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Re: [ox-de] Managing diversity



Hi Stefan,

On 2007-01-03 18:54, Stefan Merten wrote:
Der Spruch "Selbstentfaltung als Voraussetzung für
die Entfaltung aller und umgekehrt" muss gezielt in reale
Projektstrukturen und Formen der persönlichen Kommunikation
umgesetzt werden. Zu glauben, so was entstehe von alleine, ist
naiv: Dann setzen sich wohl die üblichen, eingeschliffenen
Verhaltensweisen des "auf-Kosten-Anderer" durch.

Ich glaube, dass die Kommunikationsformen, die du hier ansprichst,
nur eine Folge von etwas anderem sind, das ich am ehesten mit
persönlichen Haltungen bezeichnen würde.

Da sehe ich keinen Unterschied, eine "persönliche Haltung" würde ich 
als "übliche, eingeschliffene Verhaltensweise" bezeichnen. Das ist eine 
Verhaltensweise, über die ich nicht permanent tiefergehend reflektiere, 
sondern "wie gewohnt" einfach reagiere. Mir ist daran nur wichtig, dass 
eben das kein "persönlicher Defekt", sondern ein unter bestimmten 
Bedingungen subjektiv funktionales Verhalten ist. Vermutlich meinst du 
das auch, denn du beschreibst ja sehr anschaulich die Bedeutung der 
Infrastrukturen:

In meiner libertären Zeit ist mir mal irgendwann aufgefallen, dass es
in einem konsensorientierten Prozess sehr störend ist, wenn je ich je
meine Sichtweisen auf Biegen und Brechen durchsetzen will. Leider ist
das in der Tat wohl eine Haltung, die tief in uns drin steckt, und
die in einer demokratischen Kultur auch absolut sinnvoll ist: Da kann
mir der Gesamtprozess nämlich schnuppe sein - es reicht wenn ich
50%+1 erreicht habe. Ansonsten werde ich untergebuttert.

Genau, das "tief in uns" steckende ist kein "Defekt", im Gegenteil, es 
ist subjektiv funktional.

Sind Menschen dagegen genötigt, sich auf eine Kooperation wirklich
einzulassen, ist es möglich, nur noch bei wirklich wichtigen Punkten
ein Veto einzulegen und darauf zu vertrauen, dass das dann auch Gehör
findet und die gesamte kooperierende Gruppe eine für alle tragfähige
Lösung zu finden versucht.

Für so etwas ist aber wohl viel Vertrauen notwendig - sowohl in die
Menschen, als auch in die Struktur. In die Menschen deswegen, dass
sie auch tatsächlich nur bei wirklich wichtigen Punkten mit einem
Veto reagieren. Vetoen sie wegen Nichtigkeiten, dann funktioniert das
ganze System nicht mehr. In die Struktur - die letztlich von allen
mit Leben gefüllt wird - deswegen, damit eben auch mein wichtiges
Veto Gehör findet.

Ich denke, dass es funktioniert, wenn es gelingt, einen sich gegenseitig 
verstärkenden Prozess zu erreichen, also eine andere Art subjektiver 
Funktionalität: Die Bedingungen sind so, dass ich nur mit Kooperation 
weiterkomme - ich werde dazu "genötigt" wie du es formulierst - und 
jede erfolgreiche Kooperation erhöht das Vertrauen sowohl in Prozess 
wie in die beteiligten Personen. Ist der Prozess breit genug, ist er 
auch gegen Störungen robust bzw. kann Störungen als Irritationen 
produktiv in Entwicklung umsetzen - was ja eine nicht zu 
vernachlässigende Funktion von Irritation sein kann, jenseits von einem 
Veto.

Das hört sich jetzt wahrscheinlich alles ziemlich sozialromantisch
an, aber ich habe das erlebt und es hat sich doch über eine ziemlich
beträchtliche Zeit hinweg echt Klasse angefühlt. Gut, damals wollten
wir uns halt auch auf einen solchen Prozess einlassen - sicher eine
wichtige Voraussetzung für sein Gelingen.

Solche Prozesse, die in einer "feindlichen" Umgebung stattfinden und die 
deswegen ein explizites Einlassen voraussetzen, sind immer vom 
Scheitern bedroht. Das haben wir nicht zuletzt auch in dieser Liste 
erlebt.

Wenn wir uns aber mal fantasieweise vorstellen, dass es sich nicht um 
bloße "Inseln" handelt, sondern um eine allgemeine Struktur, nämlich 
eine Struktur, in der Selbstentfaltung und Kooperation Voraussetzung 
zum Weiterkommen sind, dann können wir erahnen, welche unglaublichen 
Ressourcen darin verborgen sind. Was wir in der Freien Software erleben 
und beobachten ist dagegen nur ein schwaches Aufglimmen der Potenzen - 
und das ist schon viel.

Ciao,
Stefan

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