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Hallo Christian und Hans-Gert,

ist hier der folgende Aufsatz über "Universal Desktop Fabrication"
eigentlich schon diskutiert worden? Ich fürchte ich verliere da
möglicherweise den Überblick, stelle aber - auf die Gefahr mich zu
wiederholen - das Abstract hier rein: 

Titel: Universal Desktop Fabrication

Abstract. Advances in digital design and fabrication technologies are
leading
toward single fabrication systems capable of producing almost any
complete
functional object. We are proposing a new paradigm for manufacturing,
which
we call Universal Desktop Fabrication (UDF), and a framework for its
development.
UDF will be a coherent system of volumetric digital design software
able to handle infinite complexity at any spatial resolution and
compact, automated,
multi-material digital fabrication hardware. This system aims to be
inexpensive,
simple, safe and intuitive to operate, open to user modification and
experimentation, and capable of rapidly manufacturing almost any
arbitrary,
complete, high-quality, functional object. Through the broad
accessibility and
generality of digital technology, UDF will enable vastly more
individuals to become
innovators of technology, and will catalyze a shift from specialized
mass
production and global transportation of products to personal
customization and
point-of-use manufacturing. Likewise, the inherent accuracy and speed
of digital
computation will allow processes that significantly surpass the
practical
complexity of the current design and manufacturing systems. This
transformation
of manufacturing will allow for entirely new classes of human-made,
peerproduced,
micro-engineered objects, resulting in more dynamic and natural
interactions
with the world. We describe and illustrate our current results in UDF
hardware and software, and describe future development directions.

Autoren sind die folgenden:

T. Vilbrandt1, E. Malone2, H. Lipson2, and A. Pasko3
1 Digital Materialization Group, Japan, and MIT-FabLab, Norway
turlif turlif.org
2 Cornell University, USA
{em224, Hod.Lipson} cornell.edu
3 Bournemouth University, United Kingdom
apasko bournemouth.ac.uk 

http://ccsl.mae.cornell.edu/papers/HOMA08_Vilbrandt.pdf

Hod Lipson von der Cornell University ist ja auf diesem Gebiet kein
Unbekannter, wie Gershenfeld vom MIT oder Adrian Bowyer von der Baath
University. 

Es wird in der Zusammenfassung also explizit auf Peer-Produktion Bezug
genommen.

Ich würde in dem Zusammenhang gerne folgenden Gedanken hervorheben: es
handelt sich bei der Fabbing-Technologie, oder dem Fabber oder
Fabricator, oder - wie hier als Konzept vorgestellt - bei der
Universal Desktop Fabrication nicht um eine Erfindung oder Innovation,
die neben anderen wie etwa Handy oder Flachbildfernseher oder
vielleicht irgendwelchen Assistenzsystemen von Autos nun auf dem Markt
der Möglichkeiten auftaucht, und wo man dann schaut, was denn damit
anzufangen sein könnte. Es ist nicht ein Apparat oder eine
Wundermaschine, die ihre Existenz dem Erfindungsgeist einiger
verbissener Tüftler und Bastler zu verdanken hat, sondern: so etwas
wie oben beschrieben, also universal verwendbare vollmaschinelle
Produktion in kleinen und billigen Produktionsmaschinen ist sozusagen
die notwendige und folgerichtige evolutionäre Fortschreibung der
industriellen Güterproduktion, das Resultat einer historischen
technisch-ökonomischen Evolution, von der z B bei Marx nur die Facette
der Maschinisierung als Kapitalbildung, aber nicht die der
Flexibilisierung, Universalisierung und Miniaturisierung in den
systematischen Blick geraten ist. Aber erst diese technische
Ausgestaltung der evolutionären Tendenz zur Maschinisierung, die auch
gleichzeitig eine historische Tendenz zur Entlastung des Menschen aus
erniedrigender körperlicher und geistiger Fronarbeit ist (oder
jedenfalls dies sein kann), erlaubt die Umgestaltung der sozialen und
ökonomisch-organisatorischen Verhältnisse in einem wirklich
emanzipatorischen und kulturschöpfenden und -erweiternden Sinn.  

Anknüpfend an Eure Diskussion möchte ich ferner folgendes anregen: es
ist vielleicht heuristisch lohnend zu unterscheiden zwischen der
gedanklichen Entwicklung eines ökonomischen Modells, das die Existenz
einer entwickelten Produktionstechnik wie oben beschrieben
voraussetzt, und der Frage, wie ganz praktisch die Entwicklung
ausgehend vom hier und jetzt ihren Weg nehmen könnte und wie sie
möglicherweise befördert und vorangetrieben werden könnte, um eben die
gewünschte Richtung auch nicht zu verfehlen.

Zu ersterer Frage: wie so eine Ökonomie aussehen könnte ist ja auch
davon abhängig welches Niveau von technischer Entwicklung man denn
voraussetzen kann bzw will: es ist von "almost any complete functional
object" die Rede, von inexpensive, simple, and intuitive to operate:
also wie inexpensive denn tatsächlich, in Euros oder Chinesischen
Dollars, wie simple zu bedienen, wo sind die Grenzen von "almost any
complete functional object"? Ich würde an der Stelle vorschlagen sich
einmal in explizit spekulativer Einstellung zu fragen, wie eine
ökonomische Ordnung beschaffen sein müsste, in der der sekundäre
Sektor, also die materielle Produktion komplett und vollständig von
derlei universalen und komplett kostenlosen Fabrikationsmaschinen
erledigt werden könnte, und in der es dann "nur" noch um die Dinge
bzw. Güter und Dienstleistungen oder einfach Leistungen geht, die von
Maschinen eben niemals und unter keinen Umständen geleistet werden
können. Ich würde denken dass diese Fragestellung ökonomietheoretisch
durchaus herausfordernd ist, da die bisher gut erforschten und
eingeführten Prinzipien wie Wachstum, Nachfrage, Vollbeschäftigung und
Koordination über Märkte und Preise das Problem der Ordnungsbildung
dann offenbar nicht befriedigend lösen können.

Eine andere Frage ist eben die nach den ökonomischen Prinzipien unter
der Annahme, dass diese Technik zwar prinzipiell vorhanden, aber
weiter vorangetrieben und entwickelt werden muss, dann - damit
zusammenhängend - die, wie der "Kapitalismus" sich denn nun
weiterentwickeln wird, wie neue Technik und neue Ökonomie im Schosse
des Alten gewissermassen wachsen und gedeihen und nebeneinander her
sich entwickeln, und in diesem Sinne halte ich ja die Ansätze die hier
diskutiert werden für sehr erfolgversprechend und lohnend, wie ich
schon mehrfach deutlich gemacht habe.                   

Hierzu:            

"Das ist im Kern die alte Frage, ob die vorhandenen, im und für den
Kapitalismus
entwickelten Produktionsmittel einfach übernommen werden können
(gekauft
oder in der revolutionären Variante angeeignet) oder ob eine neue
Produktionsweise nicht auch neue Produktionsmittel braucht --
Produktionsmittel, die selbst Ergebnis dieser Produktionsweise sind.
Meine
These wäre eher letzteres."

Die neuen Produktionsmittel entstehen offenbar ganz unabhängig von der
Produktionsweise - zum Teil innerhalb ganz urkapitalistischer
Strukturen, zum Teil innerhalb von Universitäten, und zum Teil in
Communities und tatsächlich peer-production. Wenn sie aber denn da
sind, ist die Frage innerhalb welcher ökonomischen Ordnung diese
sinnvollerweise zu nutzen sind, und da sind eben peer-prinzipien schon
auf den ersten Blick wesentlich sinnvoller als Markt und Kapitalismus.
Das Neue wird offenbar - schön langsam - aus dem Alten wachsen!

Viele Grüsse allerseits,
Ludger  


________________________________
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Kontakt: projekt oekonux.de



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