie an dieser Stelle
von Micha Brumlik zu Recht gefordert wurde, wird daran nichts ändern.

Natan Sznaider lehrt Soziologie am Academic College of Tel-Aviv-Yafo,
Israel. Er hat bei Suhrkamp "Die Erinnerung im Globalen Zeitalter: Der
Holocaust" veröffentlicht.

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