Die hier archivierte Mail kann, muss sich aber nicht auf den Themenkomplex von Oekonux beziehen.
Insbesondere kann nicht geschlossen werden, dass die hier geäußerten Inhalte etwas mit dem Projekt Oekonux oder irgendeiner TeilnehmerIn zu tun haben.
Message 00061 | [Homepage] | [Navigation] | |
---|---|---|---|
Thread: choxT00061 Message: 1/1 L0 | [In date index] | [In thread index] | |
[First in Thread] | [Last in Thread] | [Date Next] | [Date Prev] |
[Next in Thread] | [Prev in Thread] | [Next Thread] | [Prev Thread] |
Stupid white GerMen NACH DER KRITIK IST VOR DER KRITIK Die Kritik an den USA ist ja bekanntermaßen eine Sache, die alle Deutschen in ein Boot bringt, mit Ausnahme derer, die sich maßgeblich daran formieren, genau eine solche Kritik zu diffamieren. Die Bestsellerqualitäten des Anti-US-Amerikanismus stellte jüngst die Kinodokumentation »Bowling for Columbine« unter Beweis, in der der US-amerikanische Filmemacher Michael Moore seine Landsleute mit kulturkritischem Blick aufs Korn nimmt. Moore ist mit seinem Film über amerikanische Waffenliebe zum knuddeligen Liebling der deutschen Kultur-Intelligenzia avanciert - und das, nachdem keiner seiner vorhergehenden Filme auch nur in Deutschland gezeigt wurde. Moore darf man das nicht vorwerfen: er ist sozusagen der Ebermann und Trampert der USA und macht seinen Job gut. Er ist durch und durch Dissident, ein Staatsverräter allererster Güte. Mit Schlabber-T-Shirt und Trottelblick taucht er bei den Repräsentanten der öffentlichen Meinung auf und führt durch konsequentes blödes Fragen die Double Binds vor, die aus der Demokratie eine so gewaltförmige Angelegenheit machen: Selbstverteidigung und Rassismus, Meinungsfreiheit und Ressentiment gestehen vor seiner Kamera ihre innige, nahezu identischmachende Verbindung. Ein bisschen zu sehr basisdemokratelt Moore zuweilen, ein bisschen zu oft deutet sich an, dass es ja eigentlich nur die Medien sind, die Schuld sind an der US-amerikanischen »Angstkultur«. Aber diese Flachheiten verschmerzen sich leicht bei einer so trefflichen Satire. Viele Deutsche sagen, dass »Bowling« ein guter Film sei - sehr viel mehr Deutsche, als man z.B. zu den Lesern von Moores deutschen Kollegen Ebermann/Trampert rechnen kann. Man muss nicht lange Rätselraten, wie es dazu kommt, insbesondere, wenn man den Kommentaren des Publikums nach dem Filmbesuch lauscht: Hier stellt einer fest, dass man den Unverschämtheit der Amerikaner ja jüngst daran erkennen könnte, dass sie jetzt die Überflugsrechte über Deutschland verlangten. Eine andere lässt verlautbaren, dass es nach diesem Film schon beunruhigend sei zu sehen, wie viele McDonalds es in Berlin gibt - wegen der amerikanischen Gewaltkultur und so. Nach der Kritik ist vor der Kritik: Moore sagt den Deutschen allzu viel von dem, was sie ohnehin schon immer zu wissen meinten - bis hin zur Feststellung, dass es ja die Amerikaner selbst waren, die Bin Laden ausgebildet haben. Für viele ist es von dieser recht gesicherten Feststellung nur ein kleiner Sprung zu der Überzeugung, der CIA hätte die Anschläge des 11. September geplant, und plötzlich meinen sie zu wissen, dass die Juden an jenem Tag nicht im WTC zur Arbeit erschienen ... Ist »Bowling« also gar ein antisemitischer Film? Schwer vorstellbar, wenn man in Betracht zieht, wie sehr es in ihm gerade den US-amerikanischen Verschwörungstheoretikern, bedeutenden Protagonisten des Antisemitismus, ans Leder geht. Und trotzdem vermag der Film es nicht, sich unter einem kritischen antinationalen Blick zu rehabilitieren: Zu aufdringlich ist das Bild davon, wie deutsche Antiamerikaner jeder Coleur ihn als Wichsvorlage verwenden. Richtig ist richtig negativ Wenn nicht jeder Film das Publikum kriegt, dass er verdient, kriegt schon gar nicht jeder Krieg die Linke, die nötig ist, um ihn richtig zu kritisieren. Das Attribut »richtig« hat dabei nichts mit Tatsachentreue oder Hintergrundwissen und auch nur sehr wenig mit Moral zu tun. Wer die US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkte im Nahen Osten abzählt, um eine imperialistische Interessengemeinschaft zwischen Israel und den USA zu unterstellen, geht vielleicht tatsachengemäß vor, trotzdem ist seine Kritik nicht richtig. Wer moralisch konstatiert, dass Krieg immer schlecht sei und nichts als Leid hervorruft, hat damit sicher nicht Unrecht. Seine Kritik ist aber »unrichtig«, weil sie nicht dazu beiträgt, die Verhältnisse, die Krieg hervorbringen zu untersuchen, vielmehr dazu, sie zu verschleiern. Noch dazu macht dieser Kritiker sich der Gleichmacherei Schuld, indem er »den Krieg« von all den gesellschaftlichen Verhältnissen zu trennen sucht, die untrennbar eng mit ihm verwoben sind und ihn nicht nur verursachen, sondern auch seine ambivalenten Potentiale hervorbringen, die sich keinesfalls im Unwort der »Gewaltspirale« erschöpfend beschreiben lassen. Die Richtigkeit von Kritik bestimmt sich vielmehr negativ: Sie darf weder die bestehenden Verhältnisse affirmieren noch Ressentiments. Emanzipatorische Kritik beruft sich nicht auf die Utopie, um ihr dann die schlechte Wirklichkeit gegenüberzustellen. Ihre Verbindung zur Utopie ist konsequenter: Sie begreift sie tatsächlich als Utopie, als Nicht-Ort (Nicht-Zeit), die durch keine noch so große Gedankenanstrengung im Geiste erschaffen werden kann. Die Utopie ist die immer mitgedachte und niemals konkrete Folge der Handlungsweise der Kritik. Diesen Status teilt sie mit der Wahrheit. Auch in Bezug auf diese hat die Kritik zwei Optionen: Die eine ist, dass sie gnadenlos versucht, die wirklichen Verhältnisse offen zu legen; sie outet die Ölinteressen der USA, stellt fest, dass Juden auch keine besseren Menschen sind, legt offen, wie viel der CIA wirklich gewusst hat. Kritik, die diese Option gewählt hat, interessiert sich maßgeblich für Interessen und fällt oft in eins mit der rein moralischen Kritik, indem sie jede interessengeleitete Politik als schlecht, und jede Politik, die allein auf Idealen und »Grundbedürfnissen « basiert als gut auffasst. Über den Wahrheitsgehalt solcher Kritik lässt sich endlos streiten, begibt man sich erst mal auf die gleiche Ebene. Schnell werden dann in sinnlosen Rechenexempeln Terroropfer gegen Kriegsopfer aufgerechnet. Die zweite Option der Kritik ist es, die Wahrheit der Ereignisse als einen Fluchtpunkt zu begreifen, dem man verpflichtet ist, gerade, weil er nicht endgültig zu erschließen ist; gerade weil die Kritik sich selbst in dem Kontinuum bewegt, dass von dieser Wahrheit geprägt wird und an ihrer Prägung mitarbeitet. Solche Kritik ist diskurskritisch, in dem Sinne, dass sie anerkennt, dass Wahrheit maßgeblich durch die Praxen des Erzählens zustande kommt. Diese Praxen lassen es nicht zu, dass man »Ideologie« einfach von ihnen abzieht wie in einer Rechenaufgabe - Sie lassen es zum Beispiel nicht zu, »objektiv« festzustellen, dass Israel eine Besatzungspolitik betreibe, ohne dass sich dadurch eine Nähe zum Antisemitismus herstellt, die doch durch die »objektive« Aussage eigentlich nicht gegeben oder gemeint ist. Sie lassen es auch nicht zu, dass man in Deutschland die USA als imperialistische Nahezu-Weltherrscher darstellt, ohne dass dabei einem Antiamerikanismus Vorschub geleistet wird, der die erdverwachsene deutsche Nation schon immer in hohen Ehren gehalten hat. Solche Kritik will dieser Artikel, wie unschwer zu erkennen sein dürfte, privilegieren. Was ist und was wahr Nun unterhalten aber gerade weite Teile der antinationalen Linken ein inniges Verhältnis zur Wahrheit - dabei geht es weniger um »wirkliche« Ereignisse, sondern um eine Wahrheit der (westlichen und vermeintlich zivilisatorischen) Werte. Diese Werte können Wahrheit nur durch ihre universelle Gültigkeit erlangen, und diese Gültigkeit verlangt nach Durchsetzung. Die bürgerliche Gesellschaft muss etabliert werden, erklärt der Bahamas-Histomat, damit der Kommunismus seine historische Chance überhaupt erhalten kann. Die Wahrheit muss sich auf die Wirklichkeit spiegeln lassen, beide müssen einander äußerlich sein, um zum gegenseitigen Maßstab zu werden und einander innerlich werden, um das Versprechen der Wahrheit einzulösen. Das Innerlich-werden geschieht für die Bahamas durch die Durchsetzung der Idee mit militärischer Gewalt, bei den Friedensbewegten dagegen in dessen absoluter Verhinderung. Beide Perspektiven lassen außer acht, dass sowohl Staatssysteme als auch kriegerische Gewalt keine Erscheinungen sind, die einfach aus dem Rest der Wirklichkeit herausgelöst und durch etwas anderes ersetzt werden können. Geschichtsphilosophie ist kein Legobausatz. Kriege entfalten je nach Zeit und Ort, an dem sie praktiziert und rezipiert werden, ganz unterschiedliche Wirkungen. Eine Wirkung des US-Kriegs gegen den Irak ist in der BRD zweifellos die Stärkung eines unerträglich völkischen, antiamerikanischen Ressentiments, dass seine Exerzierer auf den Friedensdemos findet. Allein das wäre ein Grund, ihn abzulehnen, würde nicht genau diese Ablehnung das Ressentiment noch nähren. Eine Demokratisierung im Irak ist zwar eine andere, entfernt denkbare Option, jedoch keinesfalls eine, die sich im vorhinein als kommende historische Wahrheit feststellen ließe. Wie man es also dreht und wendet, der Versuch, »die Wahrheit« über den Irakkrieg zu sagen, führt zwangsläufig in überwunden geglaubten Welterklärerwahn. Für eine Kritik des Unerträglichen Emanzipatorische Kritik hat eben nicht die Aufgabe, Gottes Berater für die weitere Gestaltung der Geschichte zu spielen. Vielmehr muss sie feststellen, wo genau diese Geschichte unerträgliche Verhältnisse produziert - und wo das Potential liegt, gegen die Verhältnisse anzustinken. Immer und überall das Unerträgliche zu thematisieren ist die Aufgabe der Linken. Das Unerträgliche ist konkret ebenso sehr der urdeutsche Antiamerikanismus wie die US-Regierung wie das Baath-Regime. Freilich dominieren je nach Aufenthaltsort des Kritikers jedoch gewisse Unerträglichkeiten. Wie schon erwähnt baut die Kritik selbst sich in die Wahrheit ein, mit der sie sich auseinander setzt: So ist es möglich, dass »Bowling« in den USA in erster Linie ein antirassistischer und staatsfeindlicher Film ist - in Deutschland hingegen bekräftigt er den Nationalmythos einer friedliebenden, traditionsbewussten kulturellen Gemeinschaft, die sich erfolgreich vom hektischen, neoliberalen und global gewalttätigen amerikanischen Imperialismus abgrenzt. Ein objektives Urteil über den Film anhand seines Wahrheitsgehalts ist also nicht möglich. Ganz ähnliches gilt für die Friedensbewegung: Während die US-amerikanische Friedensbewegung in Amerika noch durchaus als Träger dissidenter und kritischer Potentiale gesehen werden kann, steckt die deutsche tief im Sumpf des Ressentiments und wird sich aus eigener Kraft kaum aus ihm befreien können. Will man die deutsche Friedensbewegung kritisieren, dann muss man ihr nicht etwa nachweisen, dass ihre Sache an sich falsch sei - etwa, indem man die absurde Behauptung aufstellt, ein Krieg sei die einzige Möglichkeit, eine bürgerliche Ordnung im Irak einzurichten, der dann eines fernen Tages der Kommunismus folgen werden - es geht vielmehr darum, dass ihre Sache für sich falsch ist, also in der Praxis, die sich Kritik nennt. Die deutsche Friedensbewegung ist nicht unerträglich, weil sie lügt, sondern weil sie sich nicht um die Wahrheiten schert, die sie sät. Als linkes Gegenmittel bleibt eigentlich nur die freiwillige Selbstkontrolle - also die ständige Reflexion über die Frage, warum insbesondere in Deutschland bestimmte Themen auf der Tagesordnung stehen (bei denen es sich meistens um die Sache eines bestimmten Volkes handelt). In die entstehenden Diskurse zu intervenieren und immer wieder die Ressentiments, die in ihnen reproduziert werden, als solche zu brandmarken, ist Aufgabe linker Kritik, die immer auch Selbstkritik ist. Diese Selbstkritik darf sich jedoch nicht allein, wie weiland Stalin es vorschlug und wie es jetzt die Bahamas gerne treibt, an der vermeintlich so abstrakten Theorie messen. Sie muss sich bewusst sein, zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort stattzufinden, und dass diese Zeiten und Orte mit Ressentiments und völkischen Mythen aufgeladen sind, die sich von allem nähren, was ihnen auch nur ansatzweise mundgerecht daherkommt. Also Kinoverbot für »Bowling« in Deutschland? Diese Konsequenz wäre allein schon deshalb falsch, weil die deutschen Antiamerikaner bei einem Erfolg dieser Forderung ganz genau wüssten, welcher »Lobby« sie diesen Angriff auf die Meinungsfreiheit anlasten könnten. Ähnliches gilt für die deutsche Friedensbewegung. Phase 2, Berlin -- +++ GMX - Mail, Messaging & more http://www.gmx.net +++ NEU: Mit GMX ins Internet. Rund um die Uhr für 1 ct/ Min. surfen! _______________________ http://www.oekonux.de/
[English translation] | |||
Thread: choxT00061 Message: 1/1 L0 | [In date index] | [In thread index] | |
---|---|---|---|
Message 00061 | [Homepage] | [Navigation] |