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Re: [ox] Re: Was ist Kompetenz?



Hallo Thomas,

bitte entschuldige, daß ich nicht alle Wenn und Aber in meinem
Statement berücksichtigt habe. Für jemanden, der sich intensiv
mit diesen Fragen - auch aus familiärer Erfahrung - auseinander
gesetzt hat, war mein Statement natürlich zu sehr a la Schlag-
wort

Da ich jedoch offenbar von unterschiedlichen Wissensständen
in diesen Fragen ausgehen muß - sonst würde kaum von "tyran-
nischen Säugling(en)" gesprochen werden - , wollte ich plakativ
zum Nachdenken anregen. Es ist klar, daß dies kein Allheilmittel
und mit der Wahrnehmung des konkreten Verlangen des Klein- 
kindes im einzelnen Fall in Beziehung zu setzen ist.

Aber habe ich nicht in früheren Mails deutlich gemacht, daß
ich für Unvoreingenommenheit gegenüber kindlichen Bedürf-
nissen und Aufgabe des Anspruches, Kindern um jeden Preis
- außer mittels Vorbildfunktion - etwas beizubringen, eintrete?

Am Sonntag, 25. Juni 2006 06:54 schrieb Thomas Kalka:
Kinder sind sich in dieser Kultur vor allem selbst überlassen, und
anderen Kindern.
In unserer vereinzelten und vereinzelnden Knastkultur ist das nicht
leicht zu adaptieren ....

Eben - ein Recht auf eigene Erfahrungen: Dies ist kein Nach-
plappern von J. Liedloff, sondern deckt sich mit persönlichen
Erfahrungen:

Bei den Sioux ist es nicht üblich, Kindern, die z.B. planen, an den
Fluß angeln zu gehen, mitzuteilen, in welchem Zustand der Fluß
ist, ob er z.B. Hochwasser führt. Man meint, daß die Kinder schon
selbst erfahren werden, ob angeln möglich ist oder nicht. So
lernen sie aus eigener Erfahrung, wie mit Hochwasser, un-
überwindlichen Hindernissen und Gefahren umzugehen ist.

Ich habe Leute getroffen, die heute ihren indianischen Eltern
dankbar sind, in dieser Weise "vernachlässigt" worden zu sein,
um aus eigener Erfahrung lernen zu können, die froh sind, sich
früher in einem weiten Kreis von Freunden und Verwandten - 
beide werden mit dem selben, für Verwandte verwendeten Be-
griff bezeichnet - ihre Bezugspersonen selbst gewählt zu haben.
Gerade in Deutschland gibt es eine kleine, aber aktive indiani-
sche Community.

Ich selbst habe dieses Lernen aus eigener Erfahrung nur bei
geduldeten Ausflügen aus der Obhut meiner dänischen Groß-
eltern erfahren, etwa, als ich mit 6 Jahren das Angebot des am
Ort gerade eröffneten Sexshop erkundet habe, um festzustellen,
daß das "alles Liebe" sei, mit der ich damals jedoch kaum etwas 
anfangen konnte. Daß ich in der örtlichen Fischer- und Touris-
tengemeinde allein unterwegs war, einfach für Stunden ver-
schwand, wurde, sobald meine Eltern zu ihren Aktivitäten auf-
gebrochen waren, in dem Glauben,  meine Großeltern würden 
mich beaufsichtigen, von diesen mir gegenüber nie zum Problem 
erklärt.

Als meine Mutter davon erfuhr, daß ich ohne Aufsicht an der
Mohle war, dort bei der Reparatur eines Bootes mit Hammer,
Schiffsnägeln und anderen Materialien geholfen hatte, war
sie über die vorgeblichen Gefahren entsetzt. Fortan war man
mit den Großeltern in diesem Punkt über kreuz und ich durfte
nicht mehr ohne Aufsicht vor die Tür. Es ist das Versagen der
Erzieher in ihrem Erziehungs- und Aufsichtsanspruch, der
mir - und anderen - ermöglichte, ein wenig das unbeeinflußte
Lernen aus eigenen Erfahrungen nachzuholen.

Gruss,
Jacob
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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