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Re: [ox] P/P und T. Veblen



Hallo Stefan,

Am Donnerstag, den 01.06.2006, 13:27 -0400 schrieb Stefan Seefeld:
http://tim.oreilly.com/articles/paradigmshift_0504.html
Ein grossartiger Vortrag !

Danke, es wird Zeit, daß das hier endlich diskutiert wird (sowieso schon
ein-zwei Jahre zu spät).

In einem ausgezeichneten Artikel stellt Franz Naetar (einigen von uns
von der 3.ox-Konferenz bekannt) das so dar:

"In diesem Referat meint O’Reilley, dass die ganze Softwareindustrie, ob
nun Free und Open Source oder proprietär vor einem „Paradigmenwechsel“
stehen, dessen sich allerdings weder die Free und Open Source Entwickler
noch die Firmen, die proprietäre Software entwickeln, bewusst sind.

Hinter der Free und Open Source Software stünden tieferreichende
langfristige Entwicklungen:

Die sogenannte Commodification der Software, die Kooperationen in großen
Netzwerken und die Entwicklung zu Software als ein Service.

Commodification wird dabei die Entwicklung zu modularen, austauschbaren
– da standardisierten – Teilen genannt, wie schon oben beschrieben. Ganz
wichtig sind bei der Software als Commodity die Schnittstellen zwischen
den Komponenten. So konnten sich z.B. Linux (und der Webserver Apache)
als System zur Bereitstellung von Webseiten deshalb so gut durchsetzen,
weil das vorher als Free Protokoll und Konzept definierte http-Protokoll
die freie Ersetzbarkeit der dahinter stehenden Server erlaubte. Generell
gesehen, meint O’Reilley, dass sowohl proprietäre als auch Free und Open
Source Software eine Commodity werden, wenn die Kommunikation zwischen
den Softwareprodukten standardisiert ist. Das Scheitern von Microsoft,
in der Kommunikation seine eigenen Standards durchzusetzen, wurde durch
Free und Open Source Software im Kommunikationsbereich erzwungen und
ermöglichte seinerseits die Ersetzbarkeit von Software an den Enden des
Kommunikationsprotokolls. Ein wichtige Rolle von Free und Open Source
Software ist daher nach O’Reilley „to keep the standard honest“[5] und
deshalb weigern sich Standardorganisationen immer öfter, Standards zu
akzeptieren, für die es keine Free und Open Source Realisierung gibt.

Wie setzen sich aber nun Standards durch, wenn Software vorerst
proprietär ist? Hier bereitet die „Verknöcherung“ der Schnittstellen in
und zwischen den Programmen, die die weite Verbreitung eines Produktes
erzwingt, früher oder später den Versuchen durch ständige Änderungen
eben diese Standardisierung zu verhindern, ein Ende.[6] Deshalb sind die
größten Anstrengungen der Free und Open Source Bewegung darauf gerichtet
Klone für Microsoft Word und die anderen Office Produkte zu entwickeln,
ein Bereich, in dem es Microsoft bisher erfolgreich gelungen ist, jede
Standardisierung zu verhindern und sein Monopol zu behalten.

Um was es letztlich geht, wird von den Protagonisten offen
ausgesprochen. Einer der Gründer einer Linux Distribution – die davon
lebt, die Free Software Linux in Form einfach installierbarer
Distributionen zu verkaufen - meinte, dass sein Ziel sei, „to shrink the
size of the operating system market“[7] und ein Manager von Microsoft
meinte, dass Free und Open Source Software ein Vernichter geistigen
Eigentums sei und dass durch die Free und Open Source Software eine
große Industrie zerstört und durch nichts ersetzt werde. (Die Umsätze
von Red Hat – der größte Linux Distributor -  sind 126 Millionen $, die
von Microsoft 32 Milliarden $.)

O’Reilley meint, das diese „kreative Vernichtung“ (Schumpeter), die hier
stattfindet und eine „Industrie zerstört“ als höhere Produktivität und
neue Möglichkeiten Profit zu machen an anderer Stelle wieder auftaucht.
Als Beispiel dafür in früheren Zeiten, sieht er, dass mit dem
Verschwinden ganzer Bereiche wie der Hardware, vermittels der IBM und
andere riesige Profite machten, ein neues Feld auftauchte, das der
Software, das die unerhörten Profite von Microsoft ermöglichte. Weiters
meint er, dass die Entwicklung damals von den AkteurInnen genauso wenig
verstanden wurden, wie auch die AkteurInnen heute nicht verstehen, was
sie machen.

Seiner Meinung nach ist der Erfolg von  Free und Open Source Software
nämlich Ausdruck einer tieferliegenden Entwicklung, nämlich der
Kooperation, die durch Netze ermöglicht wird. „Given enough developers
and a network to connect them, open-source-style development behavior
emerges”.[8] Open Source sei also die natürliche Sprache einer
vernetzten Gemeinschaft. Diese neue Form, zu produzieren, setze sich
auch innerhalb monopolistischer Konzerne oft gegen den erklärten Willen
des Managements durch.

Diese neue Form der Kooperation setze sich aber nicht nur bei der Free
und Open Source Software durch und bei Projekten wie Wikipedia, der
Enzyklopädie, die in neuer Form von Kooperation erstellt wird, sondern
werde auch zur Quelle eines neuen hoch profitablen Geschäftsbereichs –
mit den entsprechenden Extraprofiten, wie mensch hinzufügen muss.

Als Beispiele dafür nennt O’Reilley eBay, das einen virtuellen Markt und
Versteigerungsplatz annähernd zu einem Monopol ausbaute, aber vor allem
auch Amazon. Letzterer verkaufe nämlich eigentlich Produkte, die von
vielen anderen VerkäuferInnen auch angeboten werden. Neben gutem
Marketing und guter Organisation unterscheidet sich Amazon aber vor
allem durch seine BenutzerInnengemeinschaft. Diese resultiert in
Buchbesprechungen, impliziten (statistisch ermittelten)Verweisen auf
ähnliche Produkte und Interessen. Amazon nutzt also die bewusste und
nicht bewusste Kooperation der KäuferInnen, die auf diese Weise
gewissermaßen zu „ProduzentInnen“ werden, aus. O’Reilley schreibt:
„Eines der Geheimnisse von Open Source ist die Behandlung der Benutzer
als Mitentwickler, Amazon hat dies Geheimnis gelernt. Beachte aber, dass
diese Lektion völlig unabhängig von Open Source Lizenz Praktiken
ist!”[9]

Als weiteres Beispiel nennt O’Reilley das World Wide Web selber. Das WWW
baut nicht nur auf einer vernetzten Infrastruktur auf. Die dem WWW
zugrundeliegende Architektur des Hyperlinks sichert, dass der „Wert des
Webs“ durch seine BenutzerInnen erzeugt und ständig verbessert wird. Und
das gilt für fast alle erfolgreichen Initiativen im Internet.[10]

O’Reilley meint, dass Free und Open Source Software Teil einer größeren
Revolution, eines neuen Paradigma ist, die das Netz selber zu einem
Betriebssystem machen wird, das aus kleinen Teilstücken zusammengesetzt
ist und das es jedem leicht macht, sich daran zu beteiligen.
Free und Open Source Software sei Teil der Kommunikationsrevolution,
dazu ausgelegt, den freien Austausch von Ideen ausgedrückt in
(Programm)codes zu gestatten.

Gleichzeitig meint er aber auch, dass diejenige Firma, die das neue
Paradigma versteht, eine ähnliche Position erobern kann, wie das
Microsoft beim neuen Paradigma „Personal Computer“ gemacht hat.
O’Reilley meint, es ginge nicht um den Gegensatz zwischen einer
„Geschenk- und Geldkultur“, sondern die Bedingungen der Wertproduktion
selbst würden sich verändern. Wir wären ZeugInnen einer dynamischen
Veränderung der Produktion von Wert, bei der Dinge, die einst nur dem
privaten Vorteil dienten, frei geteilt werden und andere Dinge, die
einst für die Wertproduktion als unbedeutend betrachtet wurden, die
Quelle von enormem Wert werden."

Mehr dazu hier:

http://www.unet.univie.ac.at/~a9709070/grundrisse14/14franz_naetar.htm

Viele Grüße

  Stefan


________________________________
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Kontakt: projekt oekonux.de



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